Lokalsport

Bypass-OP vor Weihnachten

Knights unverändert nach Crailsheim – neue Kandidaten in Wartestellung

Noch herrscht Ruhe, trotz der angespannten sportlichen Lage. Vor dem Auswärtsspiel am Samstag in Crailsheim setzt man bei Kirchheims Basketballern weiterhin Vertrauen ins bestehende Personal. Die Botschaft: Gelingt bis Weihnachten nicht die Wende, soll kein Stein auf dem anderen bleiben.

VfL Kirchheim Knights (gelb) - SC RASTA Vechta (schwarz) 3 Richard Williams
VfL Kirchheim Knights (gelb) - SC RASTA Vechta (schwarz) 3 Richard Williams

Kirchheim. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um zu handeln? Diese Frage treibt zurzeit jeden um, der bei den Knights etwas zu sagen hat. Keinen Schnellschuss abfeuern, Ruhe bewahren und bis Weihnachten eine saubere Lösung finden, so könnte man vereinfacht das Rezept zusammenfassen, mit dem Sportchef Michael Schmauder in die kommenden Wochen gehen will. „Nur Druck allein führt nicht zum Erfolg, den wir dringend brauchen“, ist Schmauder überzeugt.“ Er setzt nach wie vor darauf, dass der Mannschaft aus eigener Kraft die Trendwende gelingt. Sollte dies nicht so sein, wird es spätestens an Weihnachten einen harten Schnitt geben, wie Schmauder verspricht. Namen nennt er keine, nur soviel: „Alle Amerikaner im Team sind Wackelkandidaten.“

Sein Coach Frenkie Ignjatovic würde lieber heute als morgen etwas an der bestehenden Situation ändern. Er nennt es „Bypass-Operation.“ Die verbleibenden sechs Spiele für Tryouts nutzen, um die Zeit bis Weihnachten zu überbrücken und danach mit einer erprobten Formation in die Rückrunde starten zu können. Kandidaten gibt es nach wie vor. Genauer gesagt zwei: Tim Burnette trainiert derzeit ebenso in Kirchheim wie Michael Anderson, ein 26-jähriger US-Amerikaner, der in Stuttgart arbeitet, zuletzt in Mexiko am Ball war und für den die deutsche Liga Neuland ist. Das wichtigste am 1,95 Meter-Mann, der für die Positionen drei und vier in Frage käme: „Er ist athletisch und ein cleverer Verteidiger“, wie Ignjatovic betont. Qualitäten, die man auf dem Flügel bisher vermisst. Cooper Land, der nicht nur lange Zeit glücklos, sondern auch durch Verletzungen gehandicapt agierte, hat zuletzt gegen Vechta zumindest im Spiel nach vorne durchblicken lassen, weshalb das Vertrauen in ihn vor Saisonbeginn so groß war. „Beide zusammen genommen, ergäbe den perfekten Spieler,“ meint Ignjatovic.Soll heißen: einen kampfstarken Allrounder, wie ihn zuletzt Devin Uskoski oder in früheren Jahren Adam Baumann verkörperte.

Ein solcher Typ ist nicht in Sicht. Stattdessen ist es nun Aufgabe des Trainers, der stark verunsicherten Mannschaft neues Selbstvertrauen einzuimpfen. Alle wissen: Wenn man am Samstag in Crailsheim gewinnt, sieht die Welt ganz anders aus. „Ein Sieg ist das Allheilmittel“, sagt Michael Schmauder. „Die Mannschaft hat das Potenzial, um da unten raus zu kommen.“ Dumm nur: Seit man im Profigeschäft auf Augenhöhe spielt, hat Kirchheim in Crailsheim noch nie gewonnen. Trotzdem war die Chance selten größer als diesmal, die Negativserie am Samstag zu beenden. Schließlich trifft man in der Hakro-Arena auf eine Mannschaft, die noch stärker unter Druck steht als die Gäste aus Kirchheim. Als Aufstiegsaspirant gestartet stehen die Merlins nach einer völlig enttäuschenden Saison punktgleich auf Platz 13 und damit nur einen Tabellenplatz vor den Knights. Gut möglich also, dass am späten Samstagabend mit dem Crailsheim-Komplex und der aktuelen Krise gleich zwei Kirchheimer Probleme aus der Welt sind. Falls nicht, wird sich erneut die Frage stellen: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um zu handeln?

 

KOMMENTAR

Ungeregelte Erbfolge

Statistiken im Basketball zeichnen nicht immer ein scharf konturiertes Bild der wahren Lage. Doch Statistiken zählen und entscheiden am Ende über den sportlichen Erfolg oder Misserfolg einer Mannschaft. Und die Statistik sagt: Kein Team in der Pro A hat dem Gegner bisher auch nur annähernd so viele Punkte genehmigt wie die Kirchheimer. Durchschnittlich 96 sind es nach bisher neun Spieltagen. Das ist selbst dann zu viel, wenn man berücksichtigt, dass die Knights bisher auch offensiv zu den Branchenführern zählen. Mit im Schnitt 87 erzielten Punkten liegt die Mannschaft von Frenkie Ignjatovic nur hauchdünn auf Platz zwei, hinter den bekannt offensivstarken Baskets aus Paderborn, die ähnlich wie die Kirchheimer mit komplett offenem Visier kämpfen. Kein Wunder also, dass der 119:116-Erfolg der Knights vor vier Wochen – der bislang letzte in dieser Saison – ein denkwürdiges Resultat zeitigte.

Seitdem reicht es nicht mehr. Selbst 95 Punkte gegen Vechta waren zu wenig, um die erschreckend schwache Defensive zu kaschieren. Was hinten durch die Reuse zischt, lässt sich vorne nicht mehr ausbügeln. Auch dann nicht, wenn – wie zuletzt gegen Vechta – gleich fünf Kirchheimer zweistellig punkten. Eine Situation, die bedrohlich, aber wenig überraschend ist. Mag sein, dass bei Dribbelkünstlern wie Chris Alexander, Cedric Brooks oder Radi Toma­sevic angesichts des fehlenden Erfolgs die gewohnte Sicherheit leidet. Was das Guard-Trio, das bisher immerhin fast die Hälfte aller Kirchheimer Punkte beisteuerte, abliefert, trägt dennoch das Etikett erwartbar. Keiner der drei galt jemals als großer Defensivstratege. Mit Ausnahme Sebastian Adebergs gilt dies für so gut wie jeden im aktuellen Team.

Zum ersten Mal seit dem Aufstieg in die Pro A 2008 muss sich die sportliche Führung in Sachen Kaderplanung grobe Schnitzer eingestehen. Oder anders ausgedrückt: Das Glück, das den Kirchheimern bei der Wahl ihres Personals vier Jahre lang nicht von der Seite rückte, hat eine Pause eingelegt. Dass ein Mann wie Devin Uskoski im Handumdrehen würde ersetzt werden können, durfte niemand erwarten. Dazu braucht es Geld, das Kirchheim nicht hat. Nach dem Abschied Ahmad Smiths, dem Denker und Lenker im Kirchheimer Spiel, war die Chance verführerisch, mit Chris Alexander einen weiteren Topmann der Liga unter die Teck lotsen zu können. Nur: Smith und Alexander sind grundverschiedene Spielertypen. Smith kann ein Spiel führen, Alexander einen Gegner im Alleingang erledigen, sofern man ihm dabei den Rücken freihält. Nicht die allzu ähnliche Spielweise von Alexander, Tomasevic oder Brooks sind das Problem, sondern Smith, dessen Erbe noch immer nicht geregelt ist.

BERND KÖBLE