Albershausen. Was im Universum und bei den Messnern nicht klappte, soll den Kreuzfahrern nun gegen die verwilderten Hausschweine gelingen – wer dem American Football in süddeutschen Landen wohl gesonnen ist, dürfte mit dieser Formulierung durchaus etwas anfangen. Für alle Unwissenden: Dahinter versteckt sich dank wortwörtlicher Übersetzung der Mannschaftsname, eine Einschätzung der Situation bei den Albershausen Crusaders. Der Regionalligaaufsteiger hat seine ersten beiden Saisonspiele jeweils auswärts bei Frankfurt Universe und den Freiburg Sacristans verloren und steht darum im ersten Heimspiel am kommenden Sonntag gegen die Ravensburg Razorbacks bereits unter Druck.
Relativiert werden die Niederlagen allerdings durch den Nimbus der Gegner. „Frankfurt und Freiburg zählen zu den Titelkandidaten“, weiß Mirko Mosenthin (32), der seit Gründung der Albershausen Crusaders vor knapp zwölf Jahren dem rotations-ellipsoidförmigen Lederball nachjagt. Gegen das Nachfolgeteam der legendären Frankfurt Galaxay, die in den neunziger Jahren im europäischen Ableger der amerikanischen Profiliga (NFL Europe) mitmischten, und die mit zahlreichen US-Spielern gespickten Freiburger zu verlieren, war laut Mosenthin zu erwarten – auch wenn‘s knapper war, als gedacht. „Gegen Frankfurt hätten wir sogar gewinnen müssen“, sagt er mit leichtem Gram in der Stimme. Beim 28:33 gegen die haushoch favorisierten Hessen fehlten am Ende nur 30 Zentimeter zum Touchdown, der das Spiel zugunsten des schwäbischen Dorfclubs entschieden hätte. Statt Punkten gab‘s für die Albershausener hinterher wenigstens Lob und Anerkennung aus Fachkreisen. „In den einschlägigen Internetforen werden wir seitdem als Überraschungsteam gehandelt“, so Mosenthin stolz – die Konkurrenz ist gewarnt.
Dabei waren die Crusaders vor Saisonbeginn Mitte April noch als Abstiegskandidat Nummer eins in der acht Mannschaften starken Regionalliga gehandelt worden. Kein Wunder: Schließlich stellen die Albershausener das einzige Team der Liga, das ohne Amerikaner auskommt und auch in Sachen Etat sind sie eher als Außenseiter einzustufen. Der semiprofessionellen Gangart solcher Teams wie Frankfurt und Freiburg hat man nichts entgegen zu setzen außer schwäbischem Fleiß – den allerdings gleich 55-fach. So viele Spieler tummeln sich nämlich im Kader der Kreuzfahrer – überdurchschnittlich, wie Mosenthin weiß. „Normal bist du mit 40 Mann schon gut aufgestellt.“
Das Prinzip „Masse statt Klasse“ ist gleichzeitig Ausdruck der regen Jugendarbeit des Vereins. Sämtliche Spieler haben das für Laien oft nur schwer zu durchschauende Mannschaftsspiel in Albershausen gelernt. „Wir haben eine richtig gute Mischung aus Alt und Jung, die alle aus dem Verein kommen“, erklärt Mirko Mosenthin das Geheimnis des Erfolgs, das die Crusaders vergangene Saison zum Titel in der Oberliga und den damit verbundenden Aufstieg geführt hat. Den Status als Nummer drei der Region hinter den Stuttgart Scorpions (1. Liga) und Holzgerlingen Twister (2. Liga) gab‘s obendrauf.
Der Podiumsplatz unter den 41 in Baden-Württemberg registrierten American Football-Vereinen kommt nicht von ungefähr. Dafür sind die rund 100 Mitglieder außer im Training und bei den Spielen auch abseits des Rasens permanent gefordert. Um einigermaßen kostendeckend arbeiten zu können, verdingen sich die Jungs im Schnitt an zehn Wochenenden pro Jahr als Umzugshelfer für Autohäuser, Chauffeure bei Events anderer Albershausener Abteilungen oder als Ordner bei Heimspielen der Kirchheimer Zweitligabasketballer – ohne dieses Extra-Engagement wären die rund 30 000 Euro für eine Saison geregelten Spielbetriebs kaum zu erwirtschaften, zumal die Kreuzfahrer keinen potenten Großsponsor haben. „Das funktioniert nur, wenn alle mitspielen“, weiß Mosenthin, „und selbst dann ist es für jeden ein Drauflegegeschäft.“
Trotzdem schaffen gemeinsame Arbeitsdienste nicht nur Identifikation, sondern auch Nachhaltigkeit – wie sonst ist zu erklären, dass die Footballer unlängst gleich fünf neue Jugendtrainer durch die C-Lizenzprüfung gebracht haben! Der Nachwuchs, der so rege nach Albershausen strömt, dass sie eine eigene Jugendmannschaft stellen können, will schließlich fachgerecht betreut werden, zumal die Gewinnung neuer Mitglieder offenbar noch lange nicht am Ende ist. Gerade rund um die Teck wollen die Crusaders, bei denen laut Mosenthin rund 40 Prozent aus dem Kirchheimer Raum mitmischen, weiter Fuß fassen. Neben einer Schul-AG am Wirtschaftsgymnasium kann sich Mosenthin auch eine Projektwoche an seiner eigenen ehemaligen Penne vorstellen. Der gebürtige Weilheimer hat Abi am Schlossgymnasium gemacht, ein erstes Gespräch mit dem dortigen Lehrkörper sei positiv verlaufen.
Damit‘s nicht nur abseits des Feldes gut läuft, müssen die Crusaders am kommenden Sonntag unbedingt einen Sieg landen. Nach den beiden Auswärtsniederlagen geht‘s als Tabellensechster ins Heimspiel gegen die Ravensburg Razorbacks. Die „verwilderten Hausschweine“ vom Bodensee stehen mit einem Sieg und einer Niederlage einen Platz vor den Albershausenern, deren Trainer die Liga ausgeglichen einschätzt. „Wir können jeden schlagen, aber auch leicht gegen jeden verlieren“, glaubt Michael Frech. „Der Abstieg sollte kein Thema sein“, ergänzt Mirko Mosenthin.
An zahlreicher Unterstützung wird‘s dabei sicher nicht fehlen. Via Facebook haben bereits über 250 Fans fürs Heimspiel am Sonntag (Spielbeginn: 15 Uhr im Waldstadion Albershausen, ab 14.30 Uhr Pre-Game-Show)zugesagt, knapp 400 sind noch unentschlossen. Entscheidungshilfe bieten die Crusaders selbst: Am Samstagvormittag gehen sie in voller Spielmontur in der Kirchheimer Innenstadt auf Kreuzzug. Statt Bodyckecks wollen sie dann Werbung in eigener Sache machen.