Kirchheim. Was in den vergangenen Tagen noch hinter vorgehaltener Hand vermutet worden war, ist am späten Montagabend traurige Gewissheit geworden: In der am übernächsten Wochenende beginnenden Oberligasaison wird der VfL Kirchheim nicht vertreten sein. Die Verantwortlichen in Abteilung und Hauptverein sahen keinen anderen Ausweg aus der bereits berichteten finanziellen Notlage, als die erste Mannschaft vom Spielbetrieb abzumelden. Ein entsprechendes Fax, unterzeichnet von Walter Rau, Geschäftsführer der Fußballabteilung, und der Gesamtvereinsvorsitzenden Doris Imrich, hat gestern den württembergischen Fußballverband (WFV) erreicht, ein Einschreiben folgte auf dem Fuße. Damit steht der VfL, der die vergangene Saison als Neunter abschloss, noch vor dem ersten Anpfiff zur neuen Saison am 6. August als erster Absteiger fest, die Oberliga wird mit 17 statt 18 Mannschaften ausgetragen.
Der hauptamtlich beschäftigte VfL-Trainer Rainer Kraft reagierte wortkarg. „Kein Kommentar, ich will die nun folgenden Gespräche abwarten.“ In denen soll es laut Abteilungsleiter Jörg Mosolf um die Zukunft aller Funktionäre und Spieler gehen, wie im unten stehendem Interview ausführlich zu erfahren ist.
Mannschaftskapitän Christopher Eisenhardt erfuhr am späten Montagabend vom Entschluss der Verantwortlichen. „Ich bin immer noch geschockt, habe kaum geschlafen.“ Ähnlich ging es laut Eisenhardt, der seit der Saison 2003/04 beim VfL ist, auch anderen arrivierten Spielern wie Maximilian Laible und Nico Kauffmann. „Ich muss das erstmal ein, zwei Tage sacken lassen, bevor ich über meine sportliche Zukunft nachdenken werde“, sagt Eisenhardt.
So viel Zeit hat Kirchheims Oberbürgermeisterin nicht. Angelika Matt-Heidecker will das Thema, von dem sie nach eigenen Angaben aus der Zeitung erfahren hat, bereits im nicht öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung am heutigen Mittwoch zur Sprache bringen. „Ich bin wirklich getroffen und bedaure das sehr“, sagte die Rathauschefin in einer ersten Reaktion, in die sich jedoch auch Kritik mischt. „Niemand aus der Verwaltung ist vom Verein oder der Abteilung informiert worden“, so Matt-Heidecker. Dabei hatten Stadtverwaltung und VfL in den vergangenen Wochen und Monaten in Sachen Stadionumbau und Sportvereinszentrum sehr eng zusammengearbeitet. „Auf die Planungen beim Sportvereinszentrum wird das meiner Meinung nach keine Auswirkungen haben“, glaubt sie. Anders liegt der Fall beim Stadionumbau. Hier war bis zuletzt an einer europaweiten Ausschreibung für die Übernahme des Objekts gefeilt worden, auf die vor allem die von der Fußballabteilung initiierte Betreibergesellschaft spekuliert hatte. „Ob dieses Modell jetzt noch Sinn macht, bezweifle ich“, sagt Matt-Heidecker.
Auch außerhalb Kirchheims sorgt der VfL-Rückzug für Gesprächsstoff – und schürt Ängste: Im 40 Kilometer von Kirchheim entfernten Gmünd sind finanzielle Voraussetzungen und sinkende Zuschauerzahlen mit den VfL-Zuständen vergleichbar, wie Claus-Jörg Krischke, Spielleiter des Oberligisten FC Normannia, bestätigt. „Es ist nicht auszuschließen, dass wir im kommenden Jahr vor der gleichen Frage stehen wie der VfL jetzt.“