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Erst mal Deutsch lernen

Jugendliche Flüchtlinge besuchen eine Klasse der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule

Im Landkreis Esslingen leben immer mehr minderjährige Flüchtlinge. Um ihnen bessere Startchancen zu ermöglichen, werden einige in speziellen Klassen unterrichtet. Auch an der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule in Kirchheim drücken seit September junge Flüchtlinge aus Afghanistan, Iran, Irak und Afrika gemeinsam die Schulbank.

Gute Betreuung: Vera Oesterle (links) und Svenja Fuchs unterrichten in der VABO-Klasse meist zu zweit.Foto: Jean-Luc Jacques
Gute Betreuung: Vera Oesterle (links) und Svenja Fuchs unterrichten in der VABO-Klasse meist zu zweit.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. In einem Klassenzimmer der Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule sitzen elf Schüler und sprechen über die Zukunft. „Was für einen Beruf wollt ihr später einmal haben“, fragt Lehrerin Svenja Fuchs. Die Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen: Arzt. Philosoph. Fußballer. Anderen helfen, anerkannt sein, in Geld schwimmen. Ganz normale Teenagerträume. Dabei ist vieles nicht normal in dieser Klasse.

Es sind besondere Schüler, die hier die Schulbank drücken. Sechs der elf Teenager, die an diesem Tag zum Unterricht gekommen sind, sind aus ihrer Heimat geflohen. Als Minderjährige, ohne ihre Eltern. An der Wand hängen selbst gebastelte Steckbriefe, darauf mit krakeliger Schrift die Namen der Herkunftsländer: Afghanistan, Iran, Irak, Eritrea, Somalia, Gambia. Die anderen Schüler sind keine Asylbewerber. Ihre Väter arbeiten schon länger in Deutschland und haben die Familie nachgeholt. Gemeinsam ist beiden Gruppen, dass Deutsch für sie eine völlig fremde Sprache ist.

Einen oder zwei Schüler zu haben, die kein Wort verstehen, das kennt fast jeder Lehrer. Aber eine ganze Klasse? „Am Anfang haben wir viel mit Bildern gearbeitet“, sagt Vera Oesterle, die zusammen mit Svenja Fuchs Deutsch und Englisch unterrichtet. Mittlerweile sprächen alle ein bisschen Deutsch. „Ziel ist es, die Deutschkenntnisse so weit zu fördern, dass die Schüler im zweiten Jahr eine VAB-Klasse besuchen und den Hauptschulabschluss machen können“, sagt Ulrike Hauke-Kubel, die für die VABO-Klasse zuständig ist. Die Abkürzung steht für „Vorqualifizierung Arbeit und Beruf ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen“. Auch Mathematik, Geografie, Musik, Betriebswirtschaftslehre und Werkstattunterricht stehen auf dem Stundenplan.

Allerdings müssen die Lehrer häufig ganz klein anfangen. „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass viele Schüler motorische Defizite haben“, sagt Ulrike Hauke-Kubel. „Sie sind zum Teil nicht so geübt im Schreiben, etwas auszuschneiden ist für einige auch schwierig“. Svenja Fuchs nennt weitere Probleme: Einige Flüchtlinge seien traumatisiert, hätten nachts Probleme zu schlafen. „Viele schaffen es dann nicht, morgens pünktlich zu sein“.

Fragt man die Schüler, wie es ihnen in der Schule gefällt, hört man nur Positives. Dass sie täglich bis 15.30 Uhr in der Schule sind und anschließend noch Hausaufgaben machen müssen, stört sie nicht. Alle Schüler besuchen gerne die schuleigene Bibliothek. „Sie sind sehr wissbegierig, vor allem beim Thema deutsche Sprache“, sagt Vera Oesterle. Das Kollegium ist bemüht, die Schüler zu integrieren. „Einige spielen schon in der Schulband mit“, freut sich Ulrike Hauke-Kubel.

Die Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule ist eine von vier beruflichen Schulen im Landkreis, die Flüchtlinge im Alter zwischen 16 und 18 Jahren unterrichtet. „Für die Kollegen ist es Neuland“, sagt Ulrike Hauke-Kubel. Es hätten sich aber sofort Lehrer bereit erklärt, mit den Jugendlichen zu arbeiten. Der Landkreis finanziert eine Sozialarbeiterin, die die Schüler bei der Alltagsbewältigung unterstützt. Sie geht mit ihnen aufs Amt, zeigt ihnen, wie man in Deutschland Weihnachten feiert und hält Kontakt zu den Betreuern in den Wohnheimen und Gruppen, in denen die Schüler leben.

Thomas Fischle, Schulleiter der Käthe-Kollwitz-Schule und Koordinator der VABO-Klassen, verweist auf die steigenden Flüchtlingszahlen. Aktuell seien 88 Schüler an vier Standorten angemeldet. 15 seien unversorgt. „Wir müssen zum Halbjahr mit einer weiteren Klasse beginnen“, sagt er. „Das geht aber nicht ohne weiteres Personal“.