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„Wenn‘s fehlt, helf‘ ich gerne aus“

Wie Menschen ihren Ruhestand erleben – Heute: Marga Lorch aus Schlierbach

Vergangenes und Gegenwärtiges nahe beieinander: Marga Lorch in ihrem Wohnzimmer.Foto: Deniz Calagan
Vergangenes und Gegenwärtiges nahe beieinander: Marga Lorch in ihrem Wohnzimmer.Foto: Deniz Calagan

Schlierbach. „Wenn man alt ist, braucht man eine Aufgabe“, sagt Marga Lorch. Wenn man alt ist – doch ist sie alt? Ihre 75 Jahre sieht man jedenfalls der agilen Schlier­ba­cherin nicht an. Und von nur einer Aufgabe kann keine Rede sein. „Ich bin kirchlich geprägt. Wenn‘s fehlt, helf‘ ich aus“, lautet ihre Devise. Das hört man sowohl in der bürgerlichen

als auch in der Kirchengemeinde gerne. Manchmal fehlt es allerorten. Marga Lorch ist viel gefragt und gut beschäftigt. Ehrenamtlich. Der Begriff Langeweile ist für die 75-Jährige ein Fremdwort.

Die Frage ist, wo beginnen? Vielleicht mit ihrem Urgroßonkel Henri Weigele, der in Paris Ende des 19.  Jahrhunderts ein bekannter Bildhauer war, der aber im nationalistisch aufgeheizten Deutschland des Ersten Weltkrieges nicht die gebührende Achtung erfuhr. Der gebürtige Schlierbacher verstarb 1927 in ­Neuilly-sur-Seine. Seine aufregende Lebensgeschichte förderte Marga Lorch ebenso zutage wie die von Henris Bruder, der als Missionar der Basler Mission irgendwo in Indien begraben liegt.

Überhaupt Geschichte. „Das hat mich früher nie interessiert“, gibt die Schlierbacherin unumwunden zu. Es sollte sich grundlegend ändern. Seit sie menschliche Schicksale „ausgräbt“, wird für sie Geschichte greifbar. Wie etwa in der „Nummer 1“ der „Schlierbacher Geschichte(n)“. Die erste Veröffentlichung des Arbeitskreises geschichtsbegeisterter Bürger, dem auch Marga Lorch angehört, setzte sich mit einem interessanten Aspekt der Schlierbacher Vergangenheit auseinander: Der Auswanderung nach Amerika ab Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Dabei beschrieb der Arbeitskreis auch das Auswandererschicksal des Wilhelm Weiler, der 1891 mit 14 Jahren sein Heimatdorf verließ, um „im gelobten Land“ über dem großen Teich sein Glück zu suchen.

Jedes Jahr trägt die sechsköpfige Gruppe „Schlierbacher Geschichte(n)“ zusammen und verkauft die Hefte am Weihnachtsmarkt am ersten Advent. Inzwischen ist sie bei Heft „Nummer 5“ angelangt. In ihm werden Familien und ihre Geschichten lebendig, die einst in inzwischen abgerissenen alten Häusern in Schlier­bach lebten.

Eine ganz andere Geschichte vermittelte Marga Lorch über Jahrzehnte Schülerinnen und Schülern der Grund-, Haupt- und Realschule in Schlierbach, Ebersbach, Roßwälden und Weiler. Die Mutter von vier Kindern hatte sich nämlich 1976 berufs- und familienbegleitend auf der Karlshöhe bei Ludwigsburg zur Religionslehrerin ausbilden lassen.

Marga Lorch brachte Kindern nicht nur die christliche Lehre nahe. Sie lebt sie auch und ist für andere aktiv. 1968 rief sie den Mütterkreis ins Leben und leitete ihn bis 2011. 30 Jahre lang engagierte sie sich im Schlierbacher Kirchengemeinderat und wurde dafür mit der Johannes-Prinz-Medaille ausgezeichnet. Im Altenpflegeheim Ebersbach betreut sie alte Menschen und erfreut regelmäßig bei den Kaffeenachmittagen in der Schlierbacher Seniorenwohnanlage „Rose“ die Heimbewohner mit ihrem Klavierspiel. In die Tasten greift die musikalische Schlierbacherin auch alle vier Wochen beim Gottesdienst in der Nürtinger Seniorenwohnanlage „Kroatenhof“. Und da­rüber hinaus findet sie noch die Zeit, im Karl-Pfaff-Gauchor und im Kirchenchor mitzusingen.

Bei Gumeta, der Firma ihres Mannes in Schlierbach, führte Marga Lorch die Buchhaltung und erledigte nebenher ein paar Stunden auch die Abrechnungen der Diakoniestation Schlierbach. Eigentlich wollte sie mit 59 Jahren kürzer treten. Doch nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes 1996 stürzte sie sich wieder in die Ar­beit. Bis vor zwei Jahren war sie verstärkt in der Buchhaltung der Diakoniestation tätig. Für ihren unermüdlichen Einsatz verlieh ihr die kirchliche Einrichtung das Goldene Kronenkreuz.

Mitarbeit an der Ortschronik, recherchieren der „Schlierbacher Geschichte(n)“, organisieren des Floh- und Büchermarktes beim Gemeindefest, basteln für den Weihnachtsmarkt: Auch die Gemeinde wusste und weiß die Arbeit ihrer emsigen Bürgerin zu schätzen und zeichnete sie mit der Silbernen Ehrennadel aus.

Doch basteln, musizieren und lesen sind bei Weitem nicht die einzigen Interessen der 75-Jährigen. Marga Lorch wandert und reist auch ger­ne. Vor allem nach Skandinavien. Kein Wunder, denn einer ihrer Söhne lebt in Schweden, eine Tochter in der Schweiz und die beiden anderen Kinder wohnen in Schlierbach gleich ne­benan. So ist sie stolze Oma von neun zum Teil erwachsenen Enkelkindern, die sich auf ihre vielseitig talentierte Großmutter freuen.