Lokalsport

Wenn vier Brüder die Wände hochgehen

Sport-Geschwister (10): Fabian, Simon, Daniel und Joshua Bosler aus Lenningen haben sich dem Sportklettern verschrieben

Wer Geschwister hat, weiß, wie es ist, die Wände hochzugehen. Die Gebrüder Bosler nehmen‘s allerdings wortwörtlich. Fabian, Simon, Daniel und Joshua zählen mit zu den größten Talenten im Sportklettern, trainieren ihr liebstes Hobby regelmäßig zu viert – eine Gratwanderung zwischen sportlichem Ehrgeiz und brüderlicher Konkurrenz.

Wenn vier Brüder die Wände hochgehen
Wenn vier Brüder die Wände hochgehen

Stuttgart. Will man nach einem Bosler Ausschau halten, muss man den Kopf weit in den Nacken legen. Ganz oben unter dem Dach der Kletterhalle auf der Stuttgarter Waldau hangelt sich Joshua an den letzten Griffen der 16 Meter hohen Wand hoch. Unten am Boden hat Daniel seinen kleinen Bruder an der sprichwörtlich langen Leine – der 18-Jährige sichert den drei Jahre jüngeren Bruder mit dem beim Sportklettern obligatorischen Seil. „Jo ist manchmal ein bisschen dickköpfig“, schmunzelt Daniel, während sich Joshua am Seil hängend wieder dem Boden nähert, „gerade an der Wand lässt er sich von uns drei Älteren nicht immer was sagen.“

Die Älteren, das sind neben Daniel noch Simon (18) und Fabian (20), die mit Nesthäkchen Joshua ein schillerndes Sport-Geschwister-Quartett bilden – die vier Bosler-Brüder aus Oberlenningen haben sich dem Klettern verschrieben, zählen in ihren jeweiligen Altersklassen zur erweiterten deutschen Spitze. Bis auf Daniel, der verletzungsbedingt und aus beruflichen Gründen nicht ganz so viel trainieren konnte wie die anderen, gehören alle sogar Kadern des nationalen Dachverbands DAV (Deutscher Alpenverein) an.

Neben dem Ehrgeiz, Wettkämpfe zu gewinnen, zieht‘s die vier auch immer wieder wegen des Wettstreits gegen das eigene Fleisch und Blut an die Kletterhaken. „Klar versuchen wir uns gegenseitig zu besiegen“, sagt Fabian, der dabei aber nie zu unlauteren Mitteln greifen würde. „Wir halten nichts voreinander geheim. Wer an einer Route neue Kniffe entdeckt, sagt‘s den anderen auch.“ Zu stark ist der Kletter-Ethos, bei dem gegenseitige Unterstützung ganz groß geschrieben wird, bei allen vieren ausgeprägt, als dass sie sich im Kampf gegeneinander unfair begegnen würden – oder wie es Fabian augenzwinkernd ausdrückt: „Wenn meine Brüder gegen mich verlieren, dann schon ehrlich.“

Ehrlichkeit ist bei einem so stark auf gegenseitigem Vertrauen basierenden Sport wie Klettern ohnehin unabdingbar. Schließlich kann auch die schwierigste Wand nur dann erklommen werden, wenn ein verlässlicher Partner vom Boden aus sichert. Und verlassen kann sich der Bosler-Vierer blind aufeinander, das wird auch beim gegenseitigen Gedankenaustausch deutlich. „Wir sagen uns immer die Meinung, egal, um was es geht“, betont Simon. Da es aber meis­tens doch ums Klettern geht, sind der Wirtschaftsgymnasiast und seine Brüder immer noch auf den Rat des Ältesten angewiesen.

Kein Wunder, schließlich hat Fabian gerade seine Ausbildung zum Trainer B-Wettkampfklettern absolviert. Auch wenn der 20-jährige Student als erfolgreichster der vier gilt, wird der Leistungsabstand zu den anderen bei jeder der wöchentlich bis zu vier Trainingseinheiten immer geringer. „Simon und ich sind inzwischen auf dem gleichen Level“, nickt Fabian, der jedoch dem Jüngsten in der Familie das größte Potenzial einräumt. „Joshua ist gegenüber uns anderen im Vorteil, weil er schon mit 12 mit Klettern angefangen hat. Wir waren 15 oder 16.“ Entsprechend selbstbewusst geht der Benjamin des Bosler-Clans, der die Realschulbank drückt, auch an die Wand. „Wenn ich so alt bin wie meine Brüder, kann ich auch alles, was die können“, grinst Joshua, der mit allen dreien bei den Eltern in Oberlenningen wohnt.

Von denen hat das Quartett auch die Begeisterung fürs Klettern geerbt, Markus und Silke Bosler sind selbst regelmäßig am Fels oder in einer Halle aktiv, begleiten ihre Sprösslinge wann‘s nur geht zu Wettkämpfen – kletterbedingt musste die Familie sogar schon Möbelrücken. „Wo früher unser Fernseher stand, ist heute alles voller Pokale, Urkunden und Medaillen“, lacht Daniel, der verletzungstechnisch der große Pechvogel innerhalb des Quartetts ist. Handgelenk gebrochen, Kniescheibe gebrochen, Meniskus gerissen – in den vergangenen drei Jahren wurde die Liebe des angehenden Anlagenmechanikers zu seinem Sport auf eine harte Probe gestellt. Ans Aufhören dachte er dabei freilich nie, dafür trieben Ehrgeiz und Brüder ihn viel zu schnell wieder an die Wand, wo er sich allerdings mühsam wieder an die anderen herankämpfen musste. „Die Kraft geht am schnellsten aus, wenn du nicht trainierst“, weiß er.

Was den vieren ansonsten noch schnell mal ausgeht, ist Geld – bei einem Kletterschuh-Verschleiß von bis zu sechs Paaren im Jahr auch kein Wunder, schließlich kostet nur ein Paar bereits knapp 100 Euro. Dazu kommen noch Seile und andere Utensilien. „Sponsoren wären natürlich nicht schlecht“, ergreift Fabian das Wort. Verlockende Werbeträger wären die Brüder allemal – wo sonst findet man als Sportmäzen einen vierfachen Wiedererkennungseffekt?