Lokales

Ein „ES-EL“, der kein Heu frisst

Frauen und ihre Traktoren (3): Silke Rapp aus Schopfloch fährt einen Steyr-Daimler-Puch, Typ 80

Silke Rapp hat sich in einen Oberösterreicher verguckt. Jetzt steht er in Schopfloch vor ihrem alten Bauernhaus und wartet geduldig. Der eiserne Dunkelgrüne kommt aus Steyr und ist ein Traktor der gleichnamigen Marke, Typ 80.

Silke Rapp mit Kelle und ihrem Steyr, Typ 80.Fotos: Deniz Calagan
Silke Rapp mit Kelle und ihrem Steyr, Typ 80.Fotos: Deniz Calagan

Lenningen. Die Geschichte mit dem Österreicher und der Schwäbin aus Bad Urach beginnt eigentlich im Jahre 2003. Damals suchte Silke Rapp ein altes Haus und wurde tatsächlich in Schopfloch fündig. „Ich hab mich sofort in das alte Bauernhaus verliebt“, erinnert sich die 42-jährige Kriminalkomissarin. Was jetzt noch fehlte, war ein Traktor. Übers Internet machte Silke Rapp einen Sammler in Dettingen ausfindig und erwarb bei ihm 2004 zunächst einen alten Agria-Geräteträger mit Hänger, den sie mit einem Lederriehmen anwerfen musste. „Der war ziemlich laut und die Abgase hat er in Richtung Fahrer geblasen, was auch nicht so toll war.“ Deshalb stellte das 50-jährige Gefährt nur eine Zwischenlösung dar.

Wie die endgültige Lösung aussah, das war der Wahl-Schopflocherin sofort klar. Denn bereits als sie den Geräteträger kaufte, stand auf dem Hof des Sammlers ein Österreicher und strahlte sie an – ein original Steyr-Daimler-Puch, Typ 80, Baujahr 1958. Da war‘s um sie geschehen. Der dunkelgrüne Steyrer musste her. Doch damals reichte das Kleingeld noch nicht für den Diesel

-Traktor. Ein Jahr später aber konnte Silke Rapp mit ihrem zwölf PS Steyr Einzylinder auf die Schopflocher Alb tuckern.

Seither steht er vor dem Haus, oder im Winter, wenn die Schopflocher Bergwelt unter einem dicken, weißen Mantel liegt, in der Scheuer. „Dann frag‘ ich neuen Besuch oft ‚wollt ihr mal unseren Esel seh‘n‘?“ Und in Erwartung eines Grautiers blicken sie dann ganz verdutzt auf den Traktor mit dem grünen Kennzeichen „ES-EL“.

Nun, was so ein richtiger Esel ist, der kann auch ab und zu ganz schön störrisch beziehungsweise bockig sein. Das ist der Fall, wenn mit ihm zum Beispiel Ungeübte im ersten Gang anfahren. Dann macht er einen ruckartigen Satz nach vorne. Deshalb schaltet Silke Rapp immer gleich in den zweiten Gang, bevor sie losfährt. Aber ansonsten ist der Esel treu ergeben und belastbar. Etwa, wenn die Kriminalkommissarin in ihrer Freizeit den Einachsanhänger ankoppelt und Grünabfälle wegbringt oder wenn sie im Asch selbst gespaltenes Holz holt. Mit dem kleinen Steyr, von dem die Traktorenhersteller bis 1964 rund 45 000 Stück produzierten, kein Problem. „Jedenfalls war an ihm noch nie was kaputt“, sagt Silke Rapp. Und: „Er hat mich noch nie im Stich gelassen.“ Welch ein Kompliment an einen über 50-jährigen Österreicher. Sollte dennoch einmal ein Schräubchen locker oder eine Reparatur fällig sein, so ist dies für die zupackende Schwäbin eher eine Herausforderung, denn eine Schwierigkeit. Der Rätschenkoffer ist nicht weit und im umgebauten Stall steht die lange Werkbank. Außerdem fahren auch die Nachbarn alle Traktoren. Man hilft sich schließlich aus.

Seine Jungfernfahrt unternahm das gute Stück der Schopflocherin übrigens 1958 in Häring, Tirol. Danach war er in Kufstein im Einsatz, bevor er das Alpenland verließ und die deutsche Grenze überquerte. Im Originalzustand, versteht sich, mit Fahrerkabine, alten Schaffellen auf den Kotflügelsitzen und passend zur Lackierung dunkelgrünen, gestrickten Babyschühchen am Außenspiegel. Was aber den deutschen TÜV-Inspektoren Kopfzerbrechen bereitete, war die Kelle, mit denen der Fahrer entweder rechts oder links Zeichen gab, in die entspechende Richtung abbiegen zu wollen.

Ohne Blinker keine Zulassung. Deshalb verpasste der schwäbische Sammler dem alten Steyr rechts und links an der Motorhaube neue Blinker. Die Kelle aber, die hält Silke Rapp in Ehren. Wer weiß, wozu man die als Ordnungshüterin noch brauchen kann?

Mit dem Traktor made in Austria erfüllte sich Silke Rapp einen lange gehegten Traum. Doch ist der eine Wunsch verwirklicht, steht schon der nächste vor der Tür. Einen Pferdeanhänger besitzt sie bereits. Fehlt nur noch der Inhalt. Steht dann der Gaul auf der Koppel, ist ganz sicher der „ES-EL“ nicht weit.

Frauen und ihre Traktoren, Silke Rapp
Frauen und ihre Traktoren, Silke Rapp