Lokales

Der „große Bruder“ auf dem Pausenhof

Weihnachtsaktion des Teckboten unterstützt Schulkontaktarbeit des Evangelischen Jugendwerks

„Betreuung“ ist ein wichtiges Schlagwort, wenn es um Kleinkinder geht. Was aber ist mit Jugendlichen an den Schulen? Für sie bietet Andreas Forro vom Evangelischen Jugendwerk an zwei Realschulen „Schulkontaktarbeit“ an. Die Weihnachtsaktion des Teckboten sorgt dafür, dass sich die Arbeit auch weiterhin finanzieren lässt.

Locker geht es auf dem Pausenhof zu. Mit seiner Schulkontaktarbeit ist Andreas Forro (Bildmitte) sowohl Kumpel als auch Vertraue
Locker geht es auf dem Pausenhof zu. Mit seiner Schulkontaktarbeit ist Andreas Forro (Bildmitte) sowohl Kumpel als auch Vertrauensperson.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Andreas Forro wirkt wie der Idealtyp eines großen Bruders: keiner, dem man sich bedingungslos unterwerfen muss wie bei George Orwell, sondern einer, der Späße machen, aber auch zuhören kann. Einer, dem die Schüler vertrauen und dem sie sich auch mit ihren Sorgen anvertrauen. Der Jugendreferent arbeitet also an einer wichtigen Schnittstelle, die an der Schule meistens viel zu wenig beachtet wird. Die Lehrer haben ihre Stundentakte und müssen sich vor allem darum kümmern, dass sie den Unterrichtsstoff vermitteln. Für persönliche Gespräche mit Einzelnen bleibt da oft nicht genügend Zeit.

Bei Andreas Forro dagegen gibt es keine Vorgaben durch Bildungspläne, die er erfüllen muss. Er muss die Schüler auch nicht mit Noten bewerten. Auch er hat zwar eine Distanz zu den Jugendlichen zu wahren und einen gewissen Respekt einzufordern. Er kann aber viel mehr Nähe zulassen und kann auch eher Kumpel sein als Autoritätsperson. Er kann auf dem Pausenhof außer der Sprache auch die Umgangsformen der Jugendlichen übernehmen – nicht komplett, aber doch viel stärker, als das je ein Lehrer könnte.

Als er im Mai 2009 im Auftrag des Evangelischen Jugendwerks Kirchheim seine Arbeit an der Kirchheimer Teck-Realschule und an der Weilheimer Realschule in der Wühle aufnahm, kam es darauf an, Kontakte zu knüpfen. Dabei halfen ihm die „Pausenspiele“. Das sind einfache Spiele ohne großen Materialaufwand. Dabei kann es sich um Bobby-Car-Rennen oder um Teebeutelweitwurf handeln. Ganz klassisch sind auch Spiele mit Ball, bei denen alle im Kreis stehen. Wichtig ist für Andreas Forro: „Alle sollen sich beteiligen können.“

Zunächst hat er die Erfahrung gemacht, dass Mädchen bei diesen Spielen zurückhaltender sind und vorerst lieber „zuschauen, wie sich die Jungs blamieren“. Aber auch die Jungs selbst haben sich erst einmal vorsichtig herangetastet: „Heute ist es ihnen egal, was die anderen denken, wenn sie an mir herumturnen.“

Es geht bei der Schulkontaktarbeit aber nicht nur spaßig zu. Immer wieder erreichen den Jugendreferenten auch Facebook-Anfragen wie: „Hey, können wir mal quatschen?“ Das „Quatschen“ hat mitunter schon dazu geführt, dass Andreas Forro Jugendliche mit spezifischen Problemen an Beratungsstellen weitergeleitet hat. Ohne den Zwischenschritt mit ihm als Vertrauensperson hätten sich die Schüler vielleicht erst viel später oder nie an eine solche Stelle gewandt.

