Lokales

Fischsaurierfund mit Krimifaktor

Neues Ichthyosaurier-Exponat im Urweltmuseum Hauff Holzmaden gibt Rätsel auf

Es ist weder fertig präpariert noch das perfekte Museumsstück: Trotzdem können Besucher ab sofort ein neues Ichthyosaurier-Exponat im Urweltmuseum Hauff bestaunen und – ebenso wie die Wissenschaftler – über dessen rätselhaftes Schicksal spekulieren.

Präparator Manuel Pauser bei der Arbeit am zerstückelten Ichthyosaurus.Foto: Jean-Luc Jacques
Präparator Manuel Pauser bei der Arbeit am zerstückelten Ichthyosaurus.Foto: Jean-Luc Jacques

Holzmaden. Ein kleiner Urwelt-Krimi spielt sich zurzeit im Museum Hauff in Holzmaden ab. Die Tat: ein Tötungsdelikt. Das Opfer: ein drei Meter langer Fischsaurier. Vom Täter dagegen fehlt jede Spur. „Irgendetwas hat den Ichthyosaurier in Tausende Stücke zerbissen“, beschreibt Rolf Hauff, Leiter des Urweltmuseums Hauff in Holzmaden, was sich vor rund 180  Millionen Jahren am Rand der Schwäbischen Alb abgespielt hat. „Who done it?“ lautet dementsprechend auch der Titel der kleinen Sonderschau, die ab sofort im Holzmadener Urweltmuseum Hauff zu sehen ist.

Das zersplitterte Reptil, das Ralf Kromer im Laufe des vergangenen Jahres aus dem gleichnamigen Schieferbruch in Ohmden geborgen hat, ist aus Sicht von Rolf Hauff etwas ganz Besonderes: „Solch ein Fund wurde noch nie zuvor gemacht“, ist sich der Museumsleiter sicher. Ein echtes Rätsel jedoch gibt dem Wissenschaftler und seinen Mitarbeitern das Wesen auf, das sich über den stattlichen Fischsaurier hergemacht hat. „Das muss etwas wirklich Riesiges gewesen sein“, ahnt Hauff.

Für hoch wahrscheinlich hält es der Diplom-Geologe nämlich, dass der Ichthyosaurier sich im Bauch eines anderen Tiers befunden hat. „Darauf weisen versteinerte Kotspuren hin“, sagt er. Außerdem gebe die Knochenstruktur der Wirbel Hinweise darauf, dass die Fischechse bereits anverdaut worden ist.

Als „Täter“ kommen damit weder der Urzeithai Hybodus noch ein urzeitliches Krokodil in Frage: „Sie sind einfach nicht groß genug“, so Hauff. Auch kann sich der Paläontologe nicht vorstellen, dass die Zähne der Tiere ausgereicht haben, um einen drei Meter großen Ichthyosaurier derart zu zermalmen. Kopf und Bauch des Reptils sind für Laien nämlich kaum zu erkennen: Auf den großen Schieferplatten, die die Präparatoren des Urweltmuseums nun rund drei Monate lang bearbeitet haben, findet sich ein regelrechtes Durcheinander an Knochensplittern und Wirbelteilen. „Lediglich der Schwanz ist komplett erhalten“, weist Rolf Hauff auf das intakte Hinterteil des Fischsauriers hin.

Nur wenige Tiere waren aus Sicht des Museumsleiters rein größenmäßig in der Lage, es mit einem Drei-Meter-Saurier aufzunehmen. Dazu gehören unter anderem zwei Ichthyosaurierarten, die Längen um die 20 Meter erreichten: Temnodontosaurus oder das sogenannte „Schwäbische Ungeheuer“, der Suevoleviathan disinteger. „Aber selbst für die wäre ein solch großer Ichthyosaurus ziemlich schwierig zu schlucken gewesen.“ Zur Anschauung hat Rolf Hauff die kleine Sonderschau durch den Schädel eines der riesigen Ichthyosaurier aus der Museumssammlung ergänzt.

Eine andere Theorie ist, dass ein Landsaurier den Wasserbewohner gefangen und zerbissen hat. „Da käme aber höchstens ein Allosaurus infrage“, so Hauff. So recht glauben mag das der Museumsleiter aber trotzdem nicht. Viel zu weit sei der nächste Strand vom offenen Jurameer in Holzmaden weg gewesen.

Wie auch immer: „Das Tolle an solchen außergewöhnlichen Funden ist, dass man sich über solche Dinge Gedanken machen kann“, freut sich Rolf Hauff. Auch liefern Funde wie dieser Erkenntnisse dazu, wie die Nahrungsketten im Erdmittelalter aufgebaut waren: „Auch drei Meter lange Tiere standen immer in der Gefahr, gefressen so werden.“

Ein perfektes Museumsstück ist der arg zerstückelte Ichthyosaurier nicht. Dass Rolf Hauff die noch nicht ganz fertig präparierten Platten trotzdem eine Zeit lang in die Ausstellung aufnimmt, hat einen guten Grund: Das Fossil stellt ein weiteres Einzelschicksal aus der Jurazeit dar und erzählt eine spannende Geschichte – ebenso wie beispielsweise das Exponat des Hais, dem der übermäßige Verzehr von Belemniten zum Verhängnis wurde, oder der versteinerte Fisch, der bei der Futtersuche in der Wohnkammer eines Urzeit-Tintenfischs starb.

Nicht zuletzt möchte Rolf Hauff die Besucher an dem kleinen Urzeit-Krimi teilhaben und sie mitspekulieren lassen, was damals passiert ist. Aber auch Experten wird er in die „Fahndung“ nach dem Angreifer einbeziehen. „Es wäre toll, den Täter rauszukriegen“, sagt Hauff. Für wahrscheinlich hält er das allerdings nicht. „Das Tier hat verdammt wenig Spuren hinterlassen“, bedauert er, dass Zahnabdrücke völlig fehlen.

Und noch einmal die Frage: „Who done it?“

„Who done it?“ oder zu deutsch: „Wer hat es getan?“ lautet nicht nur der Titel der Sonderschau im Urweltmuseum Hauff, sondern auch die Überschrift eines Kapitels in einer neuen wissenschaftlichen Veröffentlichung von Rolf Hauff und Detlev Thies. Darin geht es um das Thema „Speiballen“, auch bekannt als „Gewölle“. So bezeichnet werden unverdauliche Mageninhalte, die Tiere wieder hochwürgen. Untersucht wird ein besonders großer versteinerter Speiballen aus dem Holzmadener Jura: Die Überreste von sage und schreibe fünf verschiedenen Fischen sind darin enthalten. Wer den Speiballen produziert hat, bleibt dagegen unklar. Auch hier könnte ein riesiger Fischsaurier der Verursacher sein. Entsprechend ist die Versteinerung auch in der neuen Sonderschau zu sehen.bil