Lokalsport

Kanadische Nachwuckskicker auf Tour

Australien, Elfenbeinküste oder Jordanien – in der Sportschule Ruit gehören Fußballteams aus aller Herren Länder zum Alltag. Ergänzt wird die illustre Gästeliste durch eine 14-köpfige Nachwuchsmannschaft aus Kanada, die seit Sonntag vor den Toren Ostfilderns trainiert. Unter dem Kommando des gebürtigen Berliner Fußballlehrers Thomas Niendorf träumt der ein oder andere von einer Profikarriere in Deutschland.

Lagebesprechung fern der Heimat: Thomas Niendorf und seine Nachwuchskicker aus Calgary bereiten sich in der Sportschule Ruit auf
Lagebesprechung fern der Heimat: Thomas Niendorf und seine Nachwuchskicker aus Calgary bereiten sich in der Sportschule Ruit auf die Saison in Kanada vor. Foto: Deniz Calagan

Ostfildern. „Are you listening to me or are you not?!“ Selbst aus rund 50 Metern Entfernung ist die Stimme von Thomas Niendorf deutlich zu hören. Seine Schützlinge stehen mit hinter dem Rücken verschränkten Armen im Halbkreis um den Mann mit der roten Trainingsjacke und verziehen keine Miene – was nach Militärdrill auf dem Kasernenhof klingt, entpuppt sich als ganz normales Fußballtraining an einem warmen Frühlingsvormittag.

Ganz normal? Nicht ganz: Schließlich ist Thomas Niendorf mit seinen 17 und 18 Jahre alten Spielern den rund 7 500 Kilometer langen Weg aus dem kanadischen Calgary in die Sportschule Ruit gekommen, um sich hier auf die Ende April beginnende Fußballsaison im Mutterland des Eishockey vorzubereiten. „Die Jungs sollen Erfahrungen sammeln und sich mit gleichaltrigen Mannschaften aus Deutschland messen“, erläutert Niendorf den Zweck der Reise, die neben zwei Trainingseinheiten am Tag auch Testspiele gegen Nachwuchsteams aus der Region vorsieht. Im besten Fall werden dabei findige Scouts auf die kanadischen Kicker aufmerksam und lotsen sie im noch besseren Fall eines Tages über den großen Teich.

Thomas Niendorf hat das schon erlebt. Ex-Bayern-Star Owen Hargreaves wurde von dem gebürtigen Berliner genauso entdeckt und gefördert wie der langjährige Kölner Kevin McKenna. Zufall war dabei weniger im Spiel, betreibt Niendorf doch Kraft seiner Erfahrung als DFB-Fußballlehrer seit 20 Jahren erfolgreich eine Fußballschule in Calgary, wohin es den 55-Jährigen nach dem Mauerfall zog. „Er hat professionelle Strukturen zu uns gebracht“, erhält der Trainereinwanderer aus Deutschland ein großes Lob von Randy Park, dessen beide Söhne unter Niendorfs Fittichen den fußballerischen Feinschliff erhielten und der die „Chinooks United 97“-Truppe als Vorstandsmitglied nach Deutschland begleitet hat. Den Trip haben die Spieler dabei aus eigener Tasche per Fundraising finanziert.

Während Thomas Niendorf seine Spieler auf dem Platz Doppelpässe üben lässt, erklärt Randy Park in kurzer Hose und mit Sonnenbrille an der Seitenlinie kurzerhand das kanadische Fußballsystem: „Wenn du 18 wirst, gibt es keine Jugendmannschaften mehr. Dann spielst du entweder bei den Aktiven oder versuchst es auf der Uni.“

College-Soccer hat in Kanada – ähnlich wie in den USA – einen hohen Stellenwert, zumal viele talentierte Kicker es nur dank Fußballstipendien an die Universitäten schaffen. Wer bei Thomas Niendorf trainiert, hat dabei gute Karten, zumal er bei den „Chinooks“ nur die aussichtsreichsten Youngsters betreut. Da in Kanada die reguläre Schullaufbahn mit 18 endet, setzen viele seiner Schützlinge auf ein Jahr fußballerischer Auslandserfahrung, ehe die Uni startet. Schon oft hat Niendorf kanadische Talente bei deutschen U 19-Bundesligisten untergebracht.

Zugute kommen ihm dabei seine Kontakte in die alte Heimat. Der ehemalige Manager der Stuttgarter Kickers, Joachim Craft, hat als guter Freund und Geschäftspartner den Trip der „Chinooks“ mit eingefädelt. Noch bis Sonntag trainiert und testet der amtierende Hallenmeister der Provinz Alberta in Ruit, ehe es in die Sportschule Schöneck nach Karlsruhe geht. Der Rückflug nach Calgary hebt am Freitag kommender Woche ab – mit einer Menge Eindrücke, Erfahrungen und Träumen im Gepäck. „Das Ziel für 90 Prozent ist ein Stipendium, aber jedes Jahr sind auch zwei, drei Spieler dabei, die das Zeug zum Profi haben“, weiß Thomas Niendorf.

Mit Fußball Geld zu verdienen, wäre auch ganz nach dem Geschmack von Josh Cameron. Der 17-Jährige hat mit der Vier nicht nur die gleiche Rückennummer wie sein großes Vorbild David Luiz, sondern auch eine ähnlich markante Wuschelfrisur wie der brasilianische Verteidiger. „Das ist alles natürlich gewachsen“, lacht Josh, der seit seinem vierten Lebensjahr begeisterter Fußballer ist und nach seinem Schulabschluss am liebsten nach Deutschland kommen würde, um hier bei einem Verein Fuß zu fassen.