Lokale Kultur

Mehr als Kaffeehausmusik

Ensemble Fracklos entführte Zuhörer in der Auferstehungskirche in die Zeit der Goldenen 20er-Jahre

Kirchheim. Fracklos – dahinter verbirgt sich ein Salonensemble erster Güte. Aufgetreten ist dieses Musikerquintett in der Auferstehungskirche. Krankheitsbedingt musste das

Benefizkonzert der Vesperkirche vom Februar auf den März verlegt werden. Umso erfreulicher, dass der Kirchenraum komplett gefüllt war.

Salonmusik wird bisweilen als seichte Kaffeehausmusik verstanden, als Beigabe zu Tortenstücken und Espresso. Bei Fracklos wurde man da eines Besseren belehrt. Das Ensem­ble präsentierte sich als eingespieltes Team, das in seiner Art der Interpretation von der romantischen, gefühlvollen Ballade bis zum feurigen, wilden Csardas die Zuhörer vom ersten Ton an elektrisierte. Kontrastreiche Dynamik und präzise Einsätze zeichneten diesen homogenen Klangkörper aus. Dass es sich um ein lang eingespieltes Team handelt, zeigte sich auch in der exakten und präzisen Ausführung der für die Salonmusik so typischen ständigen Verzögerungen und Beschleunigungen.

Mit ihren Evergreens, seligen Operettenmelodien, Tangos und Zigeunermusik entführten die Ensemblemitglieder die Zuhörer in die goldene Zeit der 20er-Jahre. Eröffnet wurde der Abend mit dem populären Stück „Heinzelmännchens Wachtparade“ von Kurt Noack. Die Sehnsucht nach dem Frühling, in diesen Tagen besonders groß, wurde in dem Walzer von Lehar Gold und Silber musikalisch lebendig und farbenfroh umgesetzt. Im „Tangoblues“ von Jacob Gade sowie dem „Csardas Nr.1“ von Gustave Michiels meisterte Cornelia Schlichte, die Ensemble-Chefin, auf ihrer Violine bravourös alle technischen Schwierigkeiten, von weitausholenden Melodiebögen bis zu rasenden Tonkaskaden.

Dem weiblichen Charme der Geige machte Thomas Reil an der Klarinette starke Konkurrenz. In „Blue Clarinet“ von Eric Sowa sowie in „Klarinettenkomik“ von Alfred Bräu zeigte er sein unglaubliches Gefühl für die Tongebung im Stile eines Giora Feidmann – mal seufzend, schluchzend, mal aufjauchzend, mal vorwärtsstürmend. Ein wahrer Meister seines Instruments.

Höhepunkt vor der Pause war die Interpretation der Komposition „Auf einem persischen Markt“ von Albert Ketelbey. Die Harmonien und Melodien entführten die Zuschauer in die persische Welt, wo sich auf einem Markt allerlei tummelt: Bettler, Gaukler und Kamele. Hier offenbarte das Quintett auch seine schauspielerischen und gesanglichen Qualitäten. Mit Texteinwürfen und arabischem Singsang schufen sie eine ganzheitliche Atmosphäre, die den Zuhörer in die orientalische Welt eintauchen ließ. Mit dem „Potpourri“ aus „Die Fledermaus“ von Johann Strauß spielten sich die Künstler mit selig machenden Melodien in die Herzen der Zuhörer.

Danach interpretierte Ewa Staszewska auf ihrem Violincello äußerst einfühlsam und mit großem Ton den Walzer „Herbsttraum“ von Archibald Joyce. Dieser Walzer ist berühmt geworden durch die Filmmusik Goldrausch von Charly Chaplin. In „Rumänische Impressionen“ von Vesco D‘Oro, einer Zigeunermusik zwischen unendlichem Weltschmerz und leidenschaftlicher Begeisterung, entfachten die Musiker nochmals ein wahres musikalische Feuerwerk. Scheinbar mühelos in elementarer Spielfreude nahmen sie alle musikalischen Klippen und technischen Schwierigkeiten. Daran hat Elena Wackenhut sicher auch einen entscheidenden Anteil. Mit ihrem einfühlsamen Klavierspiel hielt sie das Ensemble harmonisch und rhythmisch zusammen. Originell der Einfall: Das notwendige Umblättern der Noten wurde slapstickartig mit einem inszenierten Missgeschick gelöst. Aber letztlich kommt es auch auf ein verlässliches Fundament an. Günther Holz legte mit seinem Kontrabassspiel den Rhythmus und den Drive. Immer verlässlich und kraftvoll pulsierend streicht und zupft er seinen Bass. Mit dem Rausschmeißer Grastuna Bar von Uwe Rössler verabschiedeten sich Fracklos unter donnerndem Applaus von ihren Zuhörern. In der Tat, das gab’s nur einmal; wer nicht dabei war, hat etwas versäumt.

Der Erlös in Höhe von 900 Euro ging zugunsten der Kirchheimer Vesperkirche, die vom 1. bis 15. Februar täglich 270 Essen in der Thomaskirche ausgegeben hat.