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Inspiration im Herrenhäusle

HAP Grieshaber hatte das Kulturdenkmal jahrelang gepachtet – 1761 von Herzog Carl Eugen von Württemberg erbaut

Treff im Idyll des Herrenwäldles: Stadtarchivar Roland Deigendesch (links) und Forstbeamter Walter Hegelau mit Jagdhündin Hummel
Treff im Idyll des Herrenwäldles: Stadtarchivar Roland Deigendesch (links) und Forstbeamter Walter Hegelau mit Jagdhündin Hummel vor dem 1761 erbauten Herrenhäusle. Links befindet sich der Treppenaufgang, rechts geht es in den ehemaligen Pferdestall. 2011 wurde das Kulturdenkmal frisch verputzt. Fotos: Rudel

Kirchheim. Wer an den Kirchheimer Bürgerseen spazieren geht, stößt etwas oberhalb im Wald vielleicht auf ein kleines, hübsches Gebäude. Kein Schild liefert Informationen, doch

Einheimische klären die Gäste mit dem suchenden Blick auf: „Das ist das Herrenhäusle.“ Manchmal werde dort Theater gespielt. Hölzerne Sitzbänke davor machen die Aussage glaubhaft. „Ein Schild ist in Planung“, sagt Kirchheims Stadtarchivar Roland Deigendesch. Er kennt den zweigeschossigen Bau im Herrenwäldle, einem zehn Hektar großen Staatswald, gut. Zwei Aufsätze im Band 35 der Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim befassen sich mit dem Herrenhäusle: Deigendesch hat über die herzogliche Jagd geschrieben, der Rottenburger Bauhistoriker Tilmann Marstaller über die Untersuchung des verwendeten Holzes im Herrenhäusle. Erst durch sie wurde klar, dass das kleine Fachwerkhaus bereits 1761 erbaut wurde.

Heute gehört das Kulturdenkmal dem Land Baden-Württemberg. Und Theatervorführungen vor dem Gebäude gab es tatsächlich schon, bestätigt Förster Walter Hegelau. Das Kreisforstamt sorgt für die Pflege und die Verpachtung. Für den Pressetermin hat er die Schlüssel mitgebracht. Seine Jagdhündin Hummel flitzt ganz aufgeregt um die Gruppe herum und ist in jedem Raum als Erste.

Herzog Carl Eugen von Württemberg ließ den zweigeschossigen Fachwerkbau mit Holz aus dem Schwarzwald errichten. „Die Jagd war Teil des barocken Lebens“, sagt Deigendesch. Andernorts wurden vor der Jagd Tausende von Tieren im Wald ausgesetzt. Im Herrenwäldle eher nicht: „Hier gab es sehr viele Hirsche.“ Zudem taugte das Haus nur für kleine Jagdgesellschaften. Zu denen lud der Herzog wohl gerne ein, wenn er sich im Kirchheimer Schloss aufhielt.

Öffnet man die rechte große Holztüre, steht man im einstigen Pferdestall. Dunkel ist es. Einst gab es vier Fenster- oder Futteröffnungen. Die wurden zugemauert. Ein ausgehöhlter Eichenstamm diente als Futtertrog. Er nimmt die volle Gebäudelänge ein, ist inzwischen aber in der Mitte durchgebrochen. Tritt man durch die linke Tür, steht man vor der Treppe. Hier wird deutlich, dass das Herrenhäusle ein Fachwerkgebäude ist. Der Außenputz sollte wohl einen Massivbau vortäuschen. Das obere Stockwerk besteht aus nur einem Zimmer: der Jagdstube. Von hier aus hatte man früher wohl einen freien Blick auf die Bürgerseen. Heute sieht man ihn vor lauter Bäumen nicht mehr. Eine historische Karte weist jedoch zum See hin Ackerflächen aus. Eventuell sei dort Getreide zur Wildfütterung angebaut worden, mutmaßt der Stadtarchivar. Hinter dem Haus befand sich eine große Wiese, an deren Rand ein Jagdstand eingezeichnet ist. „Für eine herrschaftliche Jagd war das klein dimensioniert“, sagt Deigendesch.

