Kirchheim. Hätte einer die aktuelle Seelenlage auf Kirchheims Basketball-Flaggschiff bildlich auf Festplatte bannen wollen, dann hätte sich eine Szene aus dem ersten Viertel des Essen-Spiels am Sonntag förmlich aufgedrängt: ein Trainer auf der Suche nach Beistand sich bekreuzigend, während hinter ihm sein lange Zeit Bester wutentbrannt die Trinkflasche in die Ecke pfeffert. Ryan DeMichael hätte allen Grund gehabt, sich die gute Laune an diesem Tag von niemandem verderben zu lassen. Doch zu diesem Zeitpunkt stand es 8:0 für den Gegner und Schwarz-Rot-Gold auf der Brust des frisch eingebürgerten Amerikaners schien an diesem Tag alles - nur nicht zu beflügeln. DeMichael, immerhin fünftbester Rebounder der Liga, hatte stattdessen seine liebe Mühe mit dem kleinen Einmaleins des Basketballs: Fangen und Passen. Weil er damit nicht alleine war, lag der Tabellenvierte zur Pause wieder einmal mit 15 Punkten zurück und rannte im zweiten Durchgang zwar beherzt, aber erfolglos diesem Rückstand hinterher.
Jetzt ist Krise und keiner mag mehr darüber reden, weil der Trainer mutmaßt: Wir reden zu viel. Geredet wurde dieser Tage tatsächlich viel. Thema: Wie sichert man langfristig den Erfolg, den man zur Stunde nicht hat. Man ahnt: Es geht um die Zukunft, und die hat nur bedingt etwas mit der Gegenwart zu tun. Die Zukunft des Trainers scheint seit Sonntag jedenfalls weitgehend geklärt. „Zwei plus zwei“ lautet die Formel. Soll heißen: Vertragsverlängerung für zwei Jahre mit Option auf weitere zwei. Noch ist nichts unterschrieben, doch die Sache gilt als sicher. Ein Akt, der beiderseits auf Überzeugung fußt, weniger auf der Tatsache, dass das entscheidende Gespräch am Sonntag vor und nicht nach dem Spiel stattgefunden hat. Ein Gespräch im größeren Rahmen, weil es um mehr ging als eine reine Personalie. Es ging um die strategische Ausrichtung in den kommenden Jahren, bei der dem Trainer eine tragende Rolle zukommen soll.
Ignjatovic wäre nicht Ignjatovic, hätte er ein längerfristiges Engagement in Kirchheim nicht an detailierte Bedingungen geknüpft. Weil die das gesamte Umfeld betreffen, saß am Sonntag nicht nur die Gesellschafterrunde der Knights GmbH am Tisch, sondern auch die Führungsriege der Basketballabteilung im VfL Kirchheim. Denn ohne die läuft nichts, wenn es um das Thema Jugendförderung geht. Die Vorstellungen des Trainers sind nicht neu, doch bisher wurde vieles von dem nur zaghaft angepackt. Jetzt soll es eine Nachwuchs-Offensive mit klaren Eckpunkten geben: 20 Unterrichtstermine an allen Kirchheimer Grundschulen sind bereits festgezurrt. Dort sollen Vereinsübungsleiter und auch Spieler künftig regelmäßig Sportstunden und Basketball-AG‘s anbieten. Bisher konzentrierten sich die Aktivitäten ausschließlich auf die Freihof- und Alleenschule.
„Wenn wir uns dauerhaft in der Pro A etablieren wollen, müssen wir mehr in die eigene Jugend investieren“, ist Knights-Sprecherin Bettina Schmauder überzeugt. Ein früheres Einstiegsalter, gezielte Talentförderung durch Individualtraining, einheitliche Trainingsstandards und die Einstellung eines zusätzlichen Teilzeit-Trainers, möglichst schon im kommenden Jahr, heißen die Ziele. Selbst von einem möglichen Teilzeitinternat ist die Rede. Ausnahmetalente wie Besnik Bekteshi oder Stefan Ilzhöfer haben die Kirchheimer Basketballschule durchlaufen und bereiten sich heute im Ludwigsburger Sportinternat auf eine Profikarriere vor. Dass sie keine Einzelfälle sind, davon ist nicht nur Bettina Schmauder überzeugt. „Wir wollen solche Talente länger an Kirchheim binden“, sagt sie. „Wer das immense Potenzial in Kirchheim und Umgebung mit der ganzen Begeisterung für diesen Sport nicht nutzt, lässt eine große Chance aus“, sagt Knights-Coach Frenkie Ignjatovic, der als Koordinator nicht mehr ausschließlich für den Profibereich verantwortlich sein soll. Klar ist aber auch, dass die Zukunft nicht zum Nulltarif zu haben ist. Den zusätzlichen finanziellen Aufwand für Personal und Ausstattung schätzt Bettina Schmauder in den kommenden vier Jahren auf 40 000 Euro.
Ganz oder gar nicht - auf diesen Deal scheint sich der Trainer, der künftig mehr Zeit als bisher in Kirchheim verbringen wird, eingelassen zu haben. Damit ist auch eine Vertragsklausel passé, die ihm im Falle einer Erstliga-Offerte den schnellen Ausstieg ermöglicht hätte. Bei den Knights schlägt man mit dem neuen Kontrakt zwei Fliegen mit einer Klappe, schließlich steht im Sommer der von vielen mit Spannung erwartete Umbruch in der Mannschaft an. Bis auf Kapitän Radi Tomasevic hat kein Spieler aus der Stammformation einen Vertrag über das Saisonende hinaus. Das Durchschnittsalter ist überdies grenzwertig hoch. Eine Aufgabe, die zu meistern man dem alten und neuen Chef am ehesten zutraut.