Lokales

Farbe und Leben im Seniorenheim

Start der Aktion „Kunst im Heim“ im Seniorenzentrum „An der Lauter“

Es tut sich was im Gang des ASB Seniorenzentrums „An der Lauter“ in Kirchheim. Mädchen und junge Frauen in bunt verschmierten Hemden wuseln im Flur umher oder stehen hoch konzentriert vor der langen Wand, die zur großen Leinwand wurde. Sie setzen vor den Augen der Bewohner „Kunst im Heim“ mit voller ­Begeisterung um.

Kunstprojekt im Pflegeheim an der LauterASB - Arbeiter-Samariter-BundSeniorenzentrum " An der Lauter "
Kunstprojekt im Pflegeheim an der LauterASB - Arbeiter-Samariter-BundSeniorenzentrum " An der Lauter "

Iris Häfner

Kirchheim. Es herrscht eine tolle, lockere Atmosphäre im Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Seniorenzentrum „An der Lauter“. Jeder hat ein Lächeln im Gesicht und kaum jemand ist um einen flotten Spruch verlegen. „Jetzt hat der Vogel einen Vogel – stellen Sie sich das mal vor“, sagt Ulrike Zeller, Betreuungskraft im Pflegezentrum, als neben dem großen Raben auf einmal ein kleinerer schwarzer Vogel auf dem Ast sitzt – und hat damit die Lacher auf ihrer Seite.

Es herrscht reger Betrieb im ersten Stock. Immer wieder kommen Senioren mit Rollator oder Rollstuhl herein und schauen sich an, was sich da in ihrem Zuhause tut. Das Zepter – besser gesagt: den Pinsel – in der Hand haben an diesem Tag neun Mädchen und junge Frauen. Sie alle sind Akteurinnen von „Kunst im Heim“, einer Aktion, die Besuchsdienstleiterin Anne-Katrin Stuth zu verdanken ist. Die hatte im vergangenen Sommer von diesem Projekt erfahren, das durch das Sozialministerium und Mitteln des Landes Baden-Württemberg unterstützt wird, und hat daraufhin sämtliche „Verdächtige“ in Kirchheim angesprochen. „Die Idee ist, verschiedene Akteure, die im weitesten Sinne mit Kunst zu tun haben, mit den Menschen in den Heimen zusammenzubringen. Die Resonanz ist super“, freut sich Anne-Katrin Stuth.

So bieten beispielsweise drei Frauen Malkurse in Kleingruppen an, und eine Kirchheimer Firma rückt mit ihren Lehrlingen an, um aus Metall Kunstwerke zu fertigen. „Das wird wohl vor allem viele männliche Heimbewohner anlocken“, vermutet die Besuchsdienstleiterin. Das Schlossgymnasium wird im April mit dem Kunstneigungskurs eine Projektaktion im Seniorenzentrum Sankt Hedwig starten. „Drei ehrenamtliche Fotografen begleiten und dokumentieren das Ganze das Jahr über“, sagt Anne-Katrin Stuth.

Den Reigen eröffnen in den Faschingsferien in Kooperation das Mehrgenerationenhaus Linde und das Pädagogische Fachseminar (PFS) im ASB Seniorenzentrum. Begeistert sind alle Beteiligten ob der Offenheit dieses Hauses: Die langen Wände stehen zur freien Verfügung, es gibt keinerlei Vorgaben. „Wir sind ein offenes Haus und arbeiten vertrauensvoll mit Frau Stuth zusammen. Sie gehört fast zur Einrichtung. Daher haben wir blindes Vertrauen“, sagt Michael Carstensen, Leiter des ASB Seniorenzentrums, der sich gern überraschen lässt, was in seinem Flur entsteht. Von festen Regeln in der Kunst hält er rein gar nichts. „Das große Ziel ist, dass jeder sich mit seinen Ideen einbringen kann“, erklärt er und freut sich über jeden Gast in seinem Haus. Michael Carstensen wünscht sich nichts mehr, als dass seine Einrichtung zur Begegnungsstätte wird. „Abends, wenn wir den Gemeinschaftsraum nicht mehr brauchen, kann sich hier gerne ein Skat- oder Bridgeklub treffen“, bietet er an.

Im Gegensatz zur Heimleitung haben die Heimbewohner klare Vorstellungen, was alles zu dem Bild gehören soll, das soeben in ihrem Beisein entsteht. Ein Vogelhäuschen muss her, ebenso eine Sonne, die unbedingt Strahlen braucht. Unabdingbar sind auch Spatzen, die sogar noch ein kugelrundes Nest auf ihren Ast bekommen. Es ist ein gruppendynamischer Prozess, in den sich jeder spontan einbringt. Sehr zur Freude von Anne-Katrin Stuth hält plötzlich eine betagte Bewohnerin einen Pinsel in der Hand und tupft Schneeflocken an die Wand. Auch die Besuchsdienstleiterin ist aktiv dabei. Spontan zieht sie die Schuhe aus, steigt auf einen Stuhl und bringt den Halter in der Schiene für die soeben aus einem ausrangierten Kissenbezug fertiggestellte Sonne in die richtige Position – selbstverständlich demokratisch ermittelt. So wird sie noch etwas höher und „mehr links“ drapiert.

Im Laufe des Jahres werden hier die vier Jahreszeiten entstehen, die sinnbildlich für das Leben stehen. Oberthema ist Veränderung, das auch die Vergänglichkeit nicht ausschließt. Das Bild bringt Jung und Alt zusammen und sorgt dafür, dass sich unterschiedliche Generationen kennenlernen. Den Anfang bildet der Winter mit dem beginnenden Frühling. „Das ist die Abteilung Kindheit und Jugend. Wir versuchen, Parallelen zu ziehen. Wir arbeiten mit verschiedenen Techniken und Materialien und schaffen ein Drei-D-Werk“, sagt Regina Gube vom PFS und ihre Kollegin Daniela Egner von der Linde ergänzt: „Wir machen auch Landart. Das heißt, es werden Dinge aus der Natur verwendet.“ Die 17-jährige Chiara, die seit zweieinhalb Jahren zum Besuchsdienst gehört, hat gleich mehrere Freundinnen für das Projekt begeistern können. Am Vortag waren sie – Stichwort Landart – schon mit ein paar Heimbewohnern spazieren und haben sich am Lauterufer einen langen Ast und Holzstücke für ihr Kunstwerk besorgt.

Kunstprojekt im Pflegeheim an der LauterASB - Arbeiter-Samariter-BundSeniorenzentrum " An der Lauter "
Kunstprojekt im Pflegeheim an der LauterASB - Arbeiter-Samariter-BundSeniorenzentrum " An der Lauter "