Lokales

Flucht vor dem Alltag voller Gewalt

Das Frauenhaus Kirchheim ist eine gefragte Anlaufstelle

Im vergangenen Jahr bot das Frauenhaus Kirchheim 25 Frauen und 16 Kindern Zuflucht. Neben Obdach bietet der Verein „Frauen helfen Frauen“ Beratung und Betreuung an, auch für die Kinder der Betroffenen.

Kirchheim. Das Frauenhaus bietet hilfebedürftigen Frauen und ihren Kindern zwölf Plätze in fünf Zimmern. Im Jahr 2011 nahm das Haus 25 Frauen und 16 Kinder in seine Obhut, erheblich weniger als im Vorjahr. Dennoch ist die Gesamtauslastung leicht gestiegen, was durch die Verlängerung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer zu erklären ist.

Obwohl in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg von besonders jungen hilfebedürftigen Frauen zu verzeichnen war, machte sich das 2011 nicht bemerkbar. 2010 waren es noch vier Frauen unter 21, die im Frauenhaus Zuflucht suchten und drei über 61. Beide Altersgruppen waren 2011 nicht mehr vertreten.

Die meisten kamen aus dem Landkreis Esslingen. 16 der Frauen waren während ihres Aufenthaltes auf Hartz IV angewiesen. Zum einen deshalb, weil viele Frauen mit der Trennung vom Partner alleinerziehend wurden. Zum anderen gaben viele ihre Arbeit auf, da sie Angst hatten, vor dem Arbeitsplatz von ihren gewalttätigen Ex-Partnern abgefangen zu werden. Vor ihrem Einzug bezogen sechs Arbeitslosengeld, und das Einkommensniveau war allgemein eher niedrig.

Dies bedeute allerdings nicht, dass nur Frauen, aus den unteren Gesellschaftsschichten von häuslicher Gewalt betroffen sind, wie Betreuerin Susanne Lorch berichtet. „Frauen aus wohlhabenderen Verhältnissen haben oft mehr Möglichkeiten und landen nicht so schnell in Frauenhäusern wie ärmere.“ Die Befürchtung, dass immer mehr Bewohnerinnen aus sogenannten „Multiproblemlagen“ kommen, bestätigte sich. Dabei handelt es sich um Frauen, die zum Beispiel zusätzlich unter psychischen Krankheiten, Schulden oder Erziehungsproblemen zu leiden haben.

In 15 Fällen übernahm der Verein die Beratung nach dem sogenannten Wohnungsverweis. Geht bei der Polizei ein Anruf von einem Opfer häuslicher Gewalt ein, so kann sie den Täter zeitweise seiner Wohnung verweisen. Wenn möglich, schalten sich danach die Pädagogen des Frauenhauses ein, die die Betroffenen über die weiteren Schritte beraten.

Für die Kinder von suchtkranken Eltern gibt es seit zwei Jahren das Projekt „Hängebrücke“, mit angestoßen durch die Teckboten-Weihnachtsaktion. In Kooperation mit der Suchtvorbeugungsstelle des Landkreises und dem Kinderschutzbund werden wöchentlich mit einer kleinen Gruppe Gespräche geführt und Spielenachmittage sowie Ausflüge veranstaltet. Damit ein Kind angemeldet wird, müsse bei den Eltern zunächst eine Hemmschwelle überwunden werden, sagt Renate Dopatka, Sozialpädagogin beim Verein „Frauen helfen Frauen“. Deshalb „könnte die Gruppe größer sein, aber jede Anmeldung ist angesichts dieses heiklen Themas ein Erfolg“, findet sie.

Ein weiteres Problem, dem sich die Frauen mithilfe der Mitarbeiterinnen stellen, ist die Wohnungssuche. Diese gestalte sich „nach wie vor schwierig und verlängert oft den Aufenthalt im Frauenhaus unfreiwillig“, so Lorch. Dieses Problem möchte das Team mit seinem neuen Wohnungsprojekt angehen. Dazu laufen Gespräche mit der Stadt Nürtingen und der Kreisbaugenossenschaft Nürtingen. Diese könnten als Kooperationspartner mit Wohnungsangeboten dienen.

Nur vier der Frauen fanden eine Wohnung, fünf zogen bei Bekannten oder beim neuen Partner ein, drei gingen in andere soziale Einrichtungen und fünf verschlug es zurück in die gewaltgeprägte Lebenssituation. Nach dem Auszug stehen den Frauen in jedem Fall die Sozialpädagoginnen des Vereins beratend zur Seite.nz