Zum Auftrag, den Andreas Forro erfüllt, sagt er: „Das ist ein selbst auferlegter Auftrag aus der evangelischen Jugendarbeit. Wir wollen die Jugendlichen begleiten und sie für ihren Alltag im späteren Leben rüsten.“ Mit der Bildungslandschaft ändere sich auch die Jugendarbeit: „Das Jugendwerk hat gesagt, wir müssen dort hingehen, wo die Jugendlichen sind. Also gehe ich an die Schule.“

Wenn er vom Evangelischen Jugendwerk kommt, verstehe es sich von selbst, dass in seiner Arbeit „auch Evangelisch drin ist“. Deswegen habe es anfänglich Vorbehalte gegeben, ob es richtig ist, an Schulen ein kirchliches Angebot zuzulassen. Mittlerweile seien die Skeptiker aber überzeugt: „Wenn mich jemand darauf anspricht, gebe ich auch Antworten über meinen Glauben. Aber es ist nicht so, dass ich von selbst die ganze Zeit über Jesus rede.“ So bietet er ganz unterschiedliche Programmpunkte an: neben dem Schülerbibelkreis auch Betreuung für Kinder, die in den unteren Klassen weder Religions- noch Ethikunterricht haben.

Außerdem ist es für Andreas Forro wichtig, die Jugendlichen anzuleiten, dass sie selbst aktiv werden und sich engagieren. Die Pausenspiele etwa übernehmen Schüler der achten Klassen in ihrem themenorientierten Projekt „Soziales Engagement“. Und in Weilheim hat sich daraus jetzt etwas ganz Neues entwickelt: Dort wollen die Achtklässler statt der Pausenspiele eine ganze Spielestunde für Fünftklässler in der Sporthalle anbieten. Auf eigene Ideen der Jugendlichen legt Andreas Forro ganz großen Wert. So gibt es an der Teck-Realschule eine eigene Basketball-AG. Zwei Mädchen, die selbst im Verein Basketball spielen, bieten diese AG an. Andreas Forro ist dabei ebenso beteiligt wie an der Gründung einer Hausaufgabenbetreuung, die ein Siebtklässler anstrebt. Bedarf gäbe es auch für eine Fußball-AG. Aber dabei stößt der Jugendreferent langsam an seine zeitlichen Grenzen.

Seit diesem Schuljahr hat er an der Teck-Realschule eine „Kollegin“. Es ist die Schulsozialarbeiterin Katja Schuler. Beide machen sich nicht etwa Konkurrenz, sondern ergänzen sich gegenseitig – unter anderem dadurch, dass jetzt die Mädchen an der Schule die Möglichkeit haben, sich mit ihren Sorgen und Nöten auch an eine Frau zu wenden. Katja Schuler sagt: „Ich bin froh, dass es den Andi gibt. Als Schulsozialarbeiterin möchte ich nicht alleine an einer Schule sein. Es gibt an Schulen sowieso zu viel Einzelkämpfertum.“

Schulkontaktarbeiter und Schulsozialarbeiterin haben trotz vieler Gemeinsamkeiten auch viele unterschiedliche Vorgehensweisen: Während Andreas Forro eher auf dem Pausenhof der Kumpeltyp für alle ist, vergibt Katja Schuler weitaus mehr Termine für Einzelgespräche in ihrem Büro. Dieses Büro teilt sie sich aber redlich mit ihrem Kollegen. Nur ein wesentlicher Unterschied bleibt bestehen: Katja Schuler arbeitet für das Brückenhaus, das den Auftrag für die Schulsozialarbeit wiederum von der Stadt Kirchheim erhält. Das Evangelische Jugendwerk Kirchheim dagegen – Andreas Forros Arbeitgeber – organisiert die Schulkontaktarbeit im eigenen Auftrag und ist deshalb jetzt auf die finanzielle Unterstützung durch die Teckboten-Weihnachts­aktion angewiesen.