Lokales

Senioren entdecken die digitale Welt

Projekt „SONIA“: Tablet-PCs sollen sozial integriertes Leben im Alter fördern und Vereinsamung vorbeugen

Die Bevölkerung wird immer älter. Wie aber sieht ein sorgenfreies, selbstbestimmtes Leben im Alter aus? Kann moderne Technik Senioren dabei unterstützen? Diesen Fragen soll jetzt mit dem Projekt „SONIA“ nachgegangen werden.

Erste Schritte in der digitalen Welt: Was für die Jugend längst selbstverständlich ist, stellt heutzutage für viele Senioren Neu
Erste Schritte in der digitalen Welt: Was für die Jugend längst selbstverständlich ist, stellt heutzutage für viele Senioren Neuland dar. Das Projekt „SONIA“ soll jetzt herausfinden, wie moderne Technik ältere Menschen in ihrem Alltag unterstützen kann.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Diese Woche fiel im Seniorenzentrum Sankt Hedwig in Kirchheim der Startschuss für das Projekt „SONIA – Soziale Inklusion durch technikgestützte Kommunikationsangebote im Stadt-Land-Vergleich“. Was zunächst sehr sperrig klingt, lässt sich laut Petra Gaugisch vom Fraunhofer Institut für Arbeit und Organisation (IAO) wie folgt zusammenfassen: „Es geht darum, herauszufinden, ob und wie ältere Menschen aktiv am alltäglichen Leben teilnehmen und ob moderne Geräte wie Tablet-PCs sie dabei unterstützen und ihre Lebenssituation verbessern können.“ Hierzu wurde bereits im Vorfeld in Zusammenarbeit mit der Keppler-Stiftung und der Quartiersleitung des Rauner in Gesprächen und Interviews mit den Bewohnern festgestellt, was für Bedürfnisse bestehen und wie man diese technisch unterstützen kann.

„Es ist uns wichtig, dass das Projekt nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern sich in bestehende Strukturen integriert“, erklärt Dr. Dietmar Becker vom Entwicklungszentrum „Gut altwerden“ in Sindelfingen. Deshalb habe man sich das Raunerquartier ausgesucht, da hier eine lebendige Nachbarschaft existiere, die „geprägt ist von gegenseitiger Unterstützung und Solidarität“.

15 Senioren haben sich für die erste Phase des Projekts gemeldet und bekamen nun jeweils einen Tablet-PC überreicht, der sie im kommenden Jahr im Alltag begleiten soll. Eine 80-jährige Teilnehmerin erzählt: „Ich bin, was Computer und neumodische Technik angeht, ein unbeschriebenes Blatt“. „Neugierig bin ich. Bei den Geräten habe ich aber immer Angst, etwas kaputt zu machen.“ Mit dieser Sorge ist sie nicht alleine: Ganz vorsichtig nehmen die Senioren ihre neuen Geräte aus den Verpackungen. „Wie Weihnachten, aber vielleicht nicht ganz so feierlich“, scherzt ein Teilnehmer dabei. Nach den ersten skeptischen Blicken und einer grundlegenden Einführung in die Bedienung sind aber die anfänglichen Hemmungen abgebaut. Während die einen ihre ersten Fotos mit dem Tablet knipsen, überprüfen andere den Fahrplan des öffentlichen Nahverkehrs im Internet.

Nach und nach werden sie tiefer in die digitale Welt eintauchen. Videotelefonie per Skype, E-Mails und Begriffe wie „Google“ und „Facebook“ sollen ihnen bald keine Fremdworte mehr sein. In regelmäßigen Befragungen berichten die Senioren außerdem von ihren Erfahrungen mit den Geräten. „Dabei beobachten wir das Nutzungsverhalten, um herauszufinden, ob es Veränderungen im Sozialverhalten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Geschlechtern, Altersgruppen und den Viel- und Wenignutzern gibt“, erklärt Professor Dr. Gerhard Eschweiler vom Geriatrischen Zentrum am Universitätsklinikum Tübingen.

Im Gespräch ist bereits eine eigene Benutzeroberfläche, die speziell auf die Bewohner des Rauner-Quartiers zugeschnitten ist: Hier sollen sie untereinander in Kontakt treten, sich zu Spaziergängen und Ausflügen verabreden und Gemeinschaften bilden können. „Idealerweise soll die bestehende Gemeinschaft des Rauner durch moderne Kommunikationstechnologien noch enger zusammenwachsen, und der Vereinsamung soll vorgebeugt werden“, sagt Dr. Dietmar Becker. Wie „SONIA“ sich letztlich entwickelt und was für Erkenntnisse gewonnen werden, wird sich im Lauf des Jahres zeigen. „Wir sind alle sehr gespannt.“

Verbundprojekt „SONIA“ – Selbstständig leben im Alter

Seit 2013 unterstützt das Land Baden-Württemberg Forschungsprojekte wie „SONIA“, in denen untersucht wird, wie das Leben und Wohnen seniorenfreundlicher wird. Mit im Boot sind neben dem baden-württembergischen Sozialministerium auch die Hochschule Furtwangen University (HFU), das Entwicklungszentrum „Gut altwerden“ in Sindelfingen, das Geriatrische Zentrum der Universität Tübingen und die Fraunhofer Institute für Arbeit und Organisation (IAO) sowie für System- und Innovationsforschung (ISI). Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.verbundprojekt-sonia.de.