Lokalsport

Vom Bohren dicker Bretter

Trotz fehlender Aufstiegsperspektive wird bei den Knights das Thema erstmals offen diskutiert

Die Basketball-Bundesliga (BBL) verschickt in diesen Tagen die Lizenzanträge für die neue Saison. Wie alle 15 Klubs in der Pro A werden auch die Knights Post aus dem Oberhaus erhalten. Bisher landete diese unbesehen im Papierkorb. Diesmal gibt es gute Gründe, etwas genauer hinzuschauen.

Basketball Pro A VfL Kirchheim Knights gegen Crailsheim Merlins; Kirchheimer Fans

Basketball Pro A VfL Kirchheim Knights gegen Crailsheim Merlins; Kirchheimer Fans

Kirchheim. Noch neun Spieltage bis zum großen Finale. Pünktlich zum Monatsende im März beendet die Pro A ihren regulären Saisonbetrieb. Direkt im Anschluss betritt die Liga Neuland. Auf die besten acht Teams in der Tabelle wartet dann eine Zusatzschicht, an deren Ende feststehen wird, welche beiden Mannschaften sich mit dem Einzug ins Play-off-Finale für den Aufstieg in die BBL qualifiziert haben. In der Regel sind das die beiden besten Teams der Liga. Die beiden besten Teams der Liga heißen nach immerhin 21 Spieltagen MBC und Kirchheim Knights, und nicht wenige Experten in Deutschland sind der Meinung, dass dies auch ganz am Ende der Reise so sein wird. Sollten sie recht behalten, würde auf jeden Fall einer der beiden Startplätze für die BBL im Frühjahr feilgeboten. Zumindest in Kirchheim ist der Verzicht bereits jetzt ausgemachte Sache.

Die Gründe liegen auf der Hand: Die Knights haben keine Million auf dem Bankkonto liegen, keine Nachwuchsteams, die in der Bundesliga spielen und erst recht keine Arena für mindestens 3 000 Zuschauer vorzuweisen. Nur drei von vielen Hürden, die die BBL vor eine Lizenzerteilung setzt. Statt einer hauptberuflichen Führungsriege mit Geschäftsführer, PR-Manager und kaufmännischem Leiter dreht in Kirchheim ein Häuflein passionierter Rackerer im Nebenberuf das große Rad. Wie lange das noch geht, weiß keiner. Deshalb ist der Zwang, sich weiterzuentwickeln, hin zu einem professionell geführten Basketball-Klub mit Leuten, die in der Lage sind, sich auf Kernthemen zu konzentrieren, längst keine Frage der Liga-Zugehörigkeit mehr. „Wir müssen den nächsten Schritt machen, unabhängig vom Thema Aufstieg“, sagt Bettina Schmauder, eine der treibenden Kräfte hinter den Kulissen der Knights. Sie weiß: Das Thema erste Liga kann – wenn überhaupt – nur eine mittelfristige Perspektive sein, solange keiner das dicke Portemonnaie aufmacht und nirgendwo eine taugliche Halle aus dem Boden wächst.

Kirchheim tickt anders – das ist Fluch und Segen zugleich. Dass unter der Teck kein knallhartes Geschäft abläuft, Gehälter termingerecht fließen und ein Wort so viel gilt wie eine Vertragsunterschrift hat sich auch unter Spielern herumgesprochen. Das Wort Erfolgsdruck bekommt in Kirchheim eine völlig andere Bedeutung: Wenn vielerorts Vereine zum Erfolg verdammt sind, weil ein aufgeblähter Kader gewaltig auf die Kasse drückt, sind die Kirchheimer umgekehrt vom Erfolg Getriebene. Seit vier Jahren geht es sportlich stetig bergauf. Mit dem jüngsten Sieg gegen Crailsheim und dem damit verbundenen Vier-Punkte-Polster auf Platz drei stehen die Knights an einem Punkt, der bisher neu ist. Nach einer Saison mit rückläufigen Zuschauerzahlen ist die Euphorie im Umfeld grenzenlos. In Zahlen ausgedrückt: Mit einem Zuschauerzuwachs von 22,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind die Knights bis dato ligaweit spitze. Schon jetzt häufen sich Klagen, wenn wie zuletzt gegen Crailsheim die dritte Stehplatzreihe kaum mehr Sicht aufs Spielfeld bietet.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem für Zauderer und notorische Bedenkenträger eine ähnlich große Absturzgefahr herrscht wie für solche, denen kein Risiko zu groß erscheint. Die fehlende Halle ist zweifellos das Hauptproblem, für das es keine schnelle Lösung gibt. Geldgeber, denen das Abenteuer erste Liga zumindest einen Gedanken wert ist, gäbe es wohl. Einen Trainer, der selbstbewusst genug wäre, den Basketballzwerg ins Oberhaus zu führen, ebenso. „Macht den ersten Schritt und ich garantiere euch, dass wir nicht absteigen“, verkündete Frenkie Ignjatovic bereits vor Weihnachten. Damit hatte der Coach freilich nicht den Umzug in eine taugliche Arena gemeint, den es für einen Schnellschuss bräuchte. Der Standort Kirchheim ist Teil der Erfolgsgeschichte, darüber herrscht Einigkeit.

