Lokale Kultur

Fotograf Guido Mangold erinnert in der Kreissparkasse an Begegnungen mit den Mächtigen der Welt und Helden des Alltags

Fotograf Guido Mangold erinnert in der Kreissparkasse an Begegnungen mit den Mächtigen der Welt und Helden des Alltags

Ausstellungser¿ffnung Fotografien von Guido Mangold in der KSK Kirchheim
Ausstellungser¿ffnung Fotografien von Guido Mangold in der KSK Kirchheim

Kirchheim. Es gibt blendende Prominente, deren Strahlkraft aus der Nähe schnell verblasst. Es gibt aber auch faszinierende Persönlichkeiten, die Unglaubliches erlebt, Erstaunliches unternommen, hart gearbeitet und viel geleistet haben – und darüber reden, als sei das alles ganz selbstverständlich.

Der 1934 in Ravensburg geborene Guido Mangold zählt zweifellos zu der zweiten Kategorie – und das brachte ihm bei seiner Ausstellungseröffnung in der Kirchheimer Kreissparkasse viel Applaus und noch mehr Sympathien ein. Er gilt als einer der gefragtesten deutschen Fotoreporter der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und als „Ein Meister des richtigen Augenblicks“. Zahllose Auszeichnungen markieren seinen Werdegang. Bis zum 9. September ist in der Kirchheimer Hauptstelle der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen eine Auswahl seiner „Fotografien von 1958 bis heute“ zu sehen.

Sparkassendirektor Dietmar Ederle begrüßte die vielen Besucher. Mit einem Goethe-Zitat, nach dem man „nur sieht, was man weiß“, leitete er über zu einem sehr persönlichen, informativen und aufschlussreichen Gespräch. Der Kulturwissenschaftler Dr. Tobias Wall konnte im Dialog mit Guido Mangold den Besuchern viel mehr vermitteln, als jede noch so ausgefeilte Laudatio.

Von seinen Eltern im Alter von 14 Jahren von der Schule abgemeldet, musste Guido Mangold eine Bäckerlehre im Betrieb seines Vaters absolvieren. Er fühlte sich betrogen um sein Recht, zu lernen und revoltierte – allerdings „nur in seinem Innern“. Mit 20 Jahren brach er dann alle Brücken ab und wanderte nach Kanada aus. Klares Ziel war es, möglichst schnell genug Geld zu verdienen, um sich selbst verwirklichen zu können. 1957 kehrte er mit seinem als Patissier in Vancouver verdienten Geld nach Deutschland zurück und fand in Otto Steinert einen strengen aber auch sehr guten Lehrmeister.

Ein entscheidender Grundstein von Guido Mangolds Karriere war ein Fotowettbewerb. Sechs Aufnahmen schickte er ein und belegte im Kreis von rund 2 000 Konkurrenten gleich die ersten drei Plätze. Ein „Star“ war geboren. Der Bäcker und auslandserfahrene Patissier hatte endgültig seine Passion entdeckt, die zur Profession werden sollte. Ohne jede Arroganz hatte er für sich entschieden, dass er künftig keine kleinen Brötchen mehr backen will. Ein echter Handwerker ist er aber auch als leidenschaftlicher Fotoreporter und Bildkünstler immer geblieben.

Sein strenger fotografischer Lehrmeister hatte ihn geradezu darauf konditioniert, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und er wusste um die Bedeutung von Disziplin und korrekter Kleidung. Während seine erfahrenen Kollegen sich im Mai 1965 für den Besuch der Queen akkreditieren lassen konnten, mietete der ausgeschlafene Newcomer einen Mercedes mit Chauffeur an, ließ sich im geliehenen Frack zum roten Teppich fahren und stieg vor den Augen seiner erstaunten Kollegen aus der Nobelkarosse. Unbehelligt marschierte der „Kanadier“ aus Ravensburg zum königlichen Empfang, den nur er aus nächster Nähe fotografieren konnte.

Brenzlig wurde es erst, als die königlichen Gäste zu Tisch gebeten wurden. Da er den Makel einer fehlenden Tischkarte nicht wettmachen konnte, zog er sich dezent in die Küche zurück, wo er nicht nur zahllose Motive vor seine Linse, sondern auch das königliche Menü auf einem nur für ihn aufgebauten Tisch serviert bekam.

