Lokales

Biergarten soll „heimelig“ bleiben

Bürgermeister Günter Riemer verteidigt Planung für den Umbau am Kirchheimer Wachthaus

Der Biergarten am Kirchheimer Wachthaus bietet derzeit ein Bild der Verwüstung. Deshalb sind viele Passanten schockiert – einerseits vom Kahlschlag an den Pflanzen und andererseits vom wuchtigen Eindruck, den der Neubau macht. Als Vertreter der verantwortlichen Planungsbehörde bittet Bürgermeister Günter Riemer die Öffentlichkeit vor allem um eines: Geduld.

Der frühere Zustand mit großen grünen Bäumen.  Foto: Jean-Luc Jacques

Andreas Volz

Kirchheim. Der Grund für den Umbau ist beim Gewerbeaufsichtsamt zu suchen, dem früheren Wirtschaftskontrolldienst (WKD), betont Günter Riemer auf Nachfrage des Teckboten. Von dieser Behörde sei die Aussage gekommen: „Was da an Speisezubereitung gemacht wird, entspricht nicht den einschlägigen Regelungen. Das muss geändert werden.“ Eine Möglichkeit wäre gewesen, die Küche für den Biergarten vom Freien ins Innere des Erdgeschosses zu verlegen. Dadurch allerdings wäre der Platz für Gäste so sehr beschränkt worden, dass sich der Betrieb außerhalb der Biergartensaison oder bei schlechtem Wetter nicht mehr gelohnt hätte.

So kam es also dazu, dass die Brauerei Dinkelacker-Schwaben Bräu als Pächter des gesamten Wachthauses sich – in Absprache mit der Stadt Kirchheim – für den Küchenneubau im Freien entschlossen hat. Günter Riemer macht in diesem Zusammenhang deutlich: „Ohne diesen Neubau wäre der Biergarten tot. Es hätten zwar weiterhin noch Getränke serviert werden dürfen, aber keine Speisen mehr.“

Die „Vereinigten Hüttenwerke“ – wie der Bürgermeister die Vorgängerbauten des heftig umstrittenen Rohbaus im Biergarten scherzhaft nennt – seien der Stadtverwaltung ohnehin schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Es habe sich um ein unkoordiniertes Konglomerat von Hütten, Kühlaggregaten und Müllcontainern gehandelt. Besonders der Abfall zwischen Wachthaus und Stadtmauer habe Ungeziefer und Nagetiere angezogen. Die Notwendigkeit, hier einzuschreiten und dauerhaft etwas zu ändern, liegt für Günter Riemer also nach wie vor auf der Hand.

Interessant ist in diesem Zusammenhang natürlich, dass die Stadt Kirchheim in der Geschichte gleich mehrere Rollen spielt. So ist sie nicht nur für die Stadtplanung zuständig, sondern auch als Eigentümer des Wachthauses an dem Umbau beteiligt. Die Grenzen sind dabei klar bezogen: „Das Gebäude erstellt Dinkelacker, den Rest machen wir.“

Dieser „Rest“ bezieht sich auf die Gestaltung der Freifläche – nicht nur des Biergartens, sondern auch der Umgebung. Dem allem liege eine fundierte Gesamtplanung zugrunde. Beispielsweise werde aus bisher zwei Wegen am Rand der Alleenstraße nur noch einer. Der Biergarten kann sich deshalb viel weiter nach Süden ausdehnen als bisher. Er findet seinen Abschluss künftig an der Kante des Neubaus. Die Fläche des Biergartens wird insgesamt also nicht verkleinert, sondern sogar erweitert.

Abgesehen davon, soll sich aber an der Atmosphäre des alten Biergartens nichts ändern: „Es war immer heimelig da drin, und das soll es auch bleiben“, sagt Bürgermeister Riemer. Auch wenn es derzeit schwer vorstellbar sein mag: Am Ende ist der Biergarten wieder wie früher von Hecken eingefasst. Die Buchenhecken seien einen Meter breit und „mehr als mannshoch“. Der Wachthaus-Biergarten bleibt also eine eingefriedete Oase inmitten des hektischen Verkehrs- und Innenstadtlebens.

