Lokalsport

Der Paradiesvogel

Julian Sensley ist der neue Big Man für die Kirchheimer Basketballer

Geboren in New Orleans, aufgewachsen im Südsee-Paradies Hawaii, daheim in der Welt. Seit gestern ist Julian Sensley in Kirchheim. Die vorläufig letzte Station einer bemerkenswerten Basketball-Karriere.

Kirchheim Knights - Julian Sensley und Trainer Michael Mai
Kirchheim Knights - Julian Sensley und Trainer Michael Mai

Kirchheim. Wer seinen Spuren folgen will, sollte viel Geduld mitbringen. Wer ihn näher kennenlernen möchte, muss vor allem schnell sein. Viel Zeit hat Julian Sensley in seiner achtjährigen Laufbahn als Basketball-Profi selten an einem Ort verbracht. 21 Stationen in 13 verschiedenen Ländern, das ist selbst für einen Basketballer eine rekordverdächtige Bilanz. Rekordverdächtig auch die Strecke, die der 32-jährige Deutsch-Amerikaner auf dem Weg nach Kirchheim seit Montag zurückgelegt hat: 33 Stunden dauerte die Reise von Honolulu auf Hawaii über Los Angeles und Salt Lake City bis nach Frankfurt, wo gestern morgen zur Frühstückszeit bereits der Knights-Shuttle wartete.

Er lässt sich die Strapazen der Reise nicht anmerken. Formalitäten erledigen, Shakehands mit Geschäftsleitung und Trainern, Fototermin, dazwischen zwei Tassen schwarzen Kaffees, um wach zu bleiben. Er fühle sich gut, erzählt er. Das Wichtigste: keine Erkältung, trotz beinahe 30 Grad Temperaturunterschied seit seiner Abreise in der Südsee. Ein paar Stunden Schlaf am Nachmittag, danach das erste Training mit der Mannschaft. Akklimatisation auf die unkomplizierte Art.

Bis Sonntag war es ein sorgfältig gehütetes Geheimnis. Der neue Mann, der den chronischen Personalmangel im Kirchheimer Frontcourt beheben soll, war nicht leicht zu finden. Knights-Coach Michael Mai spricht deshalb von einer „Win-Win-Situation“, einem Deal, von dem beide Seiten profitieren sollen. „Julian wird für uns eine deutliche Verstärkung sein“, sagt Mai. „Umgekehrt können wir ihm eine Werbefläche bieten.“ Die wird er gut gebrauchen können. Der 2,06 Meter große Forward ist bisher vor allem durch seine Rastlosigkeit in Erscheinung getreten. Zuletzt war er bis April für die Gigantes de Guayana in Venezuela am Ball, dem Land mit der zweithöchsten Mordrate auf der Welt. In Europa stand Sensley unter anderem in Italien, Spanien, der Türkei und auf Zypern unter Vertrag. Während des Sommers hielt er sich mit vereinzelten Engagements in der US-amerikanischen Summer League fit. Er fühle sich in körperlich guter Verfassung, sagt der Mann mit der imposanten Statur. „Das einzige, was es momentan nachzuholen gilt, ist die Spielpraxis.“

Ob er die schon am Samstag in Cuxhaven wird sammeln können, ist eine Frage, auf die man in Kirchheim derzeit wenig Einfluss hat. Nachdem der Vertrag unterschrieben ist, heißt es Warten. „Erst wenn von seinem bisherigen Verein die Freigabe vorliegt, kann er spielen“, sagt Knights-Sportchef Karl Lenger. „Wie lange das in Südamerika dauert, wissen wir leider nicht.“

Sicher ist: Mit Sensley gewinnen die Knights jene physische Stärke, die nach dem Ausfall von Enosch Wolf vermisst wurde. Dabei ist die Verletzung des Centers, der bis dahin eine überragende Saison gespielt hatte, nicht der alleinige Grund für die Neuverpflichtung. Schließlich wird Wolf vermutlich schon im Januar aufs Spielfeld zurückkehren können. „Wir wussten von Beginn an, dass wir auf den großen Positionen schwach besetzt sind“, sagt Lenger. „Vor der Saison waren uns finanziell jedoch die Hände gebunden.“

14 Einsätze in der deutschen A-Nationalmannschaft

Der Vater Amerikaner, die Mutter eine gebürtige Rostockerin, die nach ihrer Jugend in Hamburg 1975 in die USA auswanderte. Julian Sensley ist in New Orleans geboren, seine deutschen Wurzeln aber gaben den Ausschlag für eine von vielen ungewöhnlichen Episoden im sportlichen Leben des 32-Jährigen. Sensleys Nationalmannschaftskarriere in Deutschland zählt selbst unter Basketball-Experten nicht zum Allgemeinwissen. Unter Bundestrainer Dirk Bauermann absolvierte er 2006 und 2007 insgesamt 14 A-Länderspiele für den Deutschen Basketballbund. Der Mann. der nie deutschen Boden betreten hatte und kein Wort Deutsch spricht, war Teil der Planungen für die Basketball-WM 2006 in Japan. Nach seiner Einbürgerung absolvierte er am 28. Juli 2006 in Hamburg sein erstes Länderspiel für das deutsche Team, dem 13 weitere folgten. Der damals 23-Jährige wurde von Bauermann erst kurz vor der WM als einer der Letzten aus dem vorläufigen Aufgebot gestrichen.bk