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Mäusen geht‘s an den Kragen

Notzingen lässt die Tradition der Schwanzprämie wieder aufleben

Wühlmäuse lieben die Wurzeln von jungen Obstbäumen, weshalb mancher Gütlesbesitzer wieder mit speziellen Fallen gegen die Nager
Wühlmäuse lieben die Wurzeln von jungen Obstbäumen, weshalb mancher Gütlesbesitzer wieder mit speziellen Fallen gegen die Nager vorgeht. Foto: Gerhard Eppinger

Notzingen. Unverhofft kommt oft, und so hatte es der allerletzte Tagesordnungspunkt in einer ansonsten routinemäßigen Sitzung wider Erwarten in sich. Auslöser war die Anfrage eines Bürgers an Bürgermeister Sven Haumacher, ob man denn

in Notzingen nicht wieder eine Wühlmausfangprämie einführen könnte. Eine derartige Anfrage traf den jungen Schultes etwas unvorbereitet, weshalb er sich erst im Internet schlaumachen musste, was sich hinter diesem Ansinnen verbirgt. Prompt wurde er auf Wikipedia fündig und stieß auf den Begriff Schwanzprämie – was für allgemeine Erheiterung im Ratsrund sorgte.

„Als Schwanzprämie oder Mausschwanzprämie wird eine traditionelle Prämie bezeichnet, die für das Fangen von Mäusen beziehungsweise vor allem von Wühlmäusen ausgelobt wird. Es handelt sich dabei um eine finanzielle Vergütung, die für jedes gefangene und getötete Tier gezahlt wird. Der früher weit verbreitete Brauch war in jüngerer Zeit noch an vielen Orten in Südbaden und der Schweiz anzutreffen. Auslober war beziehungsweise ist meist die jeweilige Gemeinde. Der Nachweis erfolgt traditionell durch Vorlegen des abgeschnittenen Mausschwanzes. Die Beseitigung des restlichen toten Tieres obliegt in der Regel dem Mäusejäger. Heute ist diese Tradition nur noch im südbadischen Dorf Hohentengen am Hochrhein sowie in verschiedenen Regionen der Schweiz bekannt“, zitierte Sven Haumacher die Internet-Enzyklopädie.

Jetzt also auch wieder im württembergischen Notzingen? Um in dieser Frage auch historisch auf sicherem Boden zu sein, kontaktierte Sven Haumacher seinen Amtsvorgänger Jochen Flogaus. Bei dem Gespräch erfuhr er, dass diese Prämie in der Bodenbachgemeinde nie abgeschafft wurde, sondern lediglich „eingeschlafen“ ist. Ferner verschwieg Sven Haumacher auch die Ansicht der Tierschützer nicht, die ein Ende dieses Brauchs fordern.

Letzteres sorgte vor allem bei Erhard Reichle für ungläubiges Kopfschütteln und deutliche Worte. „Einerseits fördern wir die Neupflanzung von Obstbäumen. Die Wurzeln muss man aber wühlmaussicher hinter Gitter in die Erde setzen. Die Nager mögen die kleinen frischen Wurzeln besonders gern. Deshalb können wir die Prämie durchaus wieder ausloben“, sagte er und erntete dafür Kopfnicken. Schließlich steht die Wühlmaus, auch Schermaus genannt, nicht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Die etwa 15 Zentimeter großen Tiere können auch bei Beerensträuchern und Gemüsekulturen Schäden anrichten, und mancher Eigenheimbesitzer ist wenig begeistert, wenn sich die ungebeteten Gäste an Ziergehölzen und Blumenzwiebeln laben.

Doch wo den Kadaver beziehungsweise Schwanz als Beweisstück abgeben? Dies ließ Hauptamtsleiterin Claudia Marquardt leicht nervös in die Runde schauen. „Früher konnte man die bei dem ein oder anderen Bauhofmitarbeiter auch zu Hause abgeben“, erklärte Roland Böbel zur Verwunderung mancher Ratskollegen. Das Zuhause sei tabu, die Mäuse könnten aber durchaus beim Bauhof abgegeben werden, etwa während der üblichen Öffnungszeiten der Grünschnittsammelstelle, so der Tenor im Gremium. „Wollt ihr wirklich den Bauhofmitarbeitern das zumuten“, fragte Helga Merz ungläubig, fand aber kein Gehör. Daraufhin ließ Sven Haumacher abstimmen. Bei drei Gegen- und neun Ja-Stimmen sprach sich die Mehrheit des Gemeinderats für das Aufleben der Tradition in Notzingen aus.

Blieb noch die Frage zu klären, wie hoch die Prämie für die Wühlmaus ausfallen sollte. „50 Cent pro Schwanz.“ Dieser Vorschlag von Sven Haumacher fand ebenfalls die Zustimmung des Gemeinderats.