Lokales

Der kumpelhafte Botschafter

Peter Maile ist Betriebsseelsorger auf den Baustellen für die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm

Peter Maile (Zweiter von links) im Gespräch mit Arbeitern auf der Baustelle bei Aichelberg. Auf dem kleinen Foto ist der Diakon

Peter Maile (Zweiter von links) im Gespräch mit Arbeitern auf der Baustelle bei Aichelberg. Auf dem kleinen Foto ist der Diakon mit Arbeitern am Fildertunnel zu sehen: Zum Start des Tunnelvortriebs gab es einen Gottesdienst. Mit dabei: die heilige Barbara, Schutzpatronin der Bergleute.Fotos: Jean-Luc Jacques/pr

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Aichelberg. Peter Maile ist auf den Baustellen für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ein gern gesehener Gast. Wenn der hagere 53-Jährige mit seinen wachen Augen, seinem Helm auf dem Kopf und der orangefarbenen Warnweste mit der Aufschrift „Betriebsseelsorger“ über die Baustellen schlendert, wird er überall freudig begrüßt – so auch an diesem Nachmittag auf der Baustelle für den Boßlertunnel bei Aichelberg. „Hallo Peter“, heißt es da. Und der Peter, der kommt kaum ein Stück vorwärts. Scheinbar überall bleibt er kurz stehen, begrüßt die Menschen mit Handschlag und hält mit fast jedem Arbeiter ein Schwätzchen. Wie kommen sie voran mit der Arbeit? Wie geht es der Familie? Um solche Themen geht es in den Gesprächen. Der Betriebsseelsorger baut Kontakte auf, zeigt Präsenz und signalisiert: Ich bin da und jederzeit greifbar; wenn es Probleme gibt, kommt auf mich zu.

Dabei ist Peter Maile nicht anbiedernd. Sein großer Vorteil bei seiner Tätigkeit mit den Mineuren, Elektrikern, Polieren und anderen Arbeitern ist, dass er selbst aus dem Handwerk kommt: Der heutige katholische Diakon hat den Beruf des Heizungsbauers gelernt und hat früher auch als Mechaniker gearbeitet. Er kennt die Sprache, die auf einer Baustelle gesprochen wird. Im Umgang mit den Arbeitern ist er kumpelhaft, hat den einen oder anderen lockeren Spruch auf den Lippen. Das kommt an. Peter Maile gehört dazu, man kennt ihn, duzt und schätzt sich.

Vor seiner Tätigkeit als Betriebsseelsorger auf den Baustellen war Maile zwölf Jahre lang in Esslingen als Gemeindediakon tätig. Davor hatte er als Betriebsseelsorger in Oberschwaben gearbeitet, unter anderem im „Gaggli-Nudelhaus“. Der 53-Jährige erhielt in seinem Leben schon viele Einblicke in unterschiedliche Berufe – auch aufgrund der Ausbildungen, die er absolviert hat: Der Esslinger ist auch gelernter Jugend- und Heimerzieher sowie Altenpfleger. Irgendwann beschloss er dann, Glaube und Beruf zusammenzubringen.

Die Stelle als Seelsorger auf den ICE-Baustellen hat ihn sofort angesprochen. „Es hat mich gereizt, eine neue Aufgabe anzugehen“, erzählt Maile. „Ich habe gedacht: Das passt zu mir, das trau‘ ich mir zu. Deshalb habe ich mich beworben.“ Sein Arbeitgeber ist die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Momentan betreut der Diakon zwischen Stuttgart und Hohenstadt etwa 1 800 Mineure, Baggerfahrer, Bauleiter, Sekretärinnen und, und, und. Je weiter der Bau voranschreitet, desto mehr Menschen sind auf den Baustellen beschäftigt: In der Hochphase werden es etwa 4 000 sein.

Mailes Aufgabe ist, den Menschen beizustehen, wenn sie Probleme haben. Dabei geht es um berufliche, aber auch um familiäre Angelegenheiten. Wie kommen zum Beispiel Frau und Kinder damit zurecht, dass der Ehemann und Papa – die meisten kommen aus Österreich, viele aber auch aus Polen und Ungarn – tage- und nächtelang nicht zu Hause ist? Wie verkraften es die Mineure, die im Tunnel arbeiten, über mehrere Tage keine Sonne zu sehen? Wie sind die Arbeits- und Wohnbedingungen? Und welche Freizeitmöglichkeiten gibt es?

Peter Maile ist außerdem der richtige Ansprechpartner, wenn ein Arbeiter auf der Baustelle verunglückt ist. Und er steht den Menschen bei, wenn es einen Todesfall in ihrer Familie gibt. „Ich will intensiv zuhören und mich erkundigen. Ich sehe mich aber auch als Botschafter, Vermittler und Transporteur von Anliegen“, betont der Diakon. Dabei sei es völlig egal, welcher Konfession die Arbeiter angehören oder ob sie überhaupt Kirchenmitglied sind.

Insgesamt sind diese mit ihrer Tätigkeit zufrieden – das ist Mailes bisheriger Eindruck. „Klar, die Arbeit ist oft stressig, aber sie machen sie gerne. Sie haben sich mit Herzblut dem Tunnelbau verschrieben.“ Überhaupt gerät der Diakon ins Schwärmen, wenn er von der Leistung der Mineure und anderen Arbeiter erzählt. „Hut ab vor dem, was sie leisten. Es ist wirklich grandios.“

Der Diakon beschloss deshalb, den Mineuren im Steinbühltunnel bei Hohenstadt und im Fildertunnel unter die Arme zu greifen. Insgesamt war er im Oktober 22 Tage im Einsatz. „Ich wollte den Alltag der Arbeiter kennenlernen und sehen, wie es ist, zwölf Stunden am Stück zu arbeiten“, sagt Maile. „Das ist auch eine Wertschätzung der Arbeit. Man ist so Teil des Teams.“

Zu seinen Aufgaben gehört zudem, die sogenannten Barbara-Gottesdienste an den Tunneln zu gestalten. Die heilige Barbara ist die katholische Schutzpatronin der Bergleute und sehr wichtig für die meisten Mineure. „Viele haben zu Hause eine Barbara-Ecke“, erzählt Maile von den österreichischen Arbeitern, die größtenteils katholisch sind. „Mineure sind zwar harte Jungs, aber sie haben ein weiches Herz. Und der Respekt vor dem Berg ist immer da.“ Auch am Portal Aichelberg hat die heilige Barbara einen Schrein – ebenso beim Zwischenangriff im Umpfental bei Gruibingen, den Peter Maile im Rahmen eines Gottesdienstes gesegnet hat. Ein paar Worte wird der Diakon außerdem bei der „Andrehfeier“ am Samstag, 8. November, sprechen, wenn sich auf der Baustelle bei Aichelberg der Bohrkopf der riesigen Tunnelbohrmaschine zum ersten Mal drehen wird.

Seit zwei Jahren ist der Diakon nun auf den Baustellen tätig. Seine Arbeit sei zwar anstrengend – „abends ist man geplättet“ –, aber sie sei überaus spannend. Wie lange er noch für die Bergleute da ist, weiß er nicht – ebenso wenig, welche Aufgabe danach auf ihn wartet. Doch Peter Maile ist völlig gelassen: „Die nächste Herausforderung wird kommen, da mach‘ ich mir keine Sorgen.“