Dasselbe gilt für die Erkenntnis, dass ein langfristiges Ignorieren sportlicher Fakten zu irreparablen Schäden führen kann. Das Faszinosum Knights lebt nun mal vom Reiz der Perspektive. Deshalb hat sich auch in der Gesellschafterversammlung die Meinung durchgesetzt, dass sich das Thema Aufstieg auf lange Sicht wohl nicht totschweigen lässt. „Wir beschäftigen uns zumindest gedanklich damit“, sagt Siegfried Meissner, der den Auftrag zu einer Art Machbarkeitsanalyse hat. Es geht darum, zu prüfen, was unter welchen Voraussetzungen möglich wäre. Donnerstag kommender Woche gibt es einen Termin mit Kirchheims Verwaltungsspitze, parallel dazu laufen intensive Gespräche mit den Hauptsponsoren. „Das ist alles sehr vage und über einen längeren Zeitraum zu betrachten“, sagt Meissner, der als Mann für die Finanzen mit dem Bohren dicker Bretter durchaus vertraut ist.

Unbeeindruckt von der Diskussion hinter den Kulissen konzentrieren sich Mannschaft und Trainer auf den sportlichen Teil. Mit dem unerwartet hohen Sieg gegen Crailsheim hat sich Ignjatovic selbst das letzte Refugium verbaut. Er, der den Crailsheimern noch immer den stärksten Kader der Liga attestiert, dürfte es fortan schwer haben, etwas anderes als die Favoritenrolle zu akzeptieren. Mit den beiden Spielen gegen Ehingen und Chemnitz stehen zwei schwere Auswärtsspiele bevor. Das spielfreie Wochenende dazwischen wird die Mannschaft möglicherweise zu einem einwöchigen Abstecher nach Salé, nahe Rabat an der marokkanischen Atlantikküste, nutzen. Über einen befreundeten Agenten Ignjatovics flatterte den Knights eine Turniereinladung ins Haus. Mit dabei sind Mannschaften aus Frankreich, Italien und den nordafrikanischen Nachbarländern. Ob die Kirchheimer am Montag nach dem Ehingen-Spiel tatsächlich ins Flugzeug steigen werden, steht noch nicht fest. „Alle oder keiner“, sagt Ignjatovic. Einige seiner Spieler, die nebenher in Schule oder Berufsausbildung stehen, hatten bis gestern noch keine Freigabe.

Startschuss für die Play-offs fällt am Gründonnerstag

Zweiter gegen Siebter – Wäre am vergangenen Wochenende Saisonschluss gewesen, begänne die erste Play-off-Runde für die Knights am 5. April mit einem Heimspiel gegen Düsseldorf. Am Gründonnerstag fällt für die acht bestplatzierten Teams der Abschlusstabelle der Startschuss für die Finalrunde im Modus „Best-of-Five.“ Dabei spielt der Erste gegen den Achten, der Zweite gegen den Siebten usw. Diejenigen vier Mannschaften, die dabei als erste drei Siege verbuchen können, ziehen in die zweite Runde ein. Die besser platzierten Teams genießen jeweils Heimrecht. Beenden die Knights die Saison unter den besten vier, fänden am 5., 9. (Ostermontag) und voraussichtlich 15. April die Erstrunden-Heimspiele statt. Die zweite Runde wird am 20., 22., 25. und 28. April sowie am 1. Mai ausgetragen. Die beiden Finalisten haben Aufstiegsrecht und spielen am Freitag, 4., und am Sonntag, 6. Mai, im Endspiel um den Meistertitel in der Pro A. Kuriosum am Rande: Sollte der gefährdete Kooperationspartner aus Ludwigsburg am Saisonende als Absteiger feststehen und Kirchheim das Finale erreichen, könnte der Juniorpartner für den Erstligisten zum Retter werden. Verzichten die Knights erwartungsgemäß auf den Aufstieg, könnte Ludwigsburg per Wildcard vom frei gewordenen Platz profitieren.bk