Lokalsport

Oberliga droht „totes“ Titelrennen

Einführung der reformierten Fußballregionalliga zur Saison 2012/13 hat gravierende Auswirkungen

Stell dir vor, du wirst Meister, darfst aber nicht aufsteigen: dieses aberwitzige Szenario droht schlimmstenfalls am Ende der kommenden Fußball-Oberligasaison. Hintergrund ist die Einführung der neu reformierten Regionalliga ab der Spielzeit 2012/13, die am Staffeltag der Oberliga für erhitzte Gemüter sorgte.

VfL-Nöttingen (weiss)Zuschauer, Fans
VfL-Nöttingen (weiss)Zuschauer, Fans

Stuttgart. „Skandal“, „Lachnummer“, „Witz“ – Unmutsäußerungen bezüglich der Spielklassenreform im Amateurfußball gab es im Rahmen des Oberligastaffeltages am Montagabend in der WFV-Geschäftsstelle in Stuttgart genug. Die baden-württembergischen Clubs sehen sich zusammen mit ihren Leidensgenossen aus den Oberligen Südwest und Hessen als Verlierer der Reform. Diese sieht ab der Saison 2012/13 statt der bisherigen drei bekanntlich fünf Regionalligen vor: Nord, Nordost, West, Südwest und Bayern. Die Südwestvertreter ärgert, dass sich die ihnen vorgeschaltete Regionalliga aus drei Oberligen (Hessen, Baden-Württemberg und Südwest) zusammensetzt, während beispielsweise der Landesverband Bayern eine eigene erhält, die nach aktuellem Stand sogar mit bay­rischen Verbandsligisten aufgefüllt werden muss, um die vorgegebene Sollzahl zu erreichen.

„Auch deswegen wird die Regionalliga Südwest aus sportlicher Sicht eine höhere Qualität haben“, versuchte WFV-Spielbetriebsleiter Thomas Proksch die Oberligavertreter zu beruhigen – ein schwacher Trost angesichts des Horrorszenarios, das er im gleichen Atemzug an die Wand malen musste: Im schlimmsten Fall wird der Oberligameister am Ende der anstehenden Saison nicht aufsteigen können. Dies geschieht dann, wenn die für die neue Regionalliga Südwest vorgesehene Höchststarterzahl von 22 Vereinen überschritten wird. Bei entsprechender Zahl an Drittligaabsteigern aus dem Regionalverband Südwest plus den qualifizierten Vereinen aus den Regionalligen Süd und West ist dieser „worst case“ gar nicht mal so unrealistisch. „Derzeit können wir froh sein, wenn am Ende die drei Oberligameister direkt aufsteigen können“, muss der Geschäftsführer des badischen Verbands, Siegfried Müller, zugeben.

Dabei war ursprünglich vorgesehen, dass in der neu formierten Regionalliga Südwest nur 18 Mannschaften spielen, was für die Oberligen Hessen, Baden-Würremberg und Südwest neben der direkten Versetzung der jeweiligen Tabellenersten auch noch Aufstiegsspiele der drei Vizemeister bedeutet hätte. Diese Spannung und Attraktivität versprechende Neuerung wird allerdings erst dann eintreten, wenn die Mannschaftszahl in der neuen Regionalliga Südwest bei den ursprünglich anvisierten 18 liegt – vor 2013 ist damit kaum zu rechnen, weswegen Thomas Proksch auch unumwunden zugibt: „Wir sind zumindest im ersten Jahr die Verlierer dieser Reform.“

Dabei sind die Zulassungsvoraussetzungen für die Regionalligasaison 2012/13 nochmals deutlich nach unten korrigiert worden, um möglichst vielen Oberligisten zumindest die technisch-organisatorische Möglichkeit der Qualifikation zu ermöglichen. Neben einer Bankbürgschaft in Höhe von 30 000 Euro reicht eine Stadionkapazität von 2 500 Sitzen, von denen 100 als Sitzplätze ausgewiesen sein müssen sowie eine Flutlichtanlage mit einer Leistungsstärke von 400 Lux – der VfL Kirchheim hätte, Stand heute, nur mit dem letzten Punkt seine Probleme: die Stadionbeleuchtung an der Jesinger Allee schafft laut Geschäftsführer Walter Rau nur rund 350 Lux.

Der VfL war indirekt auch Inhalt des zweiten großen Aufregers beim Staffeltag. Die Verlegung des letzten Kirchheimer Saisonspiels gegen Reut­lingen vor wenigen Wochen nach Heilbronn war Auslöser einer Debatte um das Thema „Risikospiele“. Thomas Proksch betonte zum wiederholten Mal, dass die Verlegung besagten Spiels auf Drängen der Polizei geschehen sei, Verband und Verein sogar regelrecht genötigt wurden.

Nachdem in der anstehenden Saison mit dem SSV Ulm und dem SSV Reutlingen erneut zwei „Risikospiele“ anstehen, plädierten die Oberligavertreter für ein Gespräch mit Polizei und Innenministerium. Ziel sollen für alle Vereine einheitliche Sicherheitsvorschriften sein.

Villingens Geschäftsführender Vorstand Wolfgang Gerster hatte darauf hingewiesen, dass bei Spielen in Bahlingen und Balingen in der vergangenen Saison die Gästefans lediglich durch rot-weiße Plastikbänder getrennt waren, während in Villingen 120 Meter Bauzäune provisorisch aufgebaut und eine hohe Zahl professioneller Sicherheitskräfte aufgeboten werden mussten. „Wir fordern eine Gleichbehandlung durch die Polizei“, so Gers­ter, der im Vorstand des FC Nöttingens, Dirk Steidl, einen wortgewaltigen Unterstützer fand. „Die Polizei sollte Fans nicht kriminalisieren und nicht mit Bauvorschriften provozieren. De­eskalation ist der richtige Weg“, so Steidl.

Kirchheimer Saisonauftakt in Ulm

Die Oberligasaison 2011/12 beginnt am Wochenende des 6./7. August, Rundenende wird am 26. Mai 2012 sein. Die Vorrunde endet am 12. November, allerdings finden bis einschließlich 3. Dezember vorgezogene Rückrundenpartien statt. Winterpause ist bis 3. März 2012. Der VfL startet mit einem Auswärtsspiel in seine fünfte Spielzeit im baden-württembergischen Fußballoberhaus seit dem Wiederaufstieg 2007. Gegner am 6. August wird niemand geringerer als Regionalliga-Zwangsabsteiger SSV Ulm sein. Je nach Verlauf der ersten und zweiten Runde im WFV-Pokal kann die Partie kurzfristig noch auf Freitag, 5. August, verlegt werden. Sein erstes Heimspiel bestreitet der VfL dann am 13. August gegen die TSG Balingen. Insgesamt sieben Mal muss der VfL außer der Reihe antreten: Neben sechs Freitag-abendspielen (26. 8. gegen Reutl­ingen, 9. 9. gegen Bonlanden, 16. 9. in Walldorf, 14. 10. in Nöttingen, 23. 3. gegen Walldorf, 13. 4. gegen die Stuttgarter Kickers II) steht noch ein Sonntagsmatch (2. 10. bei den Stuttgarter Kickers II) an.