Neue Bäume werden ebenfalls gepflanzt: Vorgesehen sind vier Maulbeerbäume. Und auch was diese Bäume betrifft, beruhigt Günter Riemer aufgebrachte Gemüter: „Da werden schon größere Bäume gekauft.“

Dass das Thema polarisiert, dafür hat der Bürgermeister durchaus Verständnis: „Das ist ein sehr emotionales Thema. Das Wachthaus liegt an einer prominenten Ecke der Stadt, und fast jeder erinnert sich gerne an gemütliche Stunden, die er dort schon verbracht hat.“ Nur bittet er darum, sich mit Kritik zurückzuhalten, bis der neue Biergarten fertig ist – „und auch schon ein bisschen eingewachsen“. Im Sommer 2016 dürfte dieser Zeitpunkt gekommen sein. Eröffnet werden soll der Biergarten freilich schon diesen Sommer. Ursprünglich angedacht war der 1. Mai. Das dürfte sich aber noch verzögern, bis Mitte Mai oder gar bis Juni.

Die Frage, ob es überhaupt Aufgabe einer Kommune sei, ein Wirtshaus zu verpachten, habe den Gemeinderat in den vergangenen Jahren ziemlich umgetrieben, sagt Günter Riemer. Letztlich sei aber entschieden worden, das Gebäude im Eigentum der Stadt zu behalten. Schließlich handle es sich um eine Immobilie, „mit der wir als Vermieter auch Geld verdienen wollen“.

Zur möglichen „Verschandelung“ durch den Neubau stellt der Bürgermeister abschließend fest: „Das Landesdenkmalamt hat nichts gegen die Planung einzuwenden, sie entspricht auch unserer Altstadtsatzung, mehr geht gar nicht.“ Bauherr sei immerhin die Brauerei und nicht die Stadt. Außerdem gelte es auch hier, abzuwarten, bis der Rohbau fertiggestellt ist. Dann sollte er weniger „roh“ wirken.

Bau am Wachthaus und Biergarten Umgestaltung
Bau am Wachthaus und Biergarten Umgestaltung

„Ändern lässt sich gar nix“Kommentar

Veränderungen bringen immer Emotionen mit sich. Häufig sind es negative Emotionen wie Ängste, Unverständnis oder gar Wut. Das Altgewohnte ist weg, und es ist längst noch nicht ersichtlich, dass dem etwas Sinnvolles, Schönes, Brauchbares nachfolgt. Und eigentlich war das, was man vorher hatte, doch gar nicht so schlecht, oder? Warum also überhaupt etwas ändern? Georg Kreisler hat dieses Grundgefühl des Missbehagens ge­genüber Veränderungen einmal folgendermaßen ausgedrückt: „Ändern lässt sich gar nix, weil sonst hätt‘ mer‘s ja schon g‘macht.“

Ähnlich geht es jetzt vielen Passanten, die entsetzt vor dem Biergarten des Wachthauses stehen und sich kopfschüttelnd fragen: „Wie können die bloß? Was haben die sich dabei gedacht? Warum machen die das überhaupt? Das war doch gar nicht nötig.“ – Nun, nötig war es eben doch, denn ein umgestalteter Biergarten ist besser als gar kein Biergarten. Und Tische im Freien, in der schönsten und vertrautesten Atmosphäre, an denen man nur etwas trinken darf, aber nicht einmal die kleinste Speise serviert bekommt, würden ebenfalls schnell für Unmut sorgen.

Zum Glück geht es in Kirchheim „nur“ um einen Biergarten. Der neue wird sich nicht grundlegend vom vorangegangen unterscheiden. Deshalb werden sich die Besucher schon in wenigen Jahren kaum mehr recht erinnern an die frühere Gestaltung. Und sie werden nichts vermissen – allenfalls die Magnolie. Aber die vermisst man mitunter auch in Nachbars Garten.ANDREAS VOLZ