Lokalsport

Neuer Tanz auf der Klinge

Für die VfL-Turnerinnen beginnt morgen der Ernstfall 2. Bundesliga

Zweifel sind erlaubt, die Hoffnungen auf den Klassenerhalt wie jedes Jahr berechtigt: Für die Turnerinnen des VfL Kirchheim beginnt am morgigen Samstag in Stuttgart die neue Saison in der 2. Bundesliga. Erstmals ohne Dorothee Henzler, die ihre Karriere beendet hat. Trainerin Michaela Pohl spricht von einem „personell schwierigen Jahr.“

Bundesliga 2011, 3. Wettkampftag - 2. Liga, Dorothee Henzler
Bundesliga 2011, 3. Wettkampftag - 2. Liga, Dorothee Henzler

Kirchheim. Wer gerne über Reifegrade edler Käsesorten fachsimpelt, findet in Dorothee Henzler dieser Tage eine durchaus kompetente Gesprächspartnerin. Die 19-jährige Abiturientin unterstreicht momentan ihre Allround-Qualitäten als Verkäuferin auf dem Wochenmarkt und jeder, der ein bisschen Ahnung vom Turnen hat, muss sich fragen: Hat die Zeit für so was? Sie hat. Denn die zweifache deutsche Vizemeisterin hat sich über die eigene Reife längst ein Urteil gebildet, das da lautet: Reif fürs Aufhören. Das Abi hat sie in der Tasche, kommende Woche feiert sie ihren 20. Geburtstag, danach geht der Flieger nach Neuseeland. „Sie hat beschlossen, dass es irgendwann reicht“, sagt ihre Trainerin Michaela Pohl, für die damit feststeht: Der VfL muss wieder einmal beweisen, dass er das Siegel der Talentschule im Deutschen Turnerbund zu Recht auf dem Briefkopf trägt.

Dabei stammt das größte Talent im diesjährigen Zweitliga-Kader gar nicht aus dem eigenen Stall: Die erst zwölfjährige Sita Fuchs von der TG Böckingen darf nach Erreichen des Mindestalters zum ersten Mal in der 2. Bundesliga starten und muss sich dort gleich als gesetzte Kraft beweisen. Wie ihre Vorgängerin Antonia Alicke, die nach einer Verletzung im Vorjahr nur sporadisch zum Einsatz kam und inzwischen für den MTV Stuttgart erstklassig turnt, trainiert auch Sita Fuchs im Stuttgarter Kunstturnforum. Bei den deutschen Jugendmeisterschaften im Sommer in Buchholz landete sie im Bodenfinale auf Platz fünf. Beim VfL ist sie in dieser Saison die Hoffnung am Barren, dem im Vorjahr gemeinsam mit dem Schwebebalken schwächsten Gerät der Kirchheimer Riege.

Beide Problemdisziplinen fallen ins Fach von Hanna Grosch, der zweiten Auswärtskraft im Kirchheimer Team. Die vierfache österreichische Staatsmeisterin ist nach Rückenproblemen im vergangenen Jahr wieder zurück und könnte für die Kirchheimer zu einer Art Lebensversicherung werden. Vorausgesetzt, es heißt nicht wieder Zittern bis zum Schluss. Denn beim Abschlusswettkampf am 10. November im nordrhein-westfälischen Bünde wird die Innsbruckerin fehlen. Fast zeitgleich finden in Kirchdorf die österreichischen Staatsmeisterschaften statt.

Am besten also, den Klassenerhalt frühzeitig klar machen. Für Trainerin Michaela Pohl käme dies freilich einer Überraschung gleich. Ihre Erfahrung von immerhin 14 Trainerjahren beim VfL Kirchheim sagt ihr: Es wird wieder eng. Das zusätzliche Wettkampfwochenende am 8. Dezember, an dem in Heidenheim die Relegationskämpfe stattfinden, ist deshalb schon mal eingeplant.

