Lokalsport

„Ganz am Nullpunkt“

Die Play-offs finden ohne Kirchheim statt – Vertragsgespräche vorerst auch

Endstation Gotha: Nach der Niederlage am Sonntag in Thüringen ist die Pro-A-Saison 2013/14 für Kirchheims Basketballer Geschichte. Weil es der Mannschaft nicht gelungen ist, sich für eine Energieleistung am Ende zu belohnen.

Kirchheim. Manches Unglück wurzelt tiefer als es auf den ersten Blick scheint. In Gotha gab es viele Szenen, die den Kirchheimern im Endspiel um die Play-offs nicht in die Karten spielten. Ein Cut über dem Auge Ben Berans, der auf der Bank geflickt werden musste und den Amerikaner für entscheidende Minuten aus dem Spiel riss, oder der Ellbogenschlag gegen Bryan Smithson, der zur Folge hatte, dass dem Spielmacher der Knights minutenlang der Durchblick fehlte.

Ärgerliche Szenen aber nicht die entscheidende. Für Kirchheims Trainer Frenkie Ignjatovic spielte sich die 350 Kilometer entfernt bereits am Freitagabend ab. Die letzte Szene der regulären Spielzeit beim Sieg gegen Gießen, als es gleich drei Kirchheimer nicht schafften, Anthony Di Leo mit einem schnellen Foul am Wurf zu hindern. Dessen Dreier zischte in den Schlusssekunden zum Ausgleich durch die Reuse und bescherte beiden Teams die erste von zwei Zusatzschichten an diesem Abend. Fürs Publikum eine willkommene Extraportion Dramatik, für die Spieler ein Kraftakt in zehn intensiven Schlussminuten. Und für Ignjatovic: der springende Punkt im Finale am Sonntag. „Gotha war in der entscheidenden Phase spritziger und ausgeruhter als wir, das konnte man deutlich sehen.“

Ignjatovic („So kurz vor dem Ziel ist das hart“) blieb wieder einmal nur, seine Jungs in der Kabine hinterher aufzurichten. Statt am Wochenende im Viertelfinale der Play-offs aufzulaufen, heißt es nun, bereits am Donnerstag Abschied nehmen. Dann kommen Mannschaft und Trainer ein letztes Mal zusammen, um die Saison offiziell zu beenden. Ben Beran wird einer der wenigen sein, der Kirchheim danach nicht verlassen wird. Seine Frau erwartet in Kürze das erste Kind.

Mit wem es im Sommer ein Wiedersehen geben wird, ist derzeit völlig offen. „Wir wollen versuchen, möglichst viele aus dieser Mannschaft zu halten“, sagt Knights-Sportchef Karl Lenger. „Aber dafür ist es jetzt noch zu früh.“ Einige Sponsorenverträge enden, andere müssen neu verhandelt werden. Eines kann Lenger jetzt schon sagen: „Wir werden mit Sicherheit nicht mehr Geld zur Verfügung haben, als im vergangenen Jahr.“ Anders ausgedrückt: Die finanziellen Fesseln werden in der kommenden Saison noch fester sitzen als zuletzt. Was den Etat betrifft, soll spätestens Ende April Klarheit herrschen. Dennoch spricht Lenger von positiven Signalen seitens der Mannschaft. Am schlechtesten stehen die Chancen wohl im Fall Max Rockmanns. Der 26-jährige Berliner, der vor Saisonbeginn aus Cuxhaven kam und sich in Kirchheim zur Stammkraft entwickelte, liebäugelt mit einer Rückkehr in die Heimatstadt, wo auch seine Lebensgefährtin wohnt und arbeitet.

Doch selbst altgediente Spieler wie Kapitän Radi Tomasevic und Sebastian Adeberg haben zur Stunde noch kein Angebot vorliegen. Die einzige Unterschrift auf dem Papier ist die des deutschen Nachwuchsspielers Ivan Buntic, der vor Saisonbeginn einen Zweijahresvertrag erhielt. Es stehen spannende Wochen bevor oder wie Lenger sagt: „Wir sind ganz am Nullpunkt.“

„Best of five“ Viertelfinale am 5. April BG Göttingen – Baskets Essen Gießen 46ers – Science City Jena Ehingen/Urspringschule – Nürnberger BC Crailsheim Merlins – Rockets Gotha (weitere Spieltermine am 8., 11., 13. und 15. April) Halbfinale am 19., 21., 25. und 27. April Finale am 2. und 4. Mai

Kommentar Kirchheimer Realität

Kirchheimer Realität
Am Freitag gegen 22 Uhr hielt es keinen in der Halle mehr auf seinem Sitz. Obwohl auf der Tribüne an diesem Abend deutliche Lücken klafften, erinnerte der Lärmpegel doch sehr an die Play-off-Erfolge im Frühjahr 2012, als dem Überraschungsteam aus der schwäbischen Provinz um ein Haar die Sensation gelungen wäre. Der Sieg gegen Gießen nach zweimaliger Verlängerung am Freitag hat gezeigt: Die Knights bringen die großen Dramen auf die Bühne. Eine Droge, die beim Publikum noch immer wirkt. Trotz einer Saison mit vielen Enttäuschungen und einer unter dem Strich schwachen Heimbilanz.

Aus sportlicher Sicht lässt sich Frieden schließen mit einer Saison voller Überraschungen. Positiv wie negativ und daher: im Mittel brauchbar. Nach dem mit viel Glück und fremder Hilfe erreichten Klassenerhalt im Vorjahr ist Platz zehn am Ende mehr als die meisten erwartet hatten. Ob man von Kirchheimer Mannschaften in Zukunft wieder mehr erwarten darf, ist die spannende Frage. Immerhin haben sich die Ritter seit Gründung der Pro A vor sechs Jahren fast durchgängig im oberen Tabellendrittel behauptet.

Zweifel sind erlaubt. Finanzielles Wachstum, professionelle Strukturen, eine erstklassige Nachwuchsarbeit und glanzvolle Spielstätten – Was die Liga mit Tempo vorantreibt, ist in Kirchheim eine bestenfalls vage Perspektive. Warum man sich beim Handel mit Leidenschaft und Emotionen im stärksten Wirtschaftsraum der Republik so schwer tut, ist eine Frage, die sich nicht nur die Verantwortlichen stellen. Über einen Fahrplan in Richtung erste Liga – vor zwei Jahren noch selbstbewusst verkündet – spricht man in Kirchheim nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand. Es sind die kleinen Schritte, die mühevoll sind. Im Herbst gehen die Knights erstmals mit hauptamtlichem Geschäftsführer an den Start. Vorgaben der Liga, die erst der Anfang sind. Bis 2016 drohen weitere, schärfere Auflagen. Ohne wachsenden Etat werden die nicht zu erfüllen sein, will man weiterhin ein konkurrenzfähiges Team ins Rennen schicken.

Die Saison ist um. Den Großteil der Mannschaft will man versuchen, zu halten. Mehr als Absichtserklärungen sind derzeit allerdings nicht drin, weil für konkrete Verhandlungen die finanzielle Basis fehlt. Das ist Kirchheimer Realität.BERND KÖBLE