Lokalsport

Extra-PS für den Twin-Turbo

Marcus Smallwood soll Kirchheimer Rebound-Schwächen beheben

Nicht nur auf dem Spielfeld sind Kirchheims Basketballer immer für eine Überraschung gut: Die am Dienstagabend verkündete Verpflichtung von Marcus Smallwood sorgt für Gesprächsstoff unter der Teck. Der 30-jährige Center liefert spektakuläre Dunks, aber auch Sprengstoff abseits des Spielfelds. Opfer des neuerlichen Coups ist Anthony Pettaway, der Kirchheim verlassen wird.

Freiburg 2.4.11 Basketball Pro A USC Freiburg - VfL Kirchheim Knights 73:94,Bester Spieler von Kirchheim,Marcus SMALLWOOD (VfL K
Freiburg 2.4.11 Basketball Pro A USC Freiburg - VfL Kirchheim Knights 73:94,Bester Spieler von Kirchheim,Marcus SMALLWOOD (VfL Kirchheim Knights)Foto Achim Keller Merzhauserstrasse 76 D-79100 Freiburg Tel:(0049) 0-761 4893715 Mobil:017666565510Sparkasse Freiburg Nördlicher BreisgauKTO.0012693876BLZ.680 501 0

Kirchheim. Hire and fire, so macht man vielleicht andernorts Personalpolitik. Kirchheim eilt im Ligageschäft seit jeher der Ruf voraus, in Vertragsfragen ein integrer Partner zu sein. Am späten Dienstagnachmittag geriet dieses Bild kurzzeitig in Schieflage. Als über Facebook die unbestätigte Nachricht durchsickerte, Marcus Smallwood kehre nach zwei Jahren zurück nach Kirchheim, sah man sich in der Knights-Geschäftsstelle am Abend gezwungen, eine Eilmeldung abzusetzen, um die Gerüchteküche mit Fakten herun­terzukühlen. Der Haken an der Sache: Zu diesem Zeitpunkt war Anthony Pettaway nur über seinen Agenten darüber informiert, dass sein Arbeitsplatz in Kirchheim inzwischen anderweitig besetzt ist. Das Gespräch mit dem Trainer sollte erst am Abend stattfinden.

Frenkie Ignjatovic war folglich wenig begeistert von dem Schnellschuss, schließlich tat sich der Coach im Fall Pettaway schon ohne dies schwer genug. Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, betont er. „Tony hätte von seinem Charakter sehr gut zu uns gepasst.“ Dass der 24-jährige US-Amerikaner im Sommer zwei Wochen früher als vereinbart das Flugticket in der Heimat buchte, um sich in Kirchheim die nötige Grundfitness vor dem offiziellen Trainingsauftakt zu holen, beeindruckte nicht nur den Trainer. Doch Pettaway kam über gute Ansätze in der Vorbereitung nie hinaus, agierte zurückhaltend und oft glücklos. Symptomatisch: Am vergangenen Samstag gegen den MBC holte sich der 24-Jährige in Rekordzeit sein fünftes Foul ab und hatte nach nur vier Minuten Spielzeit bereits Schichtende.

Jetzt kommt mit Marcus Smallwood so etwas wie der Gegenentwurf. Ein Kraftpaket mit brennendem Ehrgeiz, dessen sportliche Qualitäten unstrittig sind, der dafür jedoch als streitbarer Typ mit gelegentlich menschlichen Schwächen gilt. „Ich kenne niemand, der so hart und kompromisslos an sich arbeitet,“ sagt Frenkie Ignjatovic. „Sein Problem ist, dass er dasselbe auch von anderen verlangt.“ Smallwoods Machtkampf mit Ryan DeMichael und Nils Menck in der Saison 2010/2011 ist ebenso unvergessen, wie das, was folgte: Als fünf Spieltage vor Saisonschluss der Vertrag mit DeMichael aufgelöst wurde, explodierte Smallwood eine Woche später in Freiburg regelrecht: 37 Punkte, 20 Rebounds und eine Effektivität von 50 Punkten – das sind in Kirchheim vermutlich Statistiken für die Ewigkeit. Der Amerikaner kannte fortan seinen Marktwert und flirtete mit der BBL. „Wenn Pro A, dann nur in Kirchheim“, lautete seine Botschaft an die Fans. Wenige Wochen später unterschrieb er beim BBL-Absteiger MBC, wo er noch vor dem Ende der Hinrunde bereits wieder vor der Tür stand. Viele in Kirchheim nehmen ihm das bis heute übel.

Schwamm darüber – Die Mannschaft in Kirchheim ist heute eine andere und „Markus hat seine Erfahrungen gemacht und ist reifer geworden“, sagt sein Trainer. In anderen Worten: Smallwood hat seinen Agenten inzwischen in die Wüste geschickt und sich für seine zweite Chance in Kirchheim in Bescheidenheit geübt. Nach einer verkorksten Saison in Weißenfels und einem Konsolidierungsjahr beim letztjährigen Pro-B-Vertreter aus Vechta ist es Smallwoods dritter Anlauf zurück ins Knights-Team. Vergangenen Sommer passte er nicht ins Konzept mit Devin Uskoski und seinem früheren Rivalen Nils Menck. Nach Saisonende im Mai lockte ihn Kirchheim gar mit einem Zweijahresvertrag, bevor man sich mit Anthony Pettaway für den besten Center der Pro B entschied. Im Sommer dann platzte Smallwoods Vorvertrag in China, und der Mann aus Chicago stand wieder ohne Job da.

Zuletzt ging alles ganz schnell. Pettaways Probleme sind Smallwoods Glück. Womöglich eines, das auf Gegenseitigkeit beruht, denn diesmal scheint vieles zu passen. „Er ist genau der Arbeiter unterm Korb, den wir brauchen“, glaubt Knights-Sportchef Michael Schmauder. Das letzte fehlende Puzzleteil im System Ignjatovic, das in der kommenden Saison mehr denn je von erfolgreicher Reboundarbeit abhängen wird. Das Fastbreak-orientierte Spiel der beiden pfeilschnellen Guards Brooks und Alexander verpufft ohne Ballgewinne in der Defensive. Smallwood soll dem Twin-Turbo nun ein paar Extra-PS einverleiben. „Das ist in der neuen Saison unser Brennpunkt“, sagt Ignjatovic. „Marcus wird uns unterm Korb mehr Stabilität geben.“

Viel Zeit zur Eingewöhnung bleibt nicht. Marcus Smallwood wird Freitagmittag mit der Maschine aus Chicago in Stuttgart landen und wohl schon tags darauf auf dem Spielfeld stehen. Bei den letzten beiden Tests am Samstag in Leitershofen und am Sonntag in Ehingen soll der Rückkehrer zeigen, dass er der Richtige ist. Zum Rückkehrer könnte auch Anthony Pettaway werden. Der führt zurzeit Gespräche mit seinem norddeutschen Ex-Klub SC Rist-Wedel, der ihn im Frühjahr nur ungern ziehen ließ.