Lokales

Farbige Einblicke und Ausblicke

Zum Tag des offenen Denkmals gab es in Kirchheim Schnuppertouren und geöffnete Türen

Ein „buntes“ Programm im wahrsten Sinne des Wortes hatte die Stadt Kirchheim gestern anlässlich des Tags des offenen Denkmals zusammengestellt: Sämtliche Stadtführungen und Programmpunkte standen unter dem Motto „Farbe“. Das Interesse daran war groß.

Tag des Denkmals, Rathausturm
Tag des Denkmals, Rathausturm

Bianca Lütz-Holoch

Kirchheim. Am Tag des offenen Denkmals öffnen sich in ganz Deutschland Türen, die normalerweise verschlossen blieben. Auch in Kirchheim taten sich gestern neue Perspektiven auf. Zahlreiche Interessierte nutzen die Gelegenheit, zwei geschichtsträchtige Orte zu besichtigen, die sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind: den Rathausturm und die alte Kupferschmiede in der Dettinger Straße. Auch die Schnuppertouren boten ganz neue Blickwinkel. „Unsere Stadtführer haben sich einiges einfallen lassen“, lobte Heike Büttner, Leiterin der Kirchheim-Info. So kamen die Besucher des Denkmaltags auch in den Genuss von Führungen, die normalerweise nicht im Programm der Stadt sind.

Das Motto „Farbe“ banden die Stadtführer fantasievoll ein. Auf den Spuren der früheren Wasserversorgung etwa ging es entlang an den „blauen Lebensadern“ Lauter, Lindach und Stadtbach. Die Führung „Weiße Blüten und braune Früchte“ drehte sich rund um die Kastanien der Teckstadt.

Um Feuer, Liebe und Blut drehte sich dann Hartmut Schallenmüllers Führung „Ich sehe rot“. Das große Feuer erfasste Kirchheim im Sommer des Jahres 1690. „Es war heiß und das Wasser war knapp“, schilderte Hartmut Schallenmüller. Als dann, wie vermutet wird, eine Metzgersmagd einen Topf auf dem Herd vergaß, kam es zum Stadtbrand. „Eine Woche lang hat es gebrannt“, erzählte der Stadtführer. Die Stadt jedoch wurde wieder aufgebaut – und zwar so, dass ein solches Unglück nie wieder passieren würde. Im neuen Kirchheim, das quasi am Reißbrett entworfen wurde, gab es fortan Abstände zwischen den Häusern, keine Balkone und Erker mehr. „Man kann fast sagen, das Feuer hat die Stadt zum Positiven verändert“, spielte Schallenmüller auf die optisch ansprechende Einheitlichkeit der barocken Fachwerkhäuser in Kirchheim an.

Auch das Thema Liebe griff Hartmut Schallenmüller auf – am Beispiel zweier prominenter historischer Persönlichkeiten. Er erzählte von Franziska von Hohenheim, die Herzog Carl Eugen über dessen Tod hinaus liebte und von Herrmann Hesse, der sein Herz in der Kirchheimer „Krone“ an Julie Hellmann, genannt „Lulu“, verlor und ihr später eine Erzählung widmete.

Blutig ging es einst bei den Hinrichtungen in Kirchheim zu. „In der Nähe des Freibads fanden früher die Enthauptungen statt“, erzählte Hartmut Schallenmüller. Zur Abschreckung wurden gelegentlich auch die Köpfe auf Stangen gesteckt und präsentiert. Eine ähnliche Wirkung hatten die Hängungen auf dem exponierten Galgenberg.

Die Farbe rot überwog auch in der historischen Kupferschmiede in der Dettinger Straße. Zahlreiche Neugierige ergriffen die Gelegenheit, die 1887 erbaute Werkstatt zu besichtigen. Fritz Götz, dessen Großvater dort noch als Kupferschmiedemeister gearbeitet hatte, gewährte den Besuchern Einblicke in das Kupferschmiedehandwerk und beantwortete Fragen. Von Zeit zu Zeit brachte er – bei abgesperrter Werkstatt – die von Riemen angetriebene, lautstarke Maschinerie ins Rollen und demonstrierte, wie Schlagschere, Standbohrmaschine und Wandhammer funktionieren. „Ich habe meine Jugend hier in der Werkstatt verbracht“, erzählte Fritz Götz. Dort war er dem Großvater zur Hand gegangen und hatte den riesigen Blasebalg betätigt. 1951 schließlich wurde die Schmiede geschlossen. „Da gab es für das Handwerk keine Chance mehr“, so Götz.

Vor allem die Ausblicke waren es, die etliche Interessierte auf den Rathausturm lockten. Lange Schlangen bildeten sich im Treppenhaus des Verwaltungsgebäudes, da aus statischen Gründen immer nur eine begrenzte Zahl von Besuchern auf die Aussichtsplattform durfte. Wer genügend Geduld mitbrachte, wurde schließlich belohnt – mit einem einmaligen Blick auf die Stadt, die Teck und die Limburg. Wer sich nicht anstellen mochte, hat aber trotzdem noch eine Chance: „2015 werden wir auch Stadtführungen anbieten, die den Besuch des Rathausturms beinhalten“, kündigte Heike Büttner an. Neu im Programm ist übrigens auch die Kupferwerkstatt.

Um Farben ging es in den Arkaden des Kornhauses und in der Martinskirche. Vorm Museum zeigte Museumspädagogin Heidi Schubert, wie sich mit althergebrachten Pflanzen- und Naturfarben – hergestellt etwa aus Birkenblättern, Blauholz oder Cochenille-Läusen – bunte Seidenschals gestalten lassen. Wer wollte, durfte sich gleich selbst ein Tuch einfärben. In der Martinskirche erläuterte Diplom-Restauratorin Barbara Springmann, mit welchen Mal- und Farbtechniken die Altartafeln gefertigt wurden. Außerdem gab es Informationen rund um die Dachsanierung der Martinskirche.

Tag des Denkmals, Stadtführung
Tag des Denkmals, Stadtführung
Tag des Denkmals, Aktion vor Kornhaus, Tücher färben
Tag des Denkmals, Aktion vor Kornhaus, Tücher färben