Lokalsport

Staatsanwalt ermittelt gegen Mediziner

Schumacher-Prozess: Bewegung nur außerhalb des Gerichtssaals – Teamärzte in Bedrängnis

Im Betrugsprozess gegen Stefan Schumacher treten Ankläger und Verteidiger weiter auf der Stelle. Ob im Team Gerolsteiner systematisch gedopt wurde und ob der Teamchef davon wusste, in diesen Punkten steht Aussage gegen Aussage. Bewegung gibt es nur außerhalb des Gerichtssaals: Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat jetzt Strafantrag gegen zwei ehemalige Teamärzte gestellt.

Der ehemaliger Leiter des Teams Gerolsteiner, Hans-Michael Holczer, steht am 18.04.2013 im Landgericht in Stuttgart (Baden-Württ
Der ehemaliger Leiter des Teams Gerolsteiner, Hans-Michael Holczer, steht am 18.04.2013 im Landgericht in Stuttgart (Baden-Württemberg) im Gerichtssaal. Der Ex-Teamchef tritt im Betrugsprozess gegen Radprofi Schumacher vor der 16. Großen Strafkammer in Stuttgart als Zeuge auf. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Stuttgart. Am Dienstag um Viertel vor eins war Hans-Michael Holczers Mission beendet. Vor Saal 1 des Stuttgarter Landgerichts, in dem er ein letztes Mal als Zeuge ausgesagt hatte, rechnete der Herrenberger vor laufenden Kameras mit seinem Widersacher ab: „Herr Schumacher hat zugegeben, dass er zehn Jahre lang gelogen hat. Hier lügt er genauso wie all die Jahre zuvor.“ Ein bebender Holczer warf dem Nürtinger „grenzenlosen Egoismus“ vor und stellte sich selbst als Opfer dar, „das brutale Prügel“ beziehe, „weil sich hier jemand medial inszeniert.“

Die Gegenseite sieht das naturgemäß anders: „Erfolg war für Herrn Holczer alles“, stellte Schumachers Anwalt Michael Lehner fest. „Wer will glauben, dass er in dieser Zeit davon ausgehen konnte, dass Erfolg ohne Doping möglich sei.“ Die Verteidigung arbeitet weiter daran, bei den Richtern zumindest Zweifel an der Unwissenheit Holczers zu wecken. Es geht um 150 000 Euro Gehalt, die der Teamchef für die Zeit zwischen Schumachers erster positiver Probe bei der Tour de France im Juli 2008 und Bekanntwerden des Dopingfalls im folgenden Oktober zurückfordert.

Eng werden könnte es inzwischen für ehemalige Mannschaftsärzte des Team Gerolsteiner, die beide Seiten im Verlaufe der vier Verhandlungstage belastet hatten. Gegen den Erfurter Mediziner Mark Schmidt und seinen italienischen Kollegen Giuliano Peruzzi hat die Freiburger Staatsanwaltschaft inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Peruzzi, der 2002 mit Topfahrer Davide Rebellin zu Gerolsteiner wechselte, saß in Zusammenhang mit der Polizei-Razzia beim Giro 2001 in Turin auf der Anklagebank.

Schmid, der nach dem Ende des Gerolsteiner-Teams zu Milram wechselte, wurde schon 2009 von Schumachers Fahrerkollegen Bernhard Kohl schwer belastet, und auch Holczer distanzierte sich im Laufe des Verfahrens von seinem ehemaligen Teamarzt. Schmidt hätte im Prozess aussagen sollen, macht aber weiterhin von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Schumachers Verteidiger dagegen sehen nach wie vor die Chance, den Erfurter doch noch in den Zeugenstand zu heben. „Es gibt durchaus Bereiche, in denen er aussagen kann, ohne sich selbst zu belasten“, sagt Michael Lehner.

Auch für einen dritten Mediziner könnte das Verfahren in Stuttgart unangenehme Folgen haben: Teamarzt Achim Spechter soll am Rande der Deutschland-Tour 2006 dem Österreicher Georg Totschnig im Hotelzimmer Synacthen gespritzt haben. Stefan Schumacher behauptet, zufällig Zeuge des Vorfalls gewesen zu sein. Der Name des Arztes war dem Nürtinger während der Vernehmung am dritten Verhandlungstag allerdings versehentlich herausgerutscht. Seitdem herrscht Aufregung vor allem im bayrischen Radsportverband, wo der Passauer – selbst ein ambitionierter Hobbyfahrer – als Verbandsarzt und Doping-Beauftragter fungiert und unter anderem Vorträge zur Doping-Prävention für Kinder und Jugendliche hält. Spechter selbst hat inzwischen reagiert. Sein Engagement bei der Ende Mai beginnenden Bayern-Rundfahrt, wo er seit 1996 als Rennarzt tätig ist, hat er nach Schumachers Fauxpas sofort abgesagt.

Die Zeugen-Vernehmung in Stuttgart geht indes munter weiter. Am Dienstagnachmittag wurde Schumachers Ex-Kollege Johannes Fröhlinger befragt. Der 27-Jährige stärkte seinem Teamchef den Rücken, berichtete von einer strikten Anti-Doping-Haltung im gesamten Team und will auch von stillschweigendem Einvernehmen nie etwas bemerkt haben. Schumachers Leistungsexplosion bei der Tour 2008 habe allerdings Skepsis bei ihm geweckt.

Am nächsten Verhandlungstag am kommenden Dienstag soll der Physiotherapeut der Mannschaft aussagen. Auch Schumachers Manager Heinz Betz ist als Zeuge vorgesehen, ebenso wie Landestrainer Hartmut Täumler, ein enger Vertrauter Schumachers, der den Nürtinger seit seiner Zeit als Amateurfahrer begleitet. Weitere Verhandlungstermine sind am 10. und am 17. Mai vorgesehen. Die Urteilsverkündigung ist für den 4. Juni geplant.