Lokales

„Ich will Denkanstöße liefern“

Eine Foto-Ausstellung im Kirchheimer Rathaus zeigt den Alltag von Asylbewerbern in der Teckstadt

Am Freitag wurde im Rahmen des Tags des Flüchtlings im Kirchheimer Rathaus eine Ausstellung eröffnet, die den Alltag von Asylbewerbern in der Teckstadt dokumentiert. Die vom Arbeitskreis Asyl, von Amnesty International und der Beratungsstelle für Flüchtlinge „Chai“ organisierte Bilderschau kann bis Mittwoch, 8. Oktober, besucht werden.

Noch bis Mittwoch, 8. Oktober, sind die 30 Fotos, die den Alltag der Flüchtlinge in Kirchheim zeigen, im Rathaus zu sehen.Foto:
Noch bis Mittwoch, 8. Oktober, sind die 30 Fotos, die den Alltag der Flüchtlinge in Kirchheim zeigen, im Rathaus zu sehen.Foto: Daniela Haußmann

Kirchheim. Viele der rund 100 Besucher waren bei der Vernissage im Kirchheimer Verwaltungssitz von den Schwarz-Weiß-Bildern des Fotografen Hans-Martin Höfer tief bewegt. Ein halbes Jahr lang hatte der Bissinger Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft in der Charlottenstraße besucht und ihren Alltag in Momentaufnahmen eingefangen. Dabei sind rund 100 Aufnahmen entstanden, von denen bis zum 8. Oktober 30 Fotos im Rathaus ausgestellt sind.

Höfer berichtete, dass ihn die Schicksale, die in den Gesprächen zutage traten, berührt haben. Er selbst hat Länder wie Syrien, Afghanistan und den Irak besucht. Allerdings lange, bevor der Krieg das Leben der Menschen dort zur täglichen Bewährungsprobe machte. Die Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft hätten viel von ihrem Leben erzählt, das sie im Frieden führten, und davon, wie sich die politische Situation veränderte, zuspitzte und schließlich im Krieg kulminierte, der ihr Leben für immer veränderte. Umso mehr war es Hans-Martin Höfer ein persönliches Anliegen, auf die Situation der Flüchtlinge, die in der Teckstadt leben, aufmerksam zu machen. „Ich will mit den Fotografien Denkanstöße liefern und Betroffenheit erzeugen“, erklärte Höfer. „Ich will zeigen, wie es in der Gemeinschaftsunterkunft aussieht, wie die Menschen dort leben, und was sie bewegt.“

Die Idee dazu hatte Eva-Maria Abele vom Arbeitskreis Asyl. Vor vielen Jahren habe es eine ähnliche Ausstellung in Kirchheim gegeben. „Allerdings kamen die Bilder aus Heidelberg. Die Bilder sahen aus wie Passfotos, und sie waren auch nicht von den abgelichteten Personen kommentiert worden“, erinnerte sich Abele. Die aktuelle Ausstellung zeige hingegen einen direkten Bezug zur Stadt. Die Tatsache, dass die Gemeinschaftsunterkunft in der Charlottenstraße und die dort lebenden Flüchtlinge tragendes Element der Bilderschau seien, stelle einen direkten Bezug zu den Betroffenen und ihrer Geschichte her. Die Fotos sollen Nähe erzeugen.

Marianne Gmelin vom Arbeitskreis Asyl berichtete, dass derzeit 310 Asylbewerber in Kirchheim leben. Gemessen an der Gesamteinwohnerzahl der Teckstadt sei das ein verschwindend geringer Prozentsatz. Roland Böhringer, Leiter des Amts für Familie und Soziales, betonte, dass die Kriege die in der Welt bestehen, augenscheinlich zwar weit entfernt seien, dass Gleichgültigkeit aber fehl am Platze sei. „Die Realität holt uns ein“, sagte Böhringer. „Mit 310 Flüchtlingen unterhalten wir die größte Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis.“

Die Betroffenen suchen ihm zufolge Schutz und hegen die Hoffnung auf einen Neuanfang. Böhringer betonte, dass es wichtig ist, ihnen Unterstützung und Solidarität zukommen zu lassen. „Sie haben ein Recht darauf, dass wir sie wahrnehmen und auf sie zugehen.“ Veronika Schlechter vom Kreisdiakonieverband Esslingen warb für Verständnis und Solidarität. Sie stellte fest, dass mit Blick auf die viel zitierte Willkommenskultur oft eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bestehe. Die aktuelle Ausstellung zeige aber, dass es Menschen gebe, die „ihre Hand ausstrecken, ihre Ohren und ihr Herz öffnen und die Flüchtlinge willkommen heißen“. Schlechter erklärte, dass sie davon beeindruckt ist, wie in Kirchheim mit der Flüchtlingsthematik um­gegangen wird, und dass versucht wird, mit Hilfe der Kunst auch Außenstehenden den Zugang zum Thema zu ermöglichen.

Tief berührt hat die Ausstellung Hülya Kambir. Die Kirchheimerin mit türkischen Wurzeln erzählte, dass sie hin und wieder Kontakt mit den Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft hat. „Bei diesen Begegnungen geht es in den Gesprächen immer nur um das Wichtigste und Nötigste“, berichtete sie. „Aber wenn ich mir die Bilder ansehe und die Kommentare der Flüchtlinge lese, mit denen die Fotos versehen sind, dann wird klar, dass man über diese Menschen eigentlich kaum etwas weiß.“ Für Kambir eröffnet die Ausstellung tiefe Einblicke in die Schicksale jener, die ihr zufolge leichtfertig einfach nur als Flüchtlinge abgestempelt werden.

Begleitet wurde die Veranstaltung von der Musikgruppe „Wüstenblumen“, deren Mitglieder eine Flüchtlingsvergangenheit aufweisen. Marianne Gmelin wies darauf hin, dass die Band für den baden-württembergischen Ehrenamtspreis in der Kategorie „Eine Welt im Ländle“ nominiert ist. Ab dem 1. Oktober könne jeder, der die Gruppe unterstützen will, seine Stimme im Internet abgeben.