Kirchheim. So ungewöhnlich wie die Laufzeit des neuen Kontraktes im schnelllebigen Basketballgeschäft, so ungewöhnlich war der Zeitpunkt der Bekanntgabe: In der Halbzeitpause des Spiels gegen Kaiserslautern schnappte sich Michael Schmauder das Hallenmikro und verkündete, was wenige Stunden zuvor schriftlich besiegelt worden war. Kirchheims Erfolgstrainer verlängert - und das gleich um vier Jahre. Damit sind endgültig alle Spekulationen vom Tisch, der 44-Jährige könnte in seine hessische Heimat zurückkehren oder gar den Verlockungen der ersten Liga erliegen. Zwar sieht der jetzige Vertragsabschluss eine erneute Ausstiegsklausel für die BBL nach Ablauf der ersten beiden Jahre vor, doch die saß den Kirchheimern bekanntlich schon immer im Nacken. Diesmal besteht zumindest für zwei Jahre Planungssicherheit, und wer den Trainer kennt, der weiß, dass Ignjatovic in der Vergangenheit stets mit offenen Karten spielte.
Damit hat das Kirchheimer Modell gute Chancen, als wohltuende Konstante im Basketball-Wanderzirkus aus dem Rahmen zu fallen. Nicht ohne Grund. Die Knights und der VfL haben Pläne, die nach Kontinuität verlangen. Ignjatovic ist die Schlüsselfigur im Nachwuchskonzept, das in den kommenden Jahren für einen Leistungsschub sorgen soll. Der Trainer wird künftig zum Bindeglied zwischen den Jugendteams des VfL und der Profimannschaft. Er soll Qualitätsstandards im Training bestimmen, einen schlagkräftigen Trainerstab um sich formen und dabei auch die Talentsichtung übernehmen. Im Profibereich fällt schon lange kaum mehr eine Entscheidung ohne Zutun des Mannes aus Ober-Ramstadt. Ignjatovic und seine neue Rolle weisen unweigerlich Parallelen zum bezahlten Fußball auf: Wie der VfL Wolfburg im Meisterjahr hat nun auch Kirchheim eine Art Felix Magath. Dass dies gerade jetzt geschieht, ist kein Zufall: „Wir sind an einem Punkt, wo wir in der Pro A eine gute Rolle spielen“, sagt Ignjatovic. „Jetzt müssen wir auch das Jugendtraining auf ein Level bringen, das wir für eine gesunde Entwicklung brauchen.“
Der Erwartungsdruck ist groß und er ist von beiderseitigem Vertrauen geprägt. Die Reaktion der Zuschauer nach Bekanntgabe der Vertragsentscheidung am Sonntag in der Halle, der Jubelsturm auf den Rängen, ist ein sicheres Indiz für den Vertrauensvorschuss auch seitens der Fans. Dies wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, da Mannschaft und Trainer gerade ihre sportlich schwierigsten Wochen durchlebten.
„Wir haben viel Arbeit vor uns. Das alles lässt sich nicht über Nacht umsetzen“, nennt der sportliche Leiter, Michael Schmauder, die Gründe für das langfristig ausgelegte Vertragswerk, das nun schneller als zunächst geplant festgezurrt wurde. Das Signal ist deutlich: Man hat keine Zeit zu verlieren. In wenigen Wochen bereits werden in den Jugendteams die neuen Jahrgänge sondiert, Hallenbelegungspläne gezimmert und Trainerentscheidungen gefällt. Bis Anfang Mai sollen alle Jugendtrainer eine klare Aufgabenbeschreibung an der Hand haben, die fortan einmal im Monat gemeinsam überprüft und weiterentwickelt werden soll. „Unser Ziel ist es, in drei Jahren eine Mannschaft in die Qualifikation zur JBBL (Jugendbundesliga) zu führen“, sagt der Chefcoach.
Er weiß, dass dies kaum möglich sein wird, ohne das größte Hindernis in Kirchheim aus dem Weg zu räumen: Das Problem fehlender Hallenzeiten begleitet den Trainer seit seinem ersten Arbeitstag. Es stimmt, wenn er sagt, dass kein Team in der Pro B mit schlechteren Trainingsbedingungen klar kommen muss. Es stimmt freilich auch, dass der Kuchen, von dem alle Abteilungen naschen, in Kirchheim nicht beliebig teilbar ist. Die Verhandlungen mit der Stadt, die bereits kommende Woche beginnen sollen, bergen einigen Konfliktstoff. Einen Konflikt, den Ignjatovic nicht scheut: „Wenn wir es ernst meinen mit unseren Plänen, brauchen wir einen festen Standort für den Jugendbasketball.“