Sein meistabgedrucktes Bild schoss Guido Mangold in einer Säuglingsstation. Seine Aufgabe war es, einen der acht Urreflexe abzulichten, über die ein Säugling nur in den ersten zwei Wochen nach der Geburt verfügt. Zahlreiche Schwestern assistierten ihm mit gehaltenem Seil, Auffangtüchern – und Babys. Erst das 43. an die Leine gehaltene, drei Tage alte Baby schaffte die Meisterleistung, eine Minute lang sein eigenes Gewicht zu halten – und damit als 1967 in München fotografiertes „Hängebaby“ unsterblich zu werden.

Einen Verkaufsrekord bescherte Mangold auch der Zeitschrift „Twen“ mit Bildern, bei denen er aus freien Stücken „etwas“ von seiner Maxime „korrekter Kleidung“ abgewichen war. Er hatte dabei zweifellos auf das richtige Modell gesetzt. Bei der Wahl zwischen „zu teuer“ oder „möglicherweise zickig“ entschied er sich für die damals völlig unbekannte Hippie-Schönheit Uschi Obermaier, die Lust hatte, an seiner Seite Kamerun kennenzulernen. Die Monatszeitschrift, die statt mit schöner Landschaft lieber mit sublimer Erotik auf dem Titelbild für Mangolds Reisereportage warb, war innerhalb von 14 Tagen restlos ausverkauft und Uschi Obermaier wurde durch ihn weltberühmt.

Der internationale Durchbruch gelang Guido Mangold aber mit seinen begeisternden, hoffnungsvollen Bildern des Kennedy-Besuchs in Berlin am 26. Juni 1963 und seiner fast genau fünf Monate späteren Dokumentation der Beerdigung des ermordeten Präsidenten auf dem Nationalfriedhof in Arlington. Im Gespräch mit Dr. Wall machte der Profi deutlich, wie wichtig neben Disziplin und Pünktlichkeit früher auch Geschwindigkeit und vor allem ein präzises Timing war. Mit der Nachtmaschine aus den USA zurückgekehrt, entwickelte er seine aktuellen Bilder, während im Hintergrund die Rotation praktisch schon langsam anfuhr. Gemeinsam mit seinen Kollegen schaffte er es so, vor dem „Stern“ mit aktuellen Fotos am Markt aufzublitzen.

Wichtig war Guido Mangold der Hinweis, dass praktisch alle ausgestellten Bilder im Format unveränderte Originale sind und ebenfalls fast ausnahmslos unter Ausnutzen des jeweils zur Verfügung stehenden Lichts entstanden. Die in der Kreissparkasse ausgestellte Revue ist damit ein eindrucksvoller Nachweis seines hervorragenden Gespürs für den richtigen Augenblick – der zu seiner Zeit eben noch nicht am Rechner nachträglich optimiert werden konnte.

Dass er nicht nur die Reichen, die Schönen und die ganz schön Reichen, die Mächtigen oder Musikalischen, Politiker, Popstars oder Sportler eindrucksvoll porträtierte, sondern sich immer auch mit Opfern, Schutzlosen, Kranken und den vielen stillen Helden des Alltags fotografisch auseinandersetzte, belegt die Auswahl ebenfalls, die zudem auch Guido Mangolds Liebe zur Natur, zu Landschaften und zu Kirchheim und seiner näheren Umgebung dokumentiert.

Uneingeschränkte Freude darüber, von Geo als „fotografische Allzweckwaffe“ dazu auserkoren worden zu sein, ein Jahr lang an einem Buch arbeiten zu können, empfand der vielleicht doch irgendwann etwas erfolgsverwöhnte Profi nicht sofort. Dass es „ausgerechnet die Alpen“ sein mussten, begeisterte ihn keinesfalls. Er stellte sich aber darauf ein, dass Berge ja nicht nur etwas für passionierte Skifahrer und Wanderer sind – und es ja auch Täler gibt.

Wie großartig er sich letztlich auch mit Bergen arrangieren konnte, zeigt die Ausstellung ebenfalls und macht bewusst, was Kulturwissenschaftler Dr. Wall an Ende des Gesprächs gelungen auf den Punkt brachte. Jedes Bild, jede Aufnahme und jede Situation habe drei Seiten. „Eine, die du siehst, eine die ich sehe, und eine, die wir beide nicht sehen.“ Dass Guido Mangold zweifellos alle drei Seiten trifft, blieb unwidersprochen.