Lenninger Tal

Streit um Zug, der noch gar nicht fährt

Grünes Verkehrsministerium und schwarzer Abgeordneter beharken sich um die Zukunft der Neckartalbahn

Ein Zug erregt die Gemüter – obwohl er noch gar nicht gefahren ist. Auf der Strecke zwischen Nürtingen und Stuttgart müsste ab 2019 ein großer Teil der Fahrgäste stehen, behauptet der CDU-Landtagsabgeordnete Thaddäus Kunzmann. Das zuständige Verkehrsministerium bestreitet das.

Streit um Zug, der noch gar nicht fährt
Streit um Zug, der noch gar nicht fährt

Nürtingen. Es war ein Paukenschlag, als vermeldet wurde, dass die Deutsche Bahn ab 2019 nicht mehr die lukrativste Strecke Baden-Württembergs von Tübingen nach Stuttgart betreiben darf. Und darob ergaben sich natürlich heftige politische Diskussionen.

Im Grunde ist es ja eine bizarre Geschichte – ein Politiker und ein Pressesprecher streiten sich darüber, wie viel Menschen in der Zukunft im Zug gen der Landeshauptstadt und zurück stehen müssen. Eigentlich Wahlkampf pur – dennoch gibt es natürlich einen realen Hintergrund: Schon der verstorbene Regionaldirektor Dr. Bernd Steinacher (CDU) wollte Konkurrenz auf der S-Bahn – möglicherweise, weil er mit der Deutschen Bahn (DB) nicht zufrieden war – und initiierte eine Ausschreibung, bei der am Ende die DB – aus welchen Gründen auch immer – der einzig übrig gebliebene Bieter war.

Nun aber hat die Bahn den Kürzeren gezogen. Wegen eines Formfehlers wurde ihr Angebot für die Entscheidung nicht zugelassen. Es kam eine Bietergemeinschaft zum Zuge, die angeblich viel mehr bietet, als die Bahn jetzt.

Wenn das stimmt, müsste Thaddäus Kunzmann einräumen, dass Grün-Rot in diesem Punkt mehr erreicht hat als alle schwarzen Verkehrsminister davor. Das bereitet ihm offensichtlich Pein.

Auf der anderen Seite ist es auch so, dass der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann es gar nicht erwarten kann, wann Kunzmanns Vorwurf endlich dementiert wird. Obwohl er selbst für ein Interview – zu einem anderen Thema – die Fragen gerne vorher zugeschickt haben möchte, statt spontan am Telefon zu antworten.

Wie dem auch sei: Kunzmann hat Sorge, dass künftig (zu) viele Fahrgäste auf dem Weg nach Stuttgart stehen müssen. Dazu erklärt Winfried Hermanns Pressesprecher Edgar Neumann: „Erste spürbare Verbesserungen im Schienenpersonennahverkehr wird es in Folge des vom Land initiierten Wettbewerbes in vielen Netzen bereits mit den Übergangsverträgen geben. Hier rechnen wir bereits mit für das Land günstigeren Preisen und für die Fahrgäste vielerorts mit besserem Wagenmaterial.“

Einen richtigen Qualitätssprung für die Bahnkunden werde die Neuvergabe der Verträge bringen. Bei denen führe die neue Ausschreibung und der Wettbewerb dazu, dass komfortable und moderne, barrierefreie Wagen mit kostenlosem WLAN, Klimaanlage und Fahrradabstellplätzen sowie deutlich verbesserte Taktangebote zum Einsatz kommen. Dazu sei nun mit dem Ergebnis des Wettbewerbs ein wichtiger Schritt getan. Dabei werde auch das Platzangebot in den Wagen verbessert werden. „Die angebliche Verschlechterung – 2,5 Stehplätze pro Quadratmeter nur in Spitzenzeiten – ist in Wirklichkeit ein Mittel zur Qualitätssicherung. Denn im bisherigen Vertrag gibt es für Spitzenzeiten keinerlei Vorgabe. Wenn die Züge dauerhaft und wiederholt übervoll sind, können wir die DB dafür nicht zur Rechenschaft ziehen. Künftig wird das aber aufgrund klarer Kriterien möglich sein“, sagt Pressesprecher Edgar Neumann.

Wer Recht hat und wie viele Leute sitzen können oder stehen müssen, wird auch definitiv erst in vier Jahren entschieden. Eine Momentaufnahme zeigte indes dies: Der Sopranistin Camilla Illeborg, die zur Probe nach Nürtingen musste, wurde der Flug von Frankfurt nach Stuttgart gestrichen. Sie bekam einen Gutschein für die DB. Beide Züge waren verspätet. Der erste 35, der zweite 15 Minuten. So ist der Alltag bei der Deutschen Bahn.

Streit um Zug, der noch gar nicht fährt
Streit um Zug, der noch gar nicht fährt