Notzingen. Im Bürgerhaus in Wellingen sind regelmäßig die unverwechselbaren Klänge des Klaviers zu hören, hin und wieder mischen sich auch Gitarrensoli dazwischen. Zarte Flötentöne oder Geigenstriche erklingen dagegen in den Räumen der Gemeindehalle in Notzingen. Hier wie dort schleichen sich immer wieder ein paar schiefe Töne ein, doch schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und wer ein solcher werden will, muss ordentlich üben und am besten schon im Kindesalter damit anfangen. Dass Musizieren in nächster Nachbarschaft möglich ist, dafür sorgen Claudia Hauff und Traude Schrägle, die Doppelspitze der Musikschule Notzingen/Wellingen.
Drei Familien hatten sich vor über zwei Jahren zusammengefunden, um den Fortbestand der im Jahr 1973 gegründeten Musikschule Notzingen/Wellingen zu sichern und so den Kindern die Möglichkeit zu bieten, ein Instrument zu lernen, ohne dafür weite Wege in Kauf nehmen zu müssen und gemeinsam mit Freunden üben zu können. „Uns ist es wichtig, dass es eine Musikschule am Ort gibt“, sagt Claudia Hauff. Viele würden kein Instrument in Notzingen oder Wellingen spielen, gäbe es die Musikschule nicht, sind die Vorstandsfrauen überzeugt. Im Bürgerhaus steht das Klavier, das derzeit in der Bodenbachgemeinde wieder einen Boom erlebt, und auch die Gitarren werden teilweise dort unterrichtet. „Der meiste Unterricht findet jedoch in den Übungsräumen in der Gemeindehalle statt“, erklärt Traude Schrägle. Dank der ehrenamtlichen Arbeit halten sich die Gebühren im Rahmen. „Unsere Lehrer schätzen das entspannte Arbeiten bei uns“, so Traude Schrägle. Dagegen vermissen die Vorsitzenden bei manchen Eltern das Verständnis für ihre Arbeit. „Viele denken, wir sind eine Firma“, wundert sich Claudia Hauff immer wieder. Doch weit gefehlt: Zwar stellen die engagierten Frauen die Lehrkräfte ein und nehmen so Arbeitgeberfunktionen wahr – doch alles ehrenamtlich vom heimischen Schreibtisch aus. Außerdem müssen so wichtige Dinge wie beispielsweise Versicherungen für Schüler berücksichtigt werden, und wenn die Musikschule an einem Förderprogramm etwa Singen–Bewegen–Sprechen (SBS) teilnehmen will, beginnt ein Formularreigen der besonderen Art. „Das beansprucht alles sehr viel Zeit“, so die Vorsitzende.
Spannend wird es für die Vorstandsfrauen, wenn es um Neueinstellungen geht. „Wir sind ja Laien. Bei Klavierlehrern traue ich mir ein Urteil zu, aber bei einer Geigenlehrerin tue ich mir schwer“, gibt Claudia Hauff unumwunden zu. Da traf es sich gut, dass ihr Schwiegervater Geige spielt und entsprechende Kontakte hat. So unterrichtet jetzt zur Freude aller Dorothea Helling dieses schwierige Instrument. „Die ist einfach nur super“, lautet das uneingeschränkte Lob der „Chefin“. Fast alle Lehrkräfte haben ihr Instrument, das sie unterrichten, studiert: Klavier, Keyboard, Orgel, Klarinette, Oboe, klassische Gitarre, E-Gitarre, E-Bass, Violine, Bratsche, Blockflöten, Saxofon, Trompete, Horn, Posaune und Cajón. Außerdem gibt es auch musikalische Früherziehung. „Unsere Lehrer halten uns schon seit vielen Jahren die Treue“, freut sich das Führungsteam. So unterrichtet Franz Hanicz beispielsweise seit über 35 Jahren Akkordeon, Keyboard und Orgel in Notzingen.
Ein Wermutstropfen sind jedoch die fehlenden eigenen Räume. „Wir müssen für jede Stunde Miete zahlen“, verdeutlicht Claudia Hauff. Zusätzliche Übungsstunden, beispielsweise wenn noch der Feinschliff für den Wettbewerb Jugend musiziert einstudiert werden soll, würden deshalb nicht nur zusätzlich Geld kosten, sondern sind auch schwierig unterzukriegen, da die Räume äußerst begehrt sind. Hier macht sich die bunte Vereinslandschaft in der Bodenbachgemeinde bemerkbar. Die suboptimale Raumsituation tat dem musikalischen Erfolg jedoch keinen Abbruch: Die dreizehnjährige Johanna Rau (Klavier) und die erst siebenjährige Marie Helling (Geige) gewannen dieses Jahr mit 24 Punkten einen ersten Preis bei diesem Talentwettbewerb in Göppingen. „Die beiden waren richtig gut“, zeigt sich Claudia Hauff von der Leistung der jungen Musiker beeindruckt.
Um den Teamgeist im Kollegium zu stärken, gibt es zweimal im Jahr eine Lehrerkonferenz, wo auch Organisatorisches besprochen wird, etwa der Termin für das gemeinsame Vorspiel. „Dabei überlegen wir, welche Schüler und Instrumente miteinander spielen können und welche Stücke“, beschreibt Claudia Hauff die Arbeitssitzungen.
Fester Bestandteil im Musikschuljahr sind mittlerweile Besuche in Altersheimen vor Weihnachten. „Das ist eine tolle Erfahrung für alle. Die Kinder erleben, welche Freude sie mit ihrer Musik bereiten können und bekommen gleichzeitig auch Aufführungspraxis“, zählt Claudia Hauff die positiven Begleiterscheinungen auf. Mittlerweile wisse man, welche Bedeutung die Musik für den Menschen habe, erst recht, wenn es sich dabei um gemeinsame Aktionen und gemeinsames Musizieren handelt. „Musik ist etwas für die Seele, die tut einem gut und ist was Besonderes“, ist Traude Schrägle überzeugt. Mit neun Jahren lernte sie selbst in der Musikschule in Notzingen Akkordeon. Doch irgendwann landete das Instrument unbeachtet in der Ecke. „30 Jahre habe ich nicht mehr gespielt und dann wieder mit den Kindern angefangen“, verrät sie lachend. Claudia Hauff hat eine ähnliche „Karriere“ hinter sich. Bei ihr staubte das Klavier 20 Jahre vor sich hin, ehe sie wieder zu spielen begann. „Ich würde in meinem Leben nicht viel anders machen, eines aber schon: Den Klavierdeckel würde ich nicht mehr zumachen“, sagt sie. Deshalb gibt es nach dem Vorbild der Kirchheimer Musikschule seit Neuestem ein Zehnerkarten-System speziell für Erwachsene.
