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Lotse durch den BehördendschungelKontakt

Neue Flüchtlingsberatungsstelle hilft Menschen mit Aufenthaltserlaubnis beim Start in ihr neues Leben

Was steht in den Briefen des Jobcenters? Wer hilft mir bei der Arbeitssuche? Mit solchen Fragen sehen sich Flüchtlinge konfrontiert, sobald sie die Aufenthaltsgenehmigung in den Händen halten. Die neue Flüchtlingsberatungsstelle im Brückenhaus soll ihnen helfen, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden.

Renate Hirsch (Mitte) und ihre Kolleginnen lotsen Flüchtlingen durch den Behördendschungel.Foto: Markus Brändli
Renate Hirsch (Mitte) und ihre Kolleginnen lotsen Flüchtlingen durch den Behördendschungel.Foto: Markus Brändli

Kirchheim. Es ist der Schritt in die Selbstständigkeit in einem fremden Land, der viele Flüchtlinge überfordert. Während des Asylverfahrens, das ein paar Monate oder mehrere Jahre dauern kann, leben sie in Heimen, in denen sie versorgt werden. In der Kirchheimer Unterkunft in der Charlottenstraße sind es aktuell über 250 Menschen. Mit der Aufenthaltsgenehmigung ändert sich das: Plötzlich müssen die Flüchtlinge eine eigene Wohnung suchen, sind mit Jobcenter-Briefen, Stromrechnungen und vielen anderen Bescheiden konfrontiert – und das mit nur rudimentären Sprachkenntnissen.

Künftig gibt es für all diese Probleme eine Anlaufstelle: Die Beratungsstelle für Flüchtlinge im Kirchheimer Brückenhaus. Seit Juni kümmern sich dort Projektleiterin Renate Hirsch und ihre Mitarbeiterinnen Andrea Kees und Christine Helwerth-Rindle um die Belange ihrer Klienten. Angesprochen sind Menschen mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus, die sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen wollen. Die Beratungsstelle wird vom Europäischen Flüchtlingsfonds finanziert. Träger ist der Fachdienst Jugend, Bildung, Migration der Bruderhausdiakonie.

Die Beraterinnen sind allesamt Sozialpädagoginnen, alle haben Erfahrung mit Flüchtlingsarbeit. Andrea Kees, die seit 16 Jahren beim Fachdienst Jugend, Bildung, Migration angestellt ist, hat früher mit Spätaussiedlern gearbeitet. Christine Helwerth-Rindle war über zehn Jahre in einer städtischen Asylbewerberunterkunft in Esslingen beschäftigt. Außerdem arbeitete sie im Entwicklungsdienst in Afrika und engagierte sich in Kirchheim im Arbeitskreis Asyl. Renate Hirsch, die den Antrag für das Projekt gestellt hat, arbeitet seit 25 Jahren ehrenamtlich mit Flüchtlingen. Sie weiß, dass das Asylverfahren eine schwere Zeit ist, dass die Flüchtlinge aber auch danach Unterstützung brauchen. „Ich habe schon viele Familien begleitet, weil sie den Weg zu den Regeldiensten allein nicht gefunden hätten“, sagt Renate Hirsch. Sie betont, dass die Flüchtlingsberatungsstelle nicht nur für Menschen offen ist, die ihre Aufenthaltsgenehmigung gerade erst bekommen haben, sondern auch für Flüchtlinge, die schon länger hier leben. „Manche haben in beruflicher Hinsicht noch nicht Fuß gefasst“, sagt sie.

Das Angebot der Beratungsstelle lässt sich in drei Säulen gliedern. „Die Flüchtlinge können mit ihren Papieren zu uns kommen. Wir überprüfen sie dann und gehen mit ihnen zu den Behörden“, beschreibt Christine Helwerth-Rindle die erste Säule. Auch bei Fragen rund um Schule und Kindergarten, Wohnungssuche oder berufliche Orientierung stehen die Mitarbeiterinnen den Flüchtlingen zur Seite. Weiterhin sollen in der Beratungsstelle eigene Angebote entstehen. Angedacht sind ein Theaterworkshop und eine Frauengruppe. „Langfristig wäre es auch schön, wenn die Flüchtlinge selbst ehrenamtlich aktiv werden würden“, sagt Renate Hirsch.

Die Flüchtlingsberatungsstelle versteht sich als Teil eines Netzwerks. „Wir haben in Kirchheim eine sehr gute soziale Infrastruktur“, sagt Renate Hirsch. Aufgabe der Beratungsstelle sei es, den Flüchtlingen den Zugang zu diesen Institutionen zu ebnen. Kooperationspartner sind die Volkshochschule Kirchheim, die Familien-Bildungsstätte, der Kreisjugendring, Caritas, die Stadt Kirchheim und der Landkreis Esslingen. Umgekehrt will die Flüchtlingsberatungsstelle auch Ansprechpartner für Menschen sein, die mit Flüchtlingen zu tun haben.

Renate Hirsch ist es wichtig, dass die Flüchtlinge sich nicht nur irgendwie im Alltag zurechtfinden, sondern dass sie in der Stadt Wurzeln schlagen. „Das geht aber nur über persönliche Kontakte“, sagt sie. Deshalb suchen sie und ihre Kolleginnen Paten aus Kirchheim und Umgebung, die mit Flüchtlingen Ausflüge unternehmen, sie einmal zum Tee einladen oder sie zu einem Elternabend begleiten. Interessierte können sich bei der Beratungsstelle melden.