Lokales

Im Keller lagert historisches „Gold“

Großes Lob für das Weilheimer Stadtarchiv anlässlich der Übernahme durch das Kreisarchiv

Das Esslinger Kreisarchiv hat gestern offiziell das Weilheimer Stadtarchiv übernommen. Dabei handelt es sich aber keinesfalls um eine „feindliche Übernahme“. Vielmehr sorgen zwei Mitarbeiter des Kreisar­chivs dafür, dass das Weilheimer Archiv auch weiterhin höchsten Ansprüchen genügen wird.

Weilheimer Archiv wird an Kreisarchiv Ÿbergeben
Weilheimer Archiv wird an Kreisarchiv Ÿbergeben

Andreas Volz

Weilheim. Dreieinhalb Jahre lang hatte der langjährige Kirchheimer Stadtarchivar Rainer Kilian als Ruheständler das Weilheimer Archiv betreut und war jede Woche einen Tag vor Ort. Nun wurde er auf eigenen Wunsch hin verabschiedet. In seiner zurückhaltenden Art sagte er gestern dazu: „Ich habe gedacht, ich bin jetzt 67 und höre einfach mal auf.“

Das Weilheimer Stadtarchiv berge mit seinen sechseinhalbtausend Archivalien noch einige historische Schätze. Um diese Schätze für die Forschung heben zu können, empfahl Rainer Kilian, Studenten für das Weilheimer Archiv zu begeistern. – Im Untergeschoss des Weilheimer Rathauses habe er vor dreieinhalb Jahren ein bestens bestelltes Archiv vorgefunden, sagte er. Der Umzug vom Kel­ler der Limburg-Grundschule an den neuen Standort sei damals gerade erst vollzogen gewesen. Verantwortlich dafür waren das Kreisarchiv sowie Margarete List, von der Rainer Kilian die Betreuung des Weilheimer Archivs übernommen hatte.

„In meinem Berufsleben habe ich schon viele Archive gesehen“, meinte Rainer Kilian. Deswegen weiß er auch, wovon er spricht, wenn er dem Weilheimer Archiv bescheinigt, „tipptopp“ zu sein. Selbst die Reserve

flächen seien so ausgelegt, dass sich Bürgermeister Johannes Züfle keine Gedanken um eine Erweiterung machen müsse. Und auch um die Betreuung des Archivs muss sich derzeit niemand Gedanken machen. „Ich freue mich, dass das Archiv in gute Hände kommt“, sagte Rainer Kilian abschließend, bevor er sich mit den Vertretern des Kreisarchivs auf Arbeitsebene an die Übergabe des Weilheimer Stadtarchivs machte.

Dass das Weilheimer Archiv auch vor der gestrigen Übernahme in guten Händen war, bescheinigte Bürgermeister Züfle dem scheidenden Archivbetreuer: „Ich bin froh, dass wir mit Rainer Kilian immer einen kompetenten Ansprechpartner hatten. In den dreieinhalb Jahren hat er große Aufgaben bewältigt. Er kann ein gut bestelltes Archiv übergeben.“

Letzteres bestätigte Kreisarchivar Manfred Waßner: „Das Stadtarchiv Weilheim ist eines der bedeutendsten Kommunalarchive im Landkreis.“ Überlieferungen seien seit Anfang des 16. Jahrhunderts vorhanden, sodass sich der Alltag in der Stadt seit 500 Jahren fast lückenlos nachvollziehen lasse. Deshalb formulierte der Kreisarchivar auch eine ehrgeizige Zielvorgabe – selbst wenn sich deren Einhaltung so schnell nicht überprüfen lässt: „Viele der Archivalien sind schon seit 500 Jahren im Besitz der Stadt Weilheim. Unser Ziel muss es sein, dass wir nicht schuld daran sind, wenn sie nicht noch weitere 500 Jahre Bestand haben sollten.“

Dass ihre Bestände der Stadt Weilheim immer schon sehr am Herzen lagen, führte Manfred Waßner am Beispiel einer der bedeutendsten Archivalien aus: Das Statutenbuch aus dem Jahr 1571, in dem alle Ordnungen der Stadt aus dem 16. Jahrhundert eingetragen sind, sei „ein herausragendes Einzelstück von höchster Qualität“. Schon allein den Pergamenteinband habe sich die Stadt damals einiges kosten lassen.

Das Archiv sei einerseits das Gedächtnis der Stadt, meinte der Kreisarchivar, der Weilheim als eine „sehr geschichtsträchtige Stadt mit großem Geschichtsbewusstsein in der Bevölkerung“ bezeichnete. Andererseits sei das Archiv aber auch das Gedächtnis der Verwaltung, die jederzeit schnell und reibungslos Zugriff auf verschiedenste alte Daten haben müsse – seien es Erschließungsbeiträge oder auch Bauzeichnungen von Schulen.

Dabei nutzte Manfred Waßner gleich die Gelegenheit, mit einem wichtigen Klischee aufzuräumen: „Wir Archivare sind aber gar nicht so sehr die Sammler, sondern viel eher die Wegschmeißer. Wir versuchen, möglichst viel wegzuschmeißen.“ Es dürfe aber nichts Wesentliches verloren

gehen. Deshalb sagte der Kreisarchivar selbstbewusst über seine Zunft: „Wir trennen das Gold vom Müll.“ Im übertragenen Sinne sei das Weilheimer Stadtarchiv also nur noch mit „Gold“ bestückt. Eine gute Gelegenheit, den Archivbestand zu „entlasten“, sei der bereits erwähnte Umzug ins Rathaus gewesen.

Rainer Kilians Anregung, Studenten für das Archiv zu begeistern, hat Manfred Waßner nach eigener Aussage schon vor ein paar Jahren aufgegriffen, als er ein Hauptseminar der Universität Tübingen in Weilheim zu diversen Forschungen angeregt hat. Die Kontakte seien also geknüpft, um Studenten an die Forschung in sämtlichen Archiven im Kreis Esslingen heranzuführen.

Natürlich können auch sonstige Privatpersonen das Archiv nutzen. An den zwei Tagen im Monat, an denen Gabriele Mühlnickel-Heybach und Jochen Fuchs vom Esslinger Kreisarchiv nach Weilheim kommen, steht das Stadtarchiv auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. „Damit haben wir schon viel Erfahrung“, stellte Manfred Waßner gestern fest. „Seit einigen Jahren schon öffnen wir das Owener Archiv mit großem Erfolg. Da kommen viele Nutzer.“

Wer künftig das Weilheimer Stadtarchiv nutzen will, kann das jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat tun, jeweils von 9 bis 13 und von 14 bis 17 Uhr. Es empfiehlt sich eine Voranmeldung mit Angabe des Recherchethemas bei Karin Bezler, Telefon 0 70 23/1 06-1 18, oder bei Marcel Launer, Telefon 0 70 23/1 06-1 10. Zu diesem Zweck stehen auch alle Bände des Findbuchs im Internet.

Gewisse Kenntnisse im Handschriftenlesen sollten allerdings vorhanden sein, denn Manfred Waßner räumte gestern noch mit einem weiteren Klischee auf: „Es gibt immer wieder Leute, die meinen, Archivare würden die Dokumente vorlesen.“ Dem sei allerdings nicht so. Die Nutzer müssen die alten Handschriften schon selbst lesen. Das ist aber nach übereinstimmender Auskunft von Manfred Waßner und Rainer Kilian „reine Übungssache“ sowie „eine Frage der Konzentration“.