Lokales

Glaubhaft belegte Gewissensentscheidung

Zum Christentum übergetretene Familie bekommt Flüchtlingseigenschaft zuerkannt

Die iranische Flüchtlingsfamilie, die Aufnahme in der Kirchhei­mer Martinskirchengemeinde gefunden hat und der die Abschiebung drohte, hat einen Erfolg errungen: Laut Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart ist der Familie „die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen“.

Andreas Volz

Stuttgart. Das schriftliche Urteil ist in der Familie und bei den nahezu 50 Begleitpersonen, die sich auf den Weg zur Verhandlung nach Stuttgart gemacht hatten, einige Tage später sicherlich als gute Nachricht aufgenommen worden. In der Verhandlung selbst stand ebenfalls eine gute Nachricht im Mittelpunkt: „Die Gute Nachricht“. Um sich ein Bild vom erfolgten Glaubenswechsel der Familie machen zu können, befragte Richter Sachsenmaier das Elternpaar nach den neuen Glaubensinhalten. Die Bibel stand dabei im Fokus – insbesondere das Neue Testament.

Die 30-jährige Ehefrau nannte dem Übersetzer ein kurzes, prägnantes Glaubensbekenntnis: „Jesus ist gekreuzigt worden, um die Sünden der Menschen zu beseitigen.“ Nicht ganz einfach war es in der Katechismusstunde zunächst, die Begriffe „Himmelfahrt“ und „Pfingsten“ sprachlich deutlich auseinanderzuhalten. Aber mit der Definition dieser beiden Feste dürften auch manche andere ihre Schwierigkeiten haben, die dem christlichen Kulturkreis schon seit der Geburt angehören.

Auf die Frage nach den Auswirkungen des Glaubenswechsels antwortete sie: „Ich habe eine Freude in mir. Ich kann mit meinem Gott ganz ruhig sprechen.“ Die Freiheit in Deutschland und im Christentum hat es ihr angetan: „Jeder kann seine Meinung äußern.“ Im Islam, so wie er in ihrem Heimatland Iran praktiziert wird, sehe das anders aus. Dort stört sie außer der fehlenden Gerechtigkeit auch die Tatsache, dass Frauen keinen Wert haben.

Ihr 36-jähriger Mann sah das ähnlich: „Im Iran gibt es einen großen Unterschied zwischen Mann und Frau. Frauen sind dort keine vollständigen Menschen.“ Auch über den Glaubenswechsel, über die Taufe und über die regelmäßigen Treffen an der Martinskirche zur christlichen Unterweisung wusste der Familienvater etwas detaillierter Auskunft zu geben. Zum Thema der letzten Unterrichtsstunde am Vorabend konnte auch er vor Gericht einen eigenen Glaubenssatz beisteuern: „Der Körper stirbt, aber der Geist bleibt lebendig.“

Pfarrer Jochen Maier berichtete auf Nachfrage des Richters ebenfalls von den Glaubensgesprächen mit den Eltern zweier Mädchen und mit der ganzen Gruppe, die dazugehört. Er sagte auch, wie die Kommunikation sprachlich funktioniert: Es gibt andere Iraner in dem Kreis, die schwierige Inhalte übersetzen können. Den Liturgieablauf und wichtige Texte wie das Glaubensbekenntnis oder das Vaterunser kann das Ehepaar nachvollziehen, weil sie das in ihrer eigenen Sprache mitlesen können. Der Sonntagspredigt freilich können sie nicht folgen. Es wäre zu umständlich, sie Woche für Woche zu übersetzen. Aber mit dem Ablauf des Gottesdiensts komme die Familie gut zurecht. Zur Vermittlung von Glaubensinhalten setzt Pfarrer Maier außerdem auf die Kraft von Bildern.

Der Nachweis eines „ernsthaften Glaubenswechsels“ jedenfalls ist in der Gerichtsverhandlung erfolgreich geführt worden. So heißt es im Urteil unter anderem: „Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar geschildert, wie sie den Weg zum christlichen Glauben gefunden haben.“ Das Gericht sei davon überzeugt, „dass dem Glaubensübertritt eine ernsthafte Gewissensentscheidung zugrunde liegt“. Nachfolgend wird anhand etlicher Fallbeispiele beschrieben, warum bei einer Rückkehr der Konvertiten in den Iran „mit der Einleitung von Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen“ sei.

Helmut Maisch, der Vorsitzende des Kirchengemeinderats an der Martinskirche, zeigt sich mehr als erfreut über das positive Urteil. Im Namen der Kirchengemeinde dankt er den Unterstützern für die Solidarität, fügt aber gleichzeitig an: „Ich hoffe, dass diese Solidarität jetzt nicht abreißt. Der Neuanfang der Familie in Kirchheim beginnt ja erst.“