Lokales

Eine Stimme für die, die keine haben

Aktionstag der freien Wohlfahrtsverbände

Die Liga der freien Wohlfahrtsverbände im Landkreis Esslingen will ihre Stimme denen verleihen, die selbst keine Stimme haben. Am heutigen Dienstag können sich Interessierte beim landesweiten Aktionstag über Forderungen wie nach einem existenzsichernden Mindestlohn informieren.

Kreis Esslingen. Seit den Siebzigerjahren fühlt sich die Liga der freien Wohlfahrtspflege – mit an Bord sind die Kreisverbände der Arbeiterwohlfahrt, des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, des Deutschen Roten Kreuzes und der Diakonie sowie die Caritas Fils-Neckar-Alb – der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Zurzeit brennt der Arbeitsgemeinschaft besonders das Problem der wachsenden Altersarmut auf den Nägeln. „Wir wollen denen eine Stimme verleihen, die keine haben“, sagte der Vorsitzende Eberhard Haußmann bei einem Pres­segespräch im Esslinger Otto-Riethmüller-Haus.

So sitzen Vertreter der Liga beratend im Kreisausschuss Jugendhilfe und Soziales sowie im Beirat des Jobcenters und pflegen regelmäßigen Kontakt mit Politikern. Damit kehre ein anderer Blickwinkel in deren Entscheidungen ein, meinte Haußmann. Nach der Einführung von Hartz IV und der damit verbundenen Verwaltungsstrukturreform spielt nun laut Barbara Wolf vom Paritätischen Wohlfahrtsverband vermehrt die „Musik“ auf Landkreisebene.

Um den Anliegen der Liga mehr Gehör und den Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen, wurden fünf Fachausschüsse ins Leben gerufen, in denen sich die jeweiligen Experten aus den Verbänden der Themen Arbeit, Armut, Kinder und Jugend sowie Eingliederungshilfe und Migration annehmen. Hartz IV sei ein Dauerthema, sagte Haußmann. Geförderte Arbeitsmaßnahmen werden Ralf Brenner, dem Geschäftsführer der Heimstatt Esslingen, zufolge inzwischen massiv eingeschränkt. „Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit finanzieren“, lautet daher eine Forderung der Liga.

Ein brandheißes Thema ist für Ingrid Riedl von der Diakonie die wachsende Altersarmut, die wie eine Bugwelle auf die Gesellschaft zurollt. Grund seien nicht nur die vielen Minijobs, sondern auch Löhne, die später eine ausreichende Rente nicht mehr garantieren. Niedriglohn heute bedeute Niedrigrente morgen.

Bereits 2008 seien 15 Prozent der 65-Jährigen an der Grenze zur Armut gestanden. Brenner forderte daher einen existenzsichernden Mindestlohn, der über 8,50 Euro in der Stunde liegt. Riedl will, dass Selbstständige sowie Erträge aus Vermögen zur Finanzierung der Rentenkassen he­rangezogen werden.

Die Frage der Asylunterkünfte ist laut Eberhard Haußmann ebenfalls ein brisantes Thema im Landkreis. „In einem Zimmer wohnen vier verschiedene Personen aus unterschiedlichen Ländern“, berichtete Christa Bergemann von der Arbeiterwohlfahrt. „Und sie dürfen nicht arbeiten.“ Dabei gebe es unter den Asylanten auch Facharbeiter. Wolf wies auf das grundsätzliche Problem der Anerkennung von beruflichen Abschlüssen von Migranten hin. Was die Asylanten angehe, herrschten nach wie vor viele Vorurteile. „Niemand will eine solche Unterkunft in seinem Dorf haben.“ Die Liga hat sich daher nicht nur auf die Fahne geschrieben, Lobbyarbeit in den politischen Gremien zu betreiben, sondern will auch die Bevölkerung sensibilisieren.

Unter dem Motto „Armut geht uns alle an“ können sich Interessierte morgen zwischen 10.30 und 14 Uhr bei Fachleuten der Liga der freien Wohlfahrtspflege informieren. Die Stände befinden sich in Esslingen auf der Inneren Brücke und in Kirchheim in der Marktstraße.