In der guten Stube stehen heute Biergarnituren. Früher fanden dort ab und zu Dienstbesprechungen des Forstamts Kirchheim statt, sagt Hegelau. Für die 16 Reviere des Kreisforstamts samt Leitung ist der Raum nun zu klein. Die Einrichtung ist zwar spartanisch, doch Deigendesch gerät ins Schwärmen: „Eine Perle, die die Zeit überdauert hat“, sagt er und zeigt auf Details wie die eisernen Eckbeschläge an den Fenstern und die „schöne alte Bretttüre“ mit den kühn geschwungenen, schmiedeeisernen Türangeln. Bei zwei der energetisch verwerflichen acht Einfachfenster sind zusätzliche Minifenster eingebaut. Die lassen sich aufschieben. „Vielleicht wurde da doch rausgeschossen“, mutmaßt der Jägersmann angesichts der Luke.

Warm hatte man es jedenfalls immer dort. Davon zeugt der gusseiserne Ofen. Dessen Frontplatte trägt Rokoko-Ornamente, das Herzogswappen und die Zahl 1797. Gebaut wurde der Ofen aber nachweislich für das Schloss Neidlingen. Als man es abbrach, wurde der Ofen 1810 ins Herrenhäusle versetzt. Funktionsfähig ist er, genauso wie die drei an der Decke hängenden Gaslampen. „Es ist gut, wenn hier ab und zu mal durchgeheizt wird“, sagt Hegelau. Eine Stunde lang sei es dann recht rauchig, dann beruhige sich der Ofen.

1816 wurde die Jagd aufgegeben. Die Forstleute hingen an dem Häusle und verhinderten zusammen mit Bürgern den Abbruch. Teils durften es Waldarbeiter nutzen, später ein Jagdpächter. Auch ein berühmter Künstler ließ sich im Wald inspirieren: „HAP Grieshaber hatte das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg einige Jahre lang gepachtet“, weiß Hegelau. Ob der 1981 gestorbene Maler und Grafiker Ende der 1940er-Jahre hier bedeutende Werke geschaffen hat, ist nicht überliefert. Gewiss ist dagegen, dass der evangelische Pfarrer Hans Spohn aus Deizisau in den 1960er-Jahren die Gottesdienste im Freien initiiert hat, die noch heute an Pfingsten vor dem Haus stattfinden.

Einen einmaligen Auftritt hatte die Theaterspinnerei Frickenhausen 2011: Zum 250. Geburtstag des Häusles zeigten sie das Theaterstück „Vom Saukerle zum Prachtkerle“. Titelheld: der Herzog, dem eine dreistellige Zahl unehelicher Kindern nachgesagt wird – bis Franziska von Hohenheim ihn in einen „Prachtkerle“ verwandelte.

Foto: Robin Rudel 30.05.2012Kirchheim, Treffpunkt Parkplatz Bürgerseen: Kulturdenkmal Herrenhäusle im Wald. Bul bitte Zeit mitbr
Foto: Robin Rudel 30.05.2012Kirchheim, Treffpunkt Parkplatz Bürgerseen: Kulturdenkmal Herrenhäusle im Wald. Bul bitte Zeit mitbringen, Fotos von außen und innen, eines davon mit den Herren Stadtarchivar Roland Deigendesch und vom Kreis-Forstamt Hegelau
Foto: Robin Rudel 30.05.2012 Kirchheim, Treffpunkt Parkplatz Bürgerseen: Kulturdenkmal Herrenhäusle im Wald. Bul bitte Zeit mitb
Foto: Robin Rudel 30.05.2012 Kirchheim, Treffpunkt Parkplatz Bürgerseen: Kulturdenkmal Herrenhäusle im Wald. Bul bitte Zeit mitbringen, Fotos von außen und innen, eines davon mit den Herren Stadtarchivar Roland Deigendesch und vom Kreis-Forstamt Hegelau