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Existenzminimum für Flüchtlinge

Asylbewerber bekommen mehr Geld – Arbeitskreis Asyl begrüßt Erhöhung der Sätze

Asylbewerber haben das Recht auf mehr Geld vom Staat. Das hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ins Hausaufgabenheft geschrieben. Im Landratsamt in Esslingen fängt nun das große Rechnen an. Der Arbeitskreis Asyl in Kirchheim begrüßt die Anhebung der Sätze für Flüchtlinge.

Rund 40 Euro Taschengeld monatlich haben Flüchtlinge bisher bekommen. Zu wenig, um ein menschenwürdiges Leben zu führen, urteilt
Rund 40 Euro Taschengeld monatlich haben Flüchtlinge bisher bekommen. Zu wenig, um ein menschenwürdiges Leben zu führen, urteilte nun das Bundesverfassungsgericht.Foto: Jean-Luc Jacques

Kreis Esslingen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Asylbewerberleistungsgesetz das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminium verletzt. Deshalb müssen die Leistungen auf Hartz-IV-Niveau angehoben werden. Im Esslinger Landratsamt, das für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern zuständig ist, hat man dieses Urteil kommen sehen. „Die Sätze sind seit 1993 nicht mehr angehoben worden. Auch die Position der Bundesregierung war bekannt“, sagt Rudi Nehrke, Sachgebietsleiter beim Kreissozialamt.

Im Landratsamt hat deshalb das große Rechnen begonnen. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist zwar ein Bundesgesetz. Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber fällt jedoch in die Zuständigkeit der Länder und der Landkreise. „Wir stellen gerade zusammen, wie viel mehr die Asylbewerber bekommen und wie viel es den Landkreis kosten wird“, sagt Rudi Nehrke. Die Rechnung ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Das Gericht hat zwar entschieden, dass die Asylbewerberleistungen auf das Niveau von Hartz IV angehoben werden müssen. „Allerdings gibt es da nicht nur einen Satz, sondern verschiedene, zum Beispiel je nach Alter“, erklärt Rudi Nehrke. Hinzu kommt: Diejenigen Asylbewerber, die länger als vier Jahre in einer staatlichen Unterkunft gelebt haben, haben schon bisher so viel bekommen wie Hartz-IV-Empfänger.

Das sogenannte Sachleistungsprinzip hat das Bundesverfassungsgericht nicht angetastet. Es besagt, dass Leistungen wie Unterkunft, Hausrat, Ernährung oder Kleidung in Form von Sachleistungen gewährt werden. Das heißt: Flüchtlinge im Landkreis Esslingen bezahlen an der Supermarktkasse nicht mit Geld, sondern mit Gutscheinen, die sie zwei Mal in der Woche erhalten. Dazu kommt ein Taschengeld, mit dem Telefonrechnungen oder Fahrkarten bezahlt werden können. Allerdings müssen auch Anwaltskosten davon bezahlt werden. „Bis jetzt hat der Haushaltsvorstand rund 40 Euro, ein Kind rund 20 Euro Taschengeld im Monat bekommen“, sagt Nehrke. Insgesamt bekommt ein Erwachsener, der Haushaltsvorstand ist, 224,97 Euro im Monat. Enthalten sind Taschengeld, Ernährung, eine Energiepauschale, Körperpflege und Kleidung. Zum Vergleich: Hartz-IV-Empfänger bekommen rund 374 Euro.

Marianne Gmelin, Kirchenbezirksbeauftragte beim Arbeitskreis Asyl in Kirchheim, begrüßt die Anhebung der Sätze. „Die Leute konnten sich ja bisher nichts leisten“, sagt sie. Es müsse möglich sein, dass Flüchtlinge telefonieren oder jemanden besuchen könnten. Außerdem müssten sie ihre Rechtsberatungskosten bezahlen. „Bisher ist das niedrige Taschengeld eine Aufforderung zum Schwarzfahren“, sagt sie.

Marianne Gmelin hofft jedoch, dass die Landesregierung das Sachleistungsprinzip aufhebt. Das Gutscheinprinzip sei ein riesiger Verwaltungsaufwand. Gmelin plädiert dafür, den Betrag in bar auszuzahlen. Nur so lernten die Flüchtlinge, mit ihrem Geld hauszuhalten. Außerdem fordert sie, die Unterbringung in großen Unterkünften zu beenden. „Kirchheim hat noch eine von den besseren Unterkünften, weil sie stadtnah ist“, sagt sie. Manche Heime seien jedoch völlig ab vom Schuss.

Marianne Gmelin vermutet, dass wegen der Erhöhung der Sätze das Arbeitsverbot gelockert wird. Die EU hatte kürzlich gefordert, Flüchtlingen in Europa den Zugang zum Arbeitsmarkt schon nach neun Monaten zu gestatten. Die Frist liegt in der Bundesrepublik bei einem Jahr. Gmelin findet eine Lockerung des Arbeitsverbots grundsätzlich gut, verweist aber auf die Notwendigkeit, Flüchtlinge zu qualifizieren. „Viele haben zwar studiert, landen dann aber in irgendeiner Spülküche“, sagt Gmelin. Das sei angesichts des Fachkräftemangels unverantwortbar. Darüber hinaus brächten solche prekären Beschäftigungen die Leute in ihrer beruflichen Entwicklung nicht weiter.