Lokales

Klotzen, nicht kleckern

Kreis Esslingen muss bis Ende nächsten Jahres 3 900 Flüchtlinge unterbringen – 240 kommen nach Hochdorf

Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Der Landkreis Esslingen rechnet bis Ende 2015 mit 3 500 bis 3 900 Flüchtlingen, denen er ein Dach über dem Kopf verschaffen muss. Aktuell stehen rund 1 450 neue Plätze auf der „To Do“-Liste des Kreises. 240 davon sollen in Hochdorf entstehen.

Noch ist von der geplanten Flüchtlingsunterkunft nichts zu sehen. Schon bald soll hier ein Wohnheim für 240 Asylbewerber entsteh
Noch ist von der geplanten Flüchtlingsunterkunft nichts zu sehen. Schon bald soll hier ein Wohnheim für 240 Asylbewerber entstehen.Foto: Jean-Luc Jacques

Kreis Esslingen. „Ohne Provisorien und ohne große Unterkünfte werden wir unsere Aufnahmeverpflichtung nicht erfüllen können“, sagte Landrat Heinz Eininger im Sozialausschuss des Kreistags. Provisorisch und groß wird das Wohnheim sein, das schon bald südlich der Sportanlage Aspen in Hochdorf aus dem Boden gestampft wird. 240 Asylbewerber sollen dort ab Februar 2015 in einer „Notunterkunft“ Unterschlupf finden, heißt es im Bericht, der im Ausschuss diskutiert wurde. Bisher ist der Standort ein schlammiger Acker, das Grundstück ist im Besitz des Landkreises. Was dort genau gebaut wird und wie lange Asylbewerber in der „Notunterkunft“ leben werden, steht noch in den Sternen.

Damit erhält die Gemeinde mit ihren rund 4 600 Einwohnern eine der größten Flüchtlingsunterkünfte des Landkreises. Nur das Kirchheimer Wohnheim in der Charlottenstraße mit seinen 280 Plätzen ist noch größer.

Und doch sind die Plätze nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man die Gesamtzahl der Flüchtlinge betrachtet, die monatlich aus Karlsruhe in den Landkreis geschickt werden. „Ich habe gegenüber der Landesaufnahmestelle einen gewissen Aufschub erreicht“, sagte Landrat Heinz Eininger, der kürzlich mit einem angekündigten Aufnahmestopp für Schlagzeilen gesorgt hatte. Dadurch sei der Kreis nun allerdings um 300 Plätze im Rückstand. „Die müssen wir zeitnah abbauen, zusätzlich zu unseren laufenden monatlichen Verpflichtungen“, so Eininger.

Und die steigen 2015 weiter. Sind es aktuell rund 1500 Flüchtlinge, die im Rahmen ihres Asylverfahrens im Landkreis untergebracht sind, werden es Ende 2015 zwischen 3 500 und 3 900 Plätze sein, die bereit stehen müssen. Dass sich die Lage bald wieder entspannt, glaubt Eininger nicht. „Die Flüchtlingsunterbringung wird uns noch lange beschäftigen“, sagte er. Deshalb wird der Landkreis im Jahr 2015 jeden Monat mindestens eine neue Unterkunft in Betrieb nehmen – von kleineren Einheiten wie in der Mittleren Straße in Dettingen mit 25 Plätzen bis hin zum großen Notstandort in Hochdorf. Insgesamt handelt es sich um etwa 1 450 geplante Plätze. Tatsächlich bräuchte der Landkreis noch einmal 1 000 Plätze mehr, um seine Aufnahmeverpflichtung zu erfüllen.

„Notunterkünfte wie die Container auf dem Parkplatz der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule oder in der Sporthalle des Schulzentrums Esslingen-Zell gefallen uns natürlich nicht, sind aber der großen Zahl an Flüchtlingen geschuldet“, sagte Eininger. Notunterkunft ist allerdings ein etwas irreführender Begriff. Tatsächlich steht im Bericht: „Über deren Nutzungszeit kann keine belastbare Aussage getroffen werden“.

Die steigenden Flüchtlingszahlen bedeuten für Verwaltung und Arbeiterwohlfahrt (AWO), die die Flüchtlinge psychosozial betreut, einen erheblichen Mehraufwand. Deshalb werden neue Stellen geschaffen. Allein beim Betrieb und der Verwaltung der Gemeinschaftsunterkünfte gibt es beispielsweise einen Mehrbedarf von 14 Stellen. Auch die AWO stellt nach Aussage ihrer Leiterin Julie Hoffmann jeden Monat Personal ein.

Ums Thema Arbeit ging es auch bei einem Projekt, das Landrat Heinz Eininger im Sozialausschuss vorstellte und das erst am Abend zuvor ins Leben gerufen worden war. Beteiligt sind die Landkreisverwaltung, die Agentur für Arbeit und das Job-Center. Ziel ist es, qualifizierte Flüchtlinge schneller in Arbeit zu bringen. „Die Flüchtlinge erhalten einen Crashkurs in Deutsch, parallel läuft eine Prüfung auf Feststellung der beruflichen Qualifikation“, so Heinz Eininger. Sei beides erfolgreich, übernehme die Arbeitsagentur die Vermittlung.

Bei 1 000 angenommenen Personen, die dafür in Frage kommen könnten, rechnet der Landkreis mit 650 000 Euro Kosten. Der größte Teil soll über Fördermittel gedeckt werden. Am Ende werden wohl 160 000 Euro am Landkreis hängen bleiben, vermutet Heinz Eininger. „Das würde sich aber schnell amortisieren“. Der Verwaltungschef hofft auf positive Effekte bei der Wohnungssuche, die Landkreis und Kommunen entlasten könnten. Zudem sei es wichtig, den Flüchtlingen eine sinnvolle Beschäftigung zu geben.

Das Projekt wurde im Ausschuss einstimmig begrüßt. „Es ist wichtig, Flüchtlinge zur Arbeit zu befähigen“, sagte Claudia Grau (Freie Wähler). Allerdings gab es auch kritische Töne zum Bericht. Willy Stoll (CDU) forderte eine „Über-Nacht-Betreuung“ in den Wohnheimen, um dort für Ruhe zu sorgen. Das sei wenig realistisch, entgegnete Heinz Eininger. Man arbeite jedoch an der Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes, der zumindest telefonisch erreichbar sei. Margarete Schick-Häberle (Grüne) wollte wissen, ob sich der Kreis um ein angeblich leer stehendes Studentenwohnheim in Esslingen bemühe. Eininger konnte dazu nichts sagen, dafür trug Ulrich Fehrlen (FDP) zur Erhellung bei. „Das Gebäude ist komplett ,ausgemostet‘ und als Unterkunft in etwa so geeignet wie das alte Krankenhaus in Nürtingen“, sagte er. Solveig Hummel (SPD) wünschte sich eine bessere Kommunikation zwischen Landkreis und Kommunen und kritisierte: „Das war in der Vergangenheit mit der Stadt Esslingen nicht immer so“.