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Des Bauers Rechnung nicht bezahlt

Wie die aktive BUND-Ortsgruppe Kirchheim um Fördergelder kämpft – Langzeitprojekt vor dem Aus

EhrenamtspreisBUND-Ortsgruppe Kirchheim, Bund für Naturschutz DeutschlandPflegeeinsatz Kirrwiesen
EhrenamtspreisBUND-Ortsgruppe Kirchheim, Bund für Naturschutz DeutschlandPflegeeinsatz Kirrwiesen

Die traurige Geschichte rund um die „Kirrwiese“ könnte man getrost als Provinzposse bezeichnen. Es geht in dieser Geschichte um enttäuschte ehrenamtliche Naturschützer, starre Bürokratie und einen ziemlich verärgerten Landwirt. Und um fehlende Fördergelder in schwindelerregender ­dreistelliger Höhe.

PETER DIETRICH

Kirchheim. Die „Kirrwiese“ ist eine 0,3 Hektar große Feuchtwiese, zwischen Kirchheim und Weilheim gelegen. Im Jahr 2010 empfahl der Biotopkartierer die Übernahme der ökologisch sehr wertvollen Fläche in öffentliche Hand. Was der begeisterte Biotopkartierer nicht wusste: Schon 1987 hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Wiese mit Mitteln des Landkreises Esslingen erworben, für damals 25 000 Mark.

Jährlich leistet die Kirchheimer Ortsgruppe des BUND mindestens 300 Arbeitsstunden. Die Ehrenamtlichen pflegen das Naturdenkmal Bürgerseeheide, einen Teil des Weilheimer Egelsbergs, Flächen im Naturschutzgebiet Kurzer Wasen bei Weilheim und das Biotop Egert bei Kirchheim-Ötlingen. Und sie pflegen die Kirrwiese, die zweimal im Jahr gemäht wird. Das alles tun sie langfristig verlässlich – während anderswo in Schnappatmung ein befristetes Projekt das nächste jagt.

Bis zum Jahr 2008 bekam die BUND-Ortsgruppe für die Pflege der Kirrwiese aus den Mitteln der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) jährlich etwa 260 Euro. Inzwischen nicht mehr. Zwar entspricht die Wiese den Förderrichtlinien des Landes, der Landkreis Esslingen hat aber aus den sechs vom Land geförderten Flächentypen zur Vereinfachung nur einen Teil ausgewählt. Gefördert werden nur Naturschutzgebiete, flächendeckende Naturdenkmale und spezielle Projektgebiete. Zu diesen zählt die Kirrwiese nicht.

Den fehlenden Zuschuss habe die Ortsgruppe weggesteckt, sagt Martin Dieterich, Professor an der Universität Hohenheim und dort mit Landnutzung und Naturschutz beschäftigt. Er leitete nicht nur ein EU-Projekt zur ländlichen Entwicklung Russlands und gilt als nationaler Experte für die Gelbbauchunke, er ist auch Vorsitzender der BUND-Ortsgruppe Kirchheim. Schon seit 1980 ist er beim BUND aktiv.

Dieterich ist überzeugt, dass der Naturschutz die Landwirte braucht. Und er ist überzeugt, dass die Landwirte, wenn sie etwas für den Naturschutz tun, dafür honoriert werden müssen. So war es auch bei dem Landwirt, der zweimal im Jahr das Mähgut von der Kirrwiese abtransportiert und es anschließend auf seinen Äckern flächig kompostiert hat. Rund 600 Euro hat er dafür jährlich vom Landkreis bekommen.

Für den ersten Schnitt 2013 hat die Bezahlung noch geklappt. Nach dem zweiten Schnitt reichte der Landwirt seine Rechnung wie gewohnt beim Landratsamt ein und bekam eine Ablehnung. Denn, das hat sich nun verspätet herausgestellt, ohne die gestrichenen LPR-Mittel gibt es auch kein Geld fürs Mähgut, ohne 260 Euro für den BUND, auch keine rund 600 Euro im Jahr für den Bauern. Also kein Lohn für bereits getane Arbeit, da war der Landwirt ziemlich verärgert.

Es ist nicht so, dass die Töpfe leer wären, auch wenn für die 205 000 Euro LPR-Mittel im Landkreis Esslingen für 2014 Förderanträge in Höhe von 267 000 Euro eingingen. Auch für Mähgut und Trockenmauern sind zusammen 33 000 Euro im Topf. Mehrere Kreistagsfraktionen haben sich für die Kirrwiese eingesetzt. Die Förderung für 2013, schrieb Landrat Heinz Eininger dennoch Mitte Mai an eine Fraktion, sei für 2013 „einfach nicht möglich“ und für 2014 „leider sehr unwahrscheinlich“. Ihm sei die Wertigkeit der Kirrwiese durchaus bewusst, ergänzte er, er sehe auch die finanzielle Problematik des BUND. Die Worte des Kreisökologen Roland Bauer klangen in einem Schreiben vom Dezember 2013 an die BUND-Ortsgruppe sehr ähnlich: Eine Förderung der Pflegemaßnahmen auf der Kirrwiese sei „zukünftig eher unwahrscheinlich“.

Der BUND hat in Kirchheim ein Jahresbudget von wenigen Tausend Euro. „Wir können nicht selbst die Landwirte bezahlen“, sagt Dieterich. Zum eigenen Abtransport des Mähguts fehlten die Fahrzeuge. Man könne das Mähgut liegen lassen. Doch dann verfilze es, Arten verschwinden. Ein Kompromiss sei aber möglich: ein Abtransport nur des ersten, größeren Schnitts im Jahr.

Gegen den Ablehnungsbescheid seines Zuschussantrags, der ihn im Juni mit förmlicher Zustellung erreichte, hat der BUND Kirchheim beim Regierungspräsidium Stuttgart und beim Landkreis Widerspruch eingelegt. Außerdem haben die Naturschützer die Kirrwiese jetzt der Stadt Kirchheim angeboten. Diese scheut natürlich die Verantwortung, die sie damit übernehmen würde, auch wenn sie nach Dieterichs Worten „gerne helfen möchte“. Dieterich will die Kirrwiese nun auch dem Landkreis zum Kauf anbieten, für einen symbolischen Euro.

Findet sich keine Lösung, könnte es um den Wiesenknopf auf der Kirrwiese irgendwann geschehen sein. Nicht nur um ihn, denn er bietet gleich zwei seltenen Schmetterlingsarten Heimat. Da schlägt der Schmetterling mit den Flügeln und Rosemarie Fano, Mitarbeiterin im BUND-Umweltzentrum Kirchheim, schüttelt mit dem Kopf.

Grund zum Kopfschütteln gibt es im Landkreis auch bei anderen Naturschutzverbänden. Mit großer Treue pflegt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) die Wernauer Baggerseen. Jetzt war die Förderung dahin, weil eine Pflegemaßnahme bereits vor dem späten Förderbescheid erfolgte. Könnte so ein Förderbescheid gefälligst lernen, sich nach der Vegetation zu richten?