Lokalsport

Kleines Angebot mit großer Wirkung

Die Kindersportschule des TSV RSK Esslingen im Kindergarten Flandernstraße mit einem integrativen Projekt erfolgreich

Wenn 62 Kinder aus 15 Nationen denselben Kindergarten besuchen, stehen nicht nur die Erzieherinnen vor Herausforderungen. Um den Bedürfnissen der Multikulti-Rasselbande gerecht zu werden, hat sich eine Einrichtung in der Kreishauptstadt an die Kindersportschule des TSV RSK Esslingen gewandt. Der vom Landessportverband anerkannte Stützpunktverein ist mit dem Projekt „Integration durch Sport“ in der Flandernstraße so erfolgreich, dass weitere Angebote bereits in Planung sind.

Sportangebot fŸr Migrantenkinder inEsslingen, Kindergarten Flandernstrasse 71
Sportangebot fŸr Migrantenkinder inEsslingen, Kindergarten Flandernstrasse 71

Esslingen. Mit großen Augen hängen Jason, Zoë, Jusuf und ihre Freunde an den Lippen von Yvonne Prömel-Hohner. „Heute wollen wir Feuerwehr spielen“, verkündet die gelernte Sportlehrerin den elf Kindern, die brav an der Wand auf einer Bank sitzen – noch. Denn kaum hat Prömel-Hohner das gesagt, rennen die Sechs- bis Achtjährigen freudig kreischend durcheinander und suchen die Utensilien für das Feuerwehrspiel zusammen. Als Schläuche dienen bunte Seile, das Feuerwehrauto ist eine gelb-rote Sportmatte und der Brand, den es zu löschen gilt, „wütet“ an einem Holzgerüst in der Mitte des Raums.

Bis hierher unterscheidet sich auf den ersten Blick nichts von einem Vormittag in jedem anderen Kindergarten. In der Esslinger Flandernstraße sind die Anforderungen jedoch höher, besuchen doch 62 Kinder aus 15 Nationen die Einrichtung in dem Multikulti-Wohngebiet Flandernhöhe in Esslingen. „Das ist ein sehr aktiver Stadtteil, der betreut werden muss“, sagt Frank Pätzold, verantwortlicher Sozialpädagoge der Kin­dersportschule (KISS) des TSV RSK Esslingen, die seit rund 18 Jahren Erfahrung in der Arbeit mit unterschiedlichen Kindern hat. Insgesamt 600 nehmen regelmäßig an den verschiedenen Angeboten in den Ess­linger Stadtteilen Wäldenbronn und Hohenkreuz teil.

Seit knapp drei Jahren unterstützt die KISS mit dem vom Landessportverband initiierten Projekt „Integra­tion durch Sport“ den städtischen Kindergarten in der Flandernstraße. Einmal pro Woche bietet Yvonne Prömel-Hohner Kindern unterschiedlichster Herkunft eine Stunde lang ein Angebot mit Übungen zur Körperwahrnehmung und Körpererfahrung. Als staatlich anerkannte Motopädin setzt sie dabei auf den ganzheitlichen Ansatz der Psychomotorik, der sich positiv auf das soziale Lernen auswirken soll. „In Verbindung mit der Bewegung erwerben die Kinder Kompetenzen und ändern ihr Verhalten“, erklärt sie.

Was nach grauer Theorie klingt, lässt sich in der Praxis schnell nachvollziehen. Da helfen sich die Kinder beim Feuerwehrspielen gegenseitig beim Löschen, retten sich vor den imaginären Flammen und räumen zusammen die Seil-Schläuche auf – egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, erfahren die Kinder so auf spielerischem Weg, dass gemeinsame Bewegung auch einem gemeinsamen Ziel dienen kann. Einen integrativen Touch bekommt das Ganze, indem die Kinder lernen, sich innerhalb bestehender Systeme an Regeln zu halten. Das fängt bei ganz profanen Dingen wie dem Akzeptieren von Frauen als Respektspersonen an – in den Herkunftsländern mancher Kinder würde Yvonne Prömel-Hohner kaum ernst-, geschweige denn wahrgenommen.

Um auf dem weiteren Bildungsweg bestehen zu können, müssen die Kinder dies jedoch genauso akzeptieren wie Prömel-Hohner die Tatsache, dass viele in ihren Familien eventuell eine andere Sprache sprechen. Gemäß des Denkendorfer Modells, an dem sich die Arbeit der KISS orientiert, ist Sprachhilfe interkulturell ausgerichtet. Das heißt, die Sprachhelferin zeigt Interesse an der Herkunftssprache und -kultur und ermutigt die Eltern, intensiv mit ihren Kindern in ihrer Sprache zu sprechen ohne diese fördern zu können.

Damit trägt das Angebot in der Flandernstraße auch den neueren wissenschaftlichen Ansätzen Rechnung, die eher auf Inklusion statt Integration setzen – Unterschiede nicht ausmerzen um alles gleichzumachen, sondern die Verschiedenar­tigkeit akzeptieren, heißt das Motto. Beim Feuerwehrspiel wird der Brand eben auf so viele verschiedene Arten gelöscht, wie es Kinder gibt – Hauptsache, es wird überhaupt gelöscht.

Profiteure gibt es neben den Kindern selbst reichlich. So berichten die Erzieherinnen in der Flandernstraße vor allem direkt nach Prömel-Hohners Stunde von positiven Effekten. „Die Kinder spielen dann ganz in Ruhe“, sagt Barbara Beckert, die auch langfristige Erfolge beobachtet. „Die motorischen Fähigkeiten haben sich bei allen verbessert.“

Damit sich die Kinder auch außerhalb der Einrichtung bewegen, hat der TSV RSK Esslingen ein Angebot ins Leben gerufen, das sich an die Mütter und weitere Frauen mit Migrationshintergrund richtet. Mittlerweile treffen sich 20 von ihnen ein Mal pro Woche zum gemeinsamen Sport. „Wir setzen hier auf den Schneeballeffekt“, erklärt Frank Pätzold, „die Frauen werden für das Thema sensibilisiert und kümmern sich selbstständig um weitere Angebote.“

Der Erfolg gibt den Beteiligten, zu dem neben Kindergarten und Verein auch das Ausländer- und Sportamt der Stadt Esslingen gehören, Recht: Der Zulauf an Frauen mit Migrationshintergrund ist so groß, dass bereits eine zweite Gruppe betreut werden könnte. Und auch bei den Kindern kommt das Bewegungsangebot von und mit Yvonne Prömel-Hohner so gut an, dass nach den Sommerferien eine zusätzliche Stunde geplant ist.