Lenninger Tal

Stilistische Sicherheit

Konzert der Kammersolisten Minsk in Brucken

Lenningen. Ein kleines Jubiläum war zu feiern. Zum 20. Mal gastierten am Samstag die Kammersolisten Minsk in der Bruckener Kirche. Das

Bernhard Moosbauer

Ensemble zählt in der Region Stuttgart zu den bekannteren Gruppen für „Alte Musik“, die auf Instrumenten spielen, wie sie im 18. Jahrhundert üblich waren, und nicht die sogenannten modernen Instrumente verwenden. Typisch für das Ensemble ist, dass sich die beiden Violinisten im Part der ersten Geige abwechseln, was den Stücken einen je eigenen Akzent verleiht.

Zum besonderen Anlass gehörte selbstverständlich ein entsprechendes Programm. Was lag also näher, als sich der Musikerfamilie Bach zu widmen, im Speziellen dem Umkreis Johann Sebastians mit dreien seiner Söhne – Wilhelm Friedemann, Carl Philipp Emanuel und Johann Christian. Den Anfang jedoch machte mit Johann Bernhard Bach ein Vetter Johann Sebastians, der als Organist in Erfurt und Magdeburg wirkte, bevor er 1703 nach Eisenach wechselte. Von ihm ist eine Sammlung französisch inspirierter Ouvertürensuiten erhalten, die ihn als handwerklich geschickten und im besten Sinne unterhaltenden Komponisten ausweisen. Es zeigte sich einmal wieder, dass die klanglich und artikulatorisch hochsensible französische Barockmusik immer eine Herausforderung ist, schon gar, wenn sie zu Beginn eines Konzertes, einer besonderen Spielsituation, erklingt. So kamen Eleganz, Delikatesse dieses Stils und die klangliche und charakterliche Differenzierung der einzelnen Sätze weniger stark als möglich zur Geltung.

Dass das Ensemble freilich über die nötige Palette interpretatorischer und instrumentaltechnischer Fähigkeiten verfügt, wie auch über eine bewundernswerte stilistische Sicherheit und musikalische Souveränität, davon konnte sich die zahlreich erschienene Zuhörerschaft den Rest des Abends überzeugen. Er blieb Johann Sebastian Bach und seinen Söhnen vorbehalten. Vom Vater Bach erklang die Einleitungssinfonia zu einer bedauerlicherweise selten aufgeführten weltlichen Kantate „Non sa che sia dolore“. Sie ist ein Kleinod unter ihresgleichen und wurde mit charmanter Leichtigkeit gespielt. Hinzu gesellte sich eine Triosonate für Flöte, Violine und Basso continuo. Neueren Forschungen zufolge ist diese Sonate Ergebnis des Musikunterrichts im Hause Bach, also kein authentisches Werk Johann Sebastians, worauf auch Dmitri Subow, der Leiter des Ensembles und „Conférencier“ des Abends, hinwies. Die fehlende genaue Zuschreibung tut dem Werk freilich keinen Abbruch, ist es doch eine gelungene Mischung aus kontrapunktischer, tänzerischer und kantabler Schreibweise und zeugt vom hohen Niveau der musikalischen Ausbildung durch Bach.

Interessant für die Zuhörer dürfte es gewesen sein, die verschiedenen Personalstile der drei bedeutendsten Söhne Johann Sebastians im selben Konzert präsentiert zu bekommen – den frühklassischen, leichtfüßigen des jüngsten Sohnes Johann Christian, die Mischung aus Galantem und Ausdrucksvollem beim ältesten, Wilhelm Friedemann, und den empfindsamen, hoch rhetorischen Stil eines Carl Philipp Emanuel. Dass alle Werke mit Spielfreude, sensibler Abstimmung, technischer Präzision und feinem Klangsinn präsentiert wurden, ist der beste Beweis für das beeindruckende musikalische Niveau des Ensembles. Die spielerische Leichtigkeit des Quintetts von Johann Christian, die kongenial interpretierte großartige Triosonate, ein Dialog, Streitgespräch und Einigkeit zwischen den beiden Temperamenten „Melancholicus und Sangineus“ von Carl Philipp Emanuel oder das erst seit zwei Jahrzehnten bekannte Flötenkonzert Wilhelm Friedemanns – jedes Werk für sich ein ausgeprägtes Individuum. Das so im besten Sinn unterhaltene Publikum erklatschte sich als Zugabe die Bourrée aus der berühmten h-Moll-Suite für Flöte und Streicher von Vater Bach.

Als Abrundung und Zeichen der Sympathie und Wertschätzung für die Künstler hatte die Kirchengemeinde nach dem Konzert anlässlich des Jubiläums zu einem Umtrunk eingeladen, bei dem sich Musiker und Zuhörer angeregt über das Programm austauschen konnten.