Lokales

Klares Votum für Grundeinkommen

Professor Werner sorgte mit seinem Impulsreferat beim Agenda-Forum für Diskussionsstoff

Dass Professor Götz W. Werner als impulsgebender Redner für das erste Kirchheimer Agenda-Forum gewonnen werden konnte, beeindruckt. Dass sich inzwischen auch Jugendliche zu einer Agendagruppe zusammengefunden haben, setzt Zeichen in Sachen Nachhaltigkeit.

Foyerausstellung Agenda-Markt: Zehn Gruppen zeigten, was für sie nachhaltiges Handeln bedeutet.Foto: Markus Brändli
Foyerausstellung Agenda-Markt: Zehn Gruppen zeigten, was für sie nachhaltiges Handeln bedeutet.Foto: Markus Brändli

Kirchheim. Der im Foyer der Kirchheimer Stadthalle aufgebaute eindrucksvolle Markt unterschiedlichster Initiativen machte schon im Vorfeld des ersten Agenda-Forums unmissverständlich deutlich, was für ein erfolgreicher und längst flächendeckend etablierter Prozess sich aus der 1998 gegründeten Zukunftswerkstatt und den damals ersten fünf Arbeitsgruppen für die Stadtentwicklung und für die Stadtgesellschaft in Kirchheim gebildet hat.

Dass sich inzwischen auch eine Gruppe Jugendlicher zusammenfand, die den Agenda-Prozess naturgemäß wohl völlig anders bewerten wird als etablierte Erwachsene oder einst voller Euphorie gestartete Mitglieder der Zukunftswerkstatt, weckt berechtigte Hoffnung auf weiterhin nachhaltige und weiterführende Impulse für den Agenda-Prozess.

Dass er in Kirchheim einen „gut bestellten Acker“ vorfinde, konnte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker am Freitagabend im Kreis vieler engagierter Aktivisten dem prominenten Gastredner Professor Götz W. Werner in der zum Agenda-Forum umgestalteten Stadthalle uneingeschränkt versprechen. Auch wenn der Begriff der Nachhaltigkeit in der Teckstadt nicht unbedingt sofort auf offene Ohren gestoßen sei, habe der Agenda-Prozess eine viel Eigendynamik entwickelnde Bewegung losgetreten, die auf dem Prinzip der Gerechtigkeit basierend generationsübergreifend auf ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen setze und sich am Prinzip der Gerechtigkeit orientiere.

Architekt Matthias Bankwitz stellte zunächst das im Eisbärhaus in der Limburgstraße gelebte Prinzip der Nachhaltigkeit vor. Pro Jahr und Quadratmeter Fläche vermeldete er für das keine herkömmliche Heizung besitzende Gebäude Heiz- und Kühlkosten in Höhe von nur rund zwei Euro. Ergonomische Arbeitsplätze und physiotherapeutische Betreuung, aufbereitetes Leitungswasser, Obst und Gemüse aus der Region und ein intensiv genutztes Bürofahrrad wurden ebenfalls beispielhaft erwähnt. Das Kirchheimer Büro zählt beim bundesweiten Wettbewerb „Büro und Umwelt“ in der Kategorie „Betriebe mit weniger als 500 Mitarbeitern“ im Kreis von 320 europaweit eingereichten Bewerbungen zu den 70 ausgewählten Firmen, die mit einem entsprechenden Teil der ausgelobten EU-Fördermittel bedacht werden. Matthias Bankwitz sicherte außerdem zu, dass er und sein Team ab 2014 nicht nur energieautark sein werde, sondern auch das sprichwörtliche „papierlose Büro“ umgesetzt habe.

Gastredner Professor Götz W. Werner, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der dm-Drogeriemärkte mit Sitz in Karlsruhe und 1 600 Filialen in neun europäischen Ländern nutzte erwartungsgemäß seine Chance, auch in Kirchheim beredt für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle zu plädieren – und für seine Bücher zu werben. Auf eingeschlichene Denkfehler machte der dm-Chef im Blick auf das Bismarck´sche Sozialsystem aufmerksam, das einst felsenfest auf drei tragenden Säulen ruhte, die inzwischen längst weggebrochen seien.

Eine kontinuierlich unveränderte Berufsbiographie gebe es heute und künftig genauso wenig wie konsistente Familienverhältnisse in längst von Patch-Work-Familien bestimmten Zeiten. Ganz besonders gravierend verändert habe sich aber auch die damalige durchschnittliche Lebenserwartung von gerade einmal 52 bis 55 Jahren. Da „die Realitäten von heute die Utopie von gestern“ sind, dürfe nicht aufgehört werden, konsequent Dinge zu hinterfragen. Überzeugt davon, „dass jeder Mensch etwas aus sich machen kann, wenn man ihm nur die Möglichkeit dazu gibt“, plädiert der dm-Chef für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle. In Verbindung mit einem ebenfalls von ihm geforderten Kulturminimum sei es möglich – und auch finanzierbar – Menschen ein Leben in Freiheit und Würde und eine bescheidene aber menschenwürdige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu sichern. Von seinem geforderten Recht auf ein Grundeinkommen, das ins Grundgesetz aufgenommen werden müsse, verspricht er sich nicht zuletzt auch eine gewisse Bringschuld jedes Individuums, vorhandene Talente in der Gesellschaft wirksam werden zu lassen. Seinem Prinzip, seine Vorträge so zu gestalten, „dass die Menschen mit Fragen heimgehen“ und „nicht mit fertigen Rezepten“ wurde er auch in der Stadthalle gerecht. Genügend kontroversen Stoff für die sich anschließenden „guten Gespräche“ lieferte er mit seinen polarisierenden Aussagen zweifellos. Überzeugt davon, „dass erst im Zweifel sich mögliche Alternativen eröffnen“, teilt Professor Götz W. Werner mit dem französischen Schriftsteller Victor Hugo aber klar die Meinung, „dass nichts auf der Welt so mächtig ist wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“.