Lokales

Musik sagt mehr als tausend Worte

Flüchtlingsmusikprojekt in der Linde bringt Asylsuchende und Kirchheimer in einem Probenraum zusammen

Lassen den Gewölbekeller der Linde erbeben (von links): Sidi, Viktor, Flo, Elyan, Evan, Naser sowie vorne Stefanie, Markus, Isma
Lassen den Gewölbekeller der Linde erbeben (von links): Sidi, Viktor, Flo, Elyan, Evan, Naser sowie vorne Stefanie, Markus, Ismail und Sarah.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Im Gewölbekeller des Mehrgenerationenhauses Linde steht eine bunte Truppe auf der Bühne. Der Bassist ist unverkennbar deutsch, der Sänger ist Iraker, der Keyboarder Serbe. Rein äußerlich

haben die Musiker nichts gemeinsam, auch ihr Hintergrund könnte nicht unterschiedlicher sein. Was sie verbindet, ist der Spaß an der Musik.

Einmal wöchentlich probt die Band, die aus einem Musikprojekt der Flüchtlingsberatungsstelle „Chai“, des AK Asyl und des Club Bastion hervorgegangen ist, in der Linde. Die Musiker sind Deutsche, Flüchtlinge im Asylverfahren, die in der Kirchheimer Unterkunft in der Charlottenstraße leben, und anerkannte Flüchtlinge. Im Durchschnitt stehen 13 bis 15 Musiker auf der Bühne, die gemeinsam das spielen, was allen Spaß macht. Leistungsdruck? Fehlanzeige. „Wer mitmacht, muss kein super Musiker sein“, sagt Serour Sidahmed, selbst ehemaliger Flüchtling und „Chef“ der Truppe. „Jeder macht das, was er kann.“

Serour Sidahmed weiß, wie wichtig es ist, dass Asylbewerber aus der Unterkunft herauskommen und Deutsche treffen. „Die Flüchtlinge sind sehr isoliert. Hier lernen sie eine andere Seite des Lebens kennen“, sagt er. In der staatlichen Unterkunft für Asylbewerber in Kirchheim leben aktuell etwa 280 Flüchtlinge, die auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten. Anlässe, bei denen sie Deutsche treffen könnte, gibt es zu wenige. Es sei wichtig, dass Kontakte zwischen Flüchtlingen und Kirchheimern entstehen könnten, sagt auch Anja Mayer vom Club Bastion, die in der Band Saxofon spielt. „Für die Flüchtlinge ist das Projekt eine Möglichkeit, aus der Trostlosigkeit herauszukommen.“

Der Club Bastion setzt sich auch außerhalb des Projekts für die Asylsuchenden ein, indem er seit Oktober Freikarten für Konzerte in der staatlichen Unterkunft verteilt. Die Flüchtlinge, die sich wegen ihres kargen Taschengelds den Eintritt sonst nicht leisten könnten, sollen so die Möglichkeit erhalten, an kulturellen Events teilzunehmen. „Die Freikarten werden von einigen sehr gut angenommen“, freut sich Anja Mayer.

Stefanie Thalhofer, stellvertretende Hausleiterin des Mehrgenerationenhauses und unter anderem zuständig für Integration, weiß um die Berührungsängste, die es häufig zwischen Deutschen und Flüchtlingen gibt. „Musik ist ein Medium, mit dem man sie ausschalten kann“, sagt sie. Anja Mayer stimmt ihr zu: „Musik verbindet, auch wenn nicht alle so gut deutsch sprechen.“ Einige der Musiker sprechen tatsächlich überhaupt kein Deutsch, dafür aber Arabisch, Französisch oder Englisch. Während der Probe wird jedoch schnell klar, dass es beim gemeinsamen Musikmachen nicht vieler Worte bedarf: Einer spielt los und die anderen stimmen mit ein. „Man schaut, was sich ergibt“, sagt Stefanie Thalhofer. „Die Musik darf leben und sich entwickeln.“