Lokale Kultur

„Der mit den Tönen tanzt“

Gitarrist Eivind Aarset im Kirchheimer Club Bastion

Kirchheim. Wer sich an das letzte Konzert von Eivind Aarset im Kirchheimer Club Bastion erinnert, hat vielleicht auch noch den Zugabenteil vor Augen: der Gitarrist allein auf der Bühne, sich sukzessive in eine von Live-Elektronik generierte Peripherie einspinnend.

Sein jüngstes Kirchheimer Gastspiel an der Seite des Elektronik-Pioniers Jan Bang führte dies weiter. Der Idee nach auf intensives „Interplay“ gestimmt, somit einem Jazz-konformen Ansatz verpflichtet, begab sich das Duo in die ergebnisoffenen Gestade der Klangfeldforschung, exer­zierte in Echtzeit das Wechselspiel von Klangerzeugung und Klangbearbeitung.

Die beiden Norweger sind weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus bekannt. Jan Bang ist Initiator des renommierten „Punkt Festivals“ und kann auf Kooperationen mit Größen wie Brian Eno, David Sylvian oder Jon Hassell zurückblicken. Sein Landsmann Eivind Aarset ist in der umtriebigen skandinavischen Jazz-Szene bestens vernetzt und verdankt insbesondere der Zusammenarbeit mit dem Trompeter Nils Petter Molvaer internationale Bekanntheit. Mit seiner Formation „Sonic Codex“ lieferte Aarset in der Bastion bereits mehrere gefeierte Konzerte ab.

Als Duo zelebrierten Bang und Aarset über weite Strecken eine gepflegte, eher subkutan pulsende Melancholie, spannten sphärische Klangflächen auf, die sich dann und wann kulminierend aufbäumten, bevor sie in dunkle, ambientelastige Gefilde zurücksanken.

So kredenzten Bang und Aarset klangliche Lava – keine Eruptionen, vielmehr ein zähes, kraftvolles Fließen, ein profundes Brodeln unter der Oberfläche. Subtil gesetzte Verschiebungen von Rhythmus und melodischen Motiven, dezentes Changieren der Klangfarbe, der stete Blick für Nuancen und Details im Spiel des anderen offenbarten den feinsinnigen Gestaltungswillen der Musiker.

Jan Bang vollführte eine virtuose Choreografie, die der Logik und Konfiguration seiner Hardware folgte. Auf der nur minimalistisch von flackernden Dioden und einem Bildschirm illuminierten Bühne ließ sein physischer Einsatz beim Aufziehen der Regler, beim Wechseln von Datenträgern unschwer erahnen, warum einem unlängst gesendeten Feature über den Elektronik-Künstler der Titel „der mit den Tönen tanzt“ gegeben wurde.

Schade nur, dass sich das Publikum gedulden musste, bis das Klangexperiment eine schlüssig durchgreifende Gestalt annahm. Es mag auch an den technischen Widrigkeiten gelegen haben, mit denen Jan Bang in der ersten Konzerthälfte zu kämpfen hatte, dass phasenweise der Eindruck entstand, zwei hochkarätige Musiker spielten auf hohem Niveau nebeneinander her und blieben so hinter ihren eigentlichen Möglichkeiten zurück.

Umso erfreulicher zeigte sich dann die zweite Hälfte, die mit zunehmender Stringenz daherkam und mit einer rhythmisch vergleichsweise intensiven Zugabe zu Ende ging, in der das Duo endlich zu seiner vollen Größe auflief. Manches Experiment braucht eben seine Zeit. Aber auch bevor schließlich alle Parameter optimiert waren und sich zu guter Letzt die erhoffte Synergie einstellen konnte, bewegten sich Bang und Aarset keineswegs im Belanglosen.

Von Anfang an stand Klanglich-Situatives profiliert im Raum. Fluktuierende Zustandsbeschreibungen, Skizzen, die mit sicherer Hand umrissen und ebenso rasch verworfen wurden, bevor sie im digitalen Filter ihrer Auferstehung harrten. Ein spannender Dialog zweier zu recht als Ausnahmekünstler gefeierter Musiker, der beim Kirchheimer Publikum auf den verdienten Zuspruch stieß.