Lokales

Gottes Gasthaus ist geöffnet

Schon am ersten Tag der Kirchheimer Vesperkirche wurden in der Thomaskirche 350 Essen ausgegeben

Es ist ein spezielles Gasthaus, ohne Reservierungen, Stammtisch und erst recht ohne Einzeltische. Es hat nur zwei Wochen pro Jahr geöffnet, die Gäste legen ihren Preis ab 1,50 Euro aufwärts selbst fest. Gestern war es wieder so weit. Mit einem Gottesdienst begann die siebte Kirchheimer Vesperkirche.

Ein volles Haus kann die Thomaskirche zum Auftakt der Vesperkirche melden. Foto: Peter Dietrich
Ein volles Haus kann die Thomaskirche zum Auftakt der Vesperkirche melden. Foto: Peter Dietrich

Kirchheim. „Die Vesperkirche ist eine Brücke zwischen Welten“, sagte Diakoniepfarrerin Margarete Oberle in ihrer Predigt. Sie bringe das zusammen, was sonst immer weiter auseinanderbreche: Arm und Reich, Oben und Unten, Mächtig und Ohnmächtig, Wichtig und Überflüssig, Einheimisch und Fremd, Jung und Alt. „In Gottes Gasthaus wird jeder gleich freundlich bedient, bekommt so viel, bis er satt ist.“ Satt wurden gleich am ersten Tag rund 350 Gäste. Essensmarken wurden aber weit mehr verkauft, viele Gäste deckten sich gleich für die nächsten Tage ein. Das Essen kam am Sonntag, wenn der übliche Lieferant Pause hat, vom Kirchheimer Kreiskrankenhaus, die mindestens 15 leckeren Kuchen aus Brucken. Reihum wechseln sich die umliegenden Kirchengemeinden beim Backen ab.

Die offizielle Eröffnung übernahm Anja Kirschner, stellvertretende Dienststellenleiterin der Diakonischen Bezirksstelle. Wie in jedem Jahr entzündeten die Gäste ihre Tischlichter an den zwei großen Altarkerzen der Thomaskirche. „Während der Vesperkirche gehen die Anfragen Bedürftiger bei der diakonischen Bezirksstelle merklich zurück“, berichtete Kirschner.

Zur Vesperkirche tragen viele bei, beim Eröffnungsgottesdienst war das auch die stimmlich gute Chorwerkstatt Teck mit ihrem vielseitigen Leiter Andreas Störzer, der außerdem noch Klavier und Orgel spielte. Die Organisation der Vesperkirche liegt diesmal in den Händen von Claudia Brendel und Diakon Uli Häußermann. Für ihn ist es die erste Kirchheimer Vesperkirche, er hat aber bereits in Nürtingen zwei Jahre lang Erfahrung gesammelt.

Wer arbeiten will, findet auch Arbeit? Für die Tagelöhner in Oberles Predigt galt das nicht. Doch dann, so erzählte es Jesus in einem Gleichnis, stellte sie doch noch ein Grundbesitzer ein. Obwohl das zu ganz verschiedenen Uhrzeiten geschah, bezahlte er sie am Ende des Tages mit einer einheitlichen – und großzügigen – Flatrate. Der Grundbesitzer handle wie Eltern, sagte Oberle, die jedem Kind das geben, was es braucht, unabhängig von Alter und Leistungsvermögen. „Jeder einzelne von uns bekommt mehr Liebe und Güte als er verdient“, so die Pfarrerin. Keiner verdanke seine Arbeit, seinen Erfolg nur sich selbst: „Einer hatte einfach bessere Startchancen oder war zur rechten Zeit am rechten Ort.“ Wer habe, könne mit anderen teilen, mit einer guten „Sehnsucht nach Gerechtigkeit“.

Eine Vesperkirche hat Nachwirkungen, vielleicht auch unerwünschte: Wem nach zwei Wochen gutem Essen die Hose spanne, dem empfahl Pfarrer Gottfried Settgast einen Marathonlauf. Er beginnt in der Thomaskirche am 18. Februar, ist aber eher spiritueller Art. Auch wenn das Begleitbuch des Programms, „Marathonlauf zu Gott“, passend zur Laufdistanz 42,2 Kapitel hat.