Lokales

Ein Haus für die Suche nach der Heimat

In der Thomaskirche wird heute die Wanderausstellung „Das Russlands-Deutsche Haus“ eröffnet

Mitten in der Kirchheimer Thomaskirche ist gestern ein Haus gebaut worden: das „Russlands-Deutsche Haus“. Vom heutigen Freitag an soll es bis 16. Oktober Einblicke gewähren in das Leben der Russlanddeutschen, in ihre Geschichte und ihren Alltag – sowohl in Russland als auch in Deutschland.

Gestern erst aufgebaut, öffnet das ¿Russlands-Deutsche Haus¿ in der Kirchheimer Thomaskirche am heutigen Freitag bereits seine T
Gestern erst aufgebaut, öffnet das ¿Russlands-Deutsche Haus¿ in der Kirchheimer Thomaskirche am heutigen Freitag bereits seine Türen. Die Ausstellungseröffnung mit Dekanin Kath, Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker und dem russlanddeutschen Chor ¿Melodija¿ beginnt um 19 Uhr.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Beim „Russlands-Deutschen Haus“ handelt es sich um eine Wanderausstellung, die Pfarrer Edgar Born aus Hamm initiiert hat. Es ist aber keine herkömmliche Ausstellung mit ein paar Schautafeln, bunten Bildern und erklärenden Texten. Die Ausstellung soll vielmehr „leben“. Deshalb ist in der Kirche tatsächlich ein „Haus“ aufgebaut, mit einer Grundfläche von 42 Quadratmetern. Die „Russlands-Deutsche Stube“ beispielsweise ist mit Originalstücken möbliert und eingerichtet. In dieser Stube werden die Besucher in ein Haus versetzt, wie es ganz typisch war und ist für die Wohnhäuser der deutschstämmigen Bewohner Russlands oder anderer Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Die Geschichte der einstigen Auswanderer und heutigen Rückkehrer wird in einem eigenen Gedenkraum aufgearbeitet. In diesem Raum geht es vor allem um Terror, Arbeitslager und Deportationen Mitte des 20. Jahrhunderts. Alles zusammen führte häufig zu einem „Verlust der wirtschaftlichen und kulturellen Identität“, wie Gottfried Settgast, der Pfarrer der Thomaskirche, bereits vor dem gestrigen Aufbau erläuterte.

Eine Betstube erinnert in der Ausstellung dagegen an die Wurzeln der Russlanddeutschen. Viele von ihnen kamen ursprünglich aus dem deutschen Südwesten, also auch aus Württemberg. Gründe für die Auswanderung waren Armut und Hungersnöte in der angestammten Heimat, aber auch die Aussicht auf freie Ausübung der Religion. So gründeten die Deutschen in Russland außer einer Dorfgemeinschaft meistens auch eine religiöse Gemeinschaft. Letzteres sorgte für ein zusätzliches Festhalten an der kulturellen Identität. Gottfried Settgast: „Wichtige Familienerbstücke sind Gesangbücher – mit rund 500 Liedern, die alle handschriftlich eingetragen wurden.“ Selbst für diejenigen Aussiedler, die heute nicht mehr viel mit Religion am Hut hätten, seien diese Bücher immer noch von großer Bedeutung.

Außerdem ist auch die späte Rückkehr nach Deutschland ein wichtiges Thema der Ausstellung – mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten wie lange Wartezeiten, Nachweis deutscher Sprachkenntnisse oder Unterschiede zwischen Erwartung und Erfüllung. Auch die eigene Identität spielt dabei eine Rolle, von innen wie von außen betrachtet: Deutsche in Russland oder Russen in Deutschland zu sein, die Frage der Zugehörigkeit ist nicht so einfach zu beantworten. Und die Nachbarn – ob in Russland oder in Deutschland – konfrontieren die Russlanddeutschen oft mit eigenen vorgefertigten Antworten.

Der Untertitel der Ausstellung lautet deshalb „angekommen, angenommen – Aussiedler bei uns“. An die Thomaskirche passt das besonders gut, weil das Wohngebiet rings um die Kirche einen besonders hohen Aussiedleranteil aufweist. Pfarrer Settgast sagt dazu: „Wir bauen die Ausstellung ganz bewusst in der Kirche auf, um den Leuten zu zeigen: ,Ihr seid bei uns willkommen.‘ Wir wollen deutlich machen, dass wir auf die Aussiedler zugehen. Wir wünschen uns aber auch, dass sie auf uns zukommen und hier ihre Heimat finden.“

Zur Vorstellung von Heimat gehört ganz wesentlich das eigene Haus. Das Haus ist deshalb die Grundlage der Ausstellung. Es soll aber nicht nur durch Gegenstände belebt werden, sondern auch durch Menschen. Die Besucher, die von der Ausstellungseröffnung am heutigen Freitag um 19  Uhr bis zum 16. Oktober täglich von 14 bis 18 Uhr das „Russlands-Deutsche Haus“ anschauen können, treffen dort immer auch auf Aussiedler, um sich manches von ihnen erklären oder auch erzählen zu lassen.

Für Schulen und sogar für Kindergärten sind vormittags auch spezielle Führungen möglich. Außerdem gibt es jeden Tag besondere Programmpunkte. Ob für Senioren, für Kinder und Jugendliche, ob Bilder oder Filme gezeigt werden, ob mit oder ohne Musik – für alle Interessen dürfte etwas dabei sein. Am Wochenende steht außer der Eröffnung heute um 19 Uhr ein Familienabend am Samstag ab 18 Uhr an sowie ein besonderer Gottesdienst am Sonntag ab 10.30 Uhr. Das ganze Wochenende über ist auch der Ausstellungsmacher Edgar Born in Kirchheim. Weitere Informationen gibt es im Internet unter der Adresse www.evangelische-kirche-kirchheim.de oder unter der Telefonnummer 0 70 21/5 55 16.