Lokalsport

Die coole Sau in Reizwäsche

Kirchheim gegen Crailsheim, das ist nicht nur Basketball-Gift für Bluthochdruck-Patienten. Das ist auch das Duell zweier Kultfiguren am Hallen-Mikro.

Die coole Sau in Reizwäsche
Die coole Sau in Reizwäsche

Kirchheim. Er wird gehasst, er wird verehrt wie ein Gott und er ist die unbestritten „coolste Sau“ in den Arenen von Cuxhaven bis nach Ehingen. Wenn Pimp zu ohrenbetäubender Musik mit der Harley aufs Parkett knattert oder im grellen Scheinwerferlicht von der Hallendecke schwebt, dann ist Showtime im Wohnzimmer der Merlins aus Crailsheim. Pimp ist Kult. Seit es eine gewöhnliche Mannschaftsvorstellung als abgefahrene Rap-Nummer auf Youtube gibt, weiß das die halbe Republik.

Der Frontmann der Merlins polarisiert wie kein anderer in der Szene – im Spannungsfeld zweier Klubs, die auch ohne geschäftsmäßige Provokateure eine Hassliebe verbände. Die Zauberer aus dem Hohenlohischen und die Ritter von der Teck, das ist wie die Blindgänger-Granate in der Baugrube: Man weiß nie, wann sie hochgeht. Dabei ist Pimp. der im wahren Leben Daniel Jüngling heißt und als Assistent der Geschäftsleitung beim Namensgeber der Crailsheimer Arena in Lohn und Brot steht, ein überaus höflicher Mensch mit gepflegten Umgangsformen. Einer, der vor Jahren von der Modewelt zum freundlichsten Servicemann der Branche gekürt wurde. Beides geht, denn Pimp beherrscht seine Rolle. Streng nach dem Motto: Den gegnerischen Fans gewaltig auf den Sack gehen, aber immer nur so weit, dass man hinterher gemeinsam noch ein Bierchen trinken kann. Immer funktioniert das nicht, das weiß er. „Provozieren gehört dazu, solange es sportlich fair bleibt“, sagt der Mann am Mikro. Die meisten Klubs nehmen ihm sein Programm nicht übel. Immerhin kommt es nicht selten vor, dass er vor Spielbeginn vom Gegner ein Präsent überreicht bekommt – als Zeichen der Wertschätzung.

Zu wissen, wann man den Finger in die Wunde legt, damit es am meisten schmerzt, ist eine Kunst, die auch Daniel Zirn, genannt „Stirn“, bei den Knights glänzend beherrscht. Wenn der Gegner per Auszeit die Notbremse zieht, sind das fast immer entscheidende und sensible Phasen im Spiel. In solchen Momenten kann das Publikum zum Zünglein an der Waage werden. Wenn die Halle kocht, Sprechchöre die aufgeheizte Luft zum Flirren bringen und die Fans auf den Rängen stehen, dann hat „Stirn“ alles richtig gemacht. Der Kirchheimer ist der moderatere von beiden, hält es in den Viertelpausen schon mal mit sportlichen Fakten. Doch wenn das Spiel heiß läuft, gibt‘s von den austrainierten Stimmbändern des 25-Jährigen kräftig auf die Ohren. Nach einem Spiel, in dem es hoch her ging, ist sonntags schon mal regeneratives Schweigen angesagt. „Ich bin‘s gewohnt“, meint Daniel Zirn. „Früher im Fanblock war das oft noch schlimmer.“

Anders als Pimp, dem sie in der Jugendabteilung des ESV Crailsheim eine große Zukunft als Fußballer bescheinigten, ist Stirn bei den Knights ein Mann von der Basis. Basketball haben zwar beide nie gespielt, doch als Gründungsmitglied der Squires weiß Einpeitscher Zirn exakt, was eingefleischte Fans unter Heimspiel-Atmosphäre verstehen. Am Samstag ist wieder einmal Feuer unterm Dach. Stirns Aufgabe: Die gelbe Wand in Schwingung bringen.

Dass die Rivalität zwischen beiden Fanlagern inzwischen an Schärfe verloren hat, ist ausgerechnet den beiden Scharfmachern zu verdanken. Ihre offen zur Schau getragene Freundschaft hat viel zur Konfliktbereinigung beigetragen. Bestes Beispiel: Eine Trikot-Wette vor zwei Jahren, als Pimp nach verlorenem Kampf in Kirchheim im Rückspiel in den Farben der Knights auflaufen musste. Die vermeintliche Schmach wurde zur Brücke zwischen beiden Klubs. Besser noch: eine, die zum Erfolg führte, denn das meistgehasste Kleidungsstück in Crailsheim brachte den Merlins Glück: „Ich bin ein abergläubischer Mensch“, verrät Pimp. Weil die Crailsheimer das Rückspiel wie immer gewannen, zog er das Trikot erst wieder aus, nachdem eine Heimserie von vier Siegen in Folge gerissen war. Die Retourkutsche folgte übrigens prompt: Nach einem verlorenen Freiwurf-Duell in Crailsheim hatten auch die Kirchheimer ihren Mann in Reizwäsche.