Sie spricht von einem „personell schwierigen Jahr“, in dem viele ihrer Athletinnen nach dem Schulabschluss vor einem neuen Lebensabschnitt stehen. „Da ist die Luft erstmal raus“, sagt die Trainerin und Mutter aus eigener Erfahrung. Tochter Pia, die als Vierkämpferin gesetzt ist und noch immer an den Folgen einer Meniskus-OP im Vorjahr laboriert, hat die Schule ebenso beendet wie ihre Teamkollegin Lisa Kiedaisch. Die gehört mit ihren 16 Jahren bereits zu den erfahrenen Turnerinnen, vermisst derzeit jedoch das gewohnte Selbstvertrauen. Trotz zuletzt guter Resultate im Landesfinale kann sie ihre Leistung im Training momentan nicht abrufen, wie ihre Trainerin sagt. Eine andere wiederum ist erst gar nicht dabei. Jessica Preuss, die im Vorjahr am Boden und Balken eine Punktgarantin war, absolviert nach der Schule ein Praktikum in Österreich. Damit müssen andere, die im vergangenen Jahr nur Ersatz waren, nun plötzlich Verantwortung übernehmen: Die 13-jährige Lory Fröchtling ist, wie ihre Mannschaftskolleginnen Lea Voith und Joanna Preuss, an zwei Geräten eingeplant. „Die eine oder andere Vierkämpferin noch am Start zu haben, wäre beruhigend gewesen“, sagt Michaela Pohl.

So muss man wieder einmal hoffen, dass auch die Konkurrenz nicht ohne Sorgen ist. Für den Aufsteiger aus Dortmund zumindest dürfte dies gelten. Die Westfalen, die im vergangenen Jahr den Umweg über die Relegation nehmen mussten, gehen mit dem dünnsten Kader aller Zweitligavereine an den Start und stehen damit im Gegensatz zum ambitionierten Direktaufsteiger aus dem bayrischen Tittmoning. In der privaten Turnschule fließt richtig Geld und das schafft Selbstvertrauen. Mit zwei spanischen Riesentalenten in der Mannschaft peilen die Oberbayern schon den nächsten Aufstieg an – wenn nicht sofort, dann doch in Kürze.

Neben den letztjährigen Konkurrenten aus Heidenheim, Steglitz, Dresden und Unterföhring, ist mit dem Turnteam aus Köln ein ganz großer Name mit im Boot. Der einstige Klub der dreifachen Weltmeisterin und Olympiasiegerin Oksana Chusovitina steckt nach dem Abstieg aus dem Oberhaus in der Krise und ist wohl die am schwersten einzuschätzende Mannschaft in dieser Saison. Die Liga ist stärker geworden, soviel steht fest. Für Kirchheim kann das nur heißen: Auf das Gesetz der Serie vertrauen. Schließlich hat der VfL von einem reichlich: Erfahrung im Kampf gegen den Abstieg.

Alle Infos zur neuen Saison in der 2. Bundesliga

Die Mannschaften: VfL Kirchheim (Vorjahr Platz 5) TSG Steglitz (Vorjahr Platz 6) TSV Tittmoning (Aufsteiger) Heidenheimer SB (Vorjahr Platz 4) Dresdner SC (Vorjahr Platz 3) KTV Dortmund (Aufsteiger) TSV Unterföhring (Vorjahr Platz 2) TT Köln (Absteiger 1. Liga) Kader des VfL Kirchheim in der Saison 2012: Lisa Kiedaisch, Pia Pohl, Lea Voith, Hanna Grosch (Heimatverein: Innsbrucker TV), Lory Fröchtling, Joanna Preuss, Sita Fuchs (Heimatverein: TG Böckingen) Trainerin: Michaela Pohl Trainingsstätte: Raunersporthalle Kirchheim Platzierungen: 2011 (2. Liga, Platz 5) 2010 (2. Liga, Platz 6) 2009 (2. Liga, Platz 3) 2008 (1. Liga, Platz 8) 2007 (1. Liga, Platz 8) 2006 (1. Liga, Platz 7) 2005 (2. Liga, Platz 1) Saisonziel 2012: Klassenerhalt Die Wettkampftermine: Samstag, 6. Oktober Scharrena Stuttgart Samstag, 20. Oktober Sportzentrum Eggenstein Samstag, 10. November Siegfried-Moning-Halle Bünde Relegationswettkämpfe Aufstieg in die 1. Liga/Abstieg in die 3. Liga: Samstag, 8. Dezember Karl-Rau-Halle Heidenheim