Lokales

Tödliche Lichtfallen für Nachtfalter

NABU spricht sich für LED-Leuchten und begrenzte Zeitfenster am Radweg aus

Für ein Miteinander von Mensch und Natur wirbt Dr. Wulf Gatter, Vorsitzender der NABU-Ortsgruppe Kirchheim und Lenninger Tal. In Sachen Radwegbeleuchtung zwischen Kirchheim und Notzingen macht er auf die Naturschutzbelange aufmerksam.

Die Beleuchtung des Radwegs soll aus Sicht der Naturschützer auch die Belange der Insekten berücksichtigen. Foto: Jean-Luc Jacqu
Die Beleuchtung des Radwegs soll aus Sicht der Naturschützer auch die Belange der Insekten berücksichtigen. Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim/Notzingen. „Die alten Quecksilberdampflampen und Natriumdampflampen sind für Vögel kein Problem – für das Gesamtökosystem dagegen jedoch ein sehr großes. Die Insekten werden von dem Licht regelrecht aus dem Wald abgefischt“, sagt Dr. Wulf Gatter im Hinblick auf die geplante Radwegbeleuchtung zwischen Kirchheim und Notzingen außerhalb der Wohnbebauung. Sowohl der Technische Ausschuss in Kirchheim als auch der Notzinger Gemeinderat hatten grünes Licht für dieses Vorhaben gegeben.

Der NABU-Vorsitzende findet dras­tische Worte: „Solche Lichtlinien können Waldgebiete regelrecht leersaugen, denn auf viele Insektenarten hat die Helligkeit eine verheerende Wirkung: Sie können den Lichtkegel nicht verlassen.“ Die Falter werden von den Lampen magisch angezogen und bleiben dort hängen. Völlig erschöpft vom Dauerfliegen fallen sie irgendwann zu Boden, werden überfahren oder sind leichte Beute für Füchse, Vögel und andere Fraßfeinde, die mittlerweile Lichtquellen jeder Art gezielt ansteuern. Manchmal werden sogar Vögel Opfer des hellen Lichts. So lagen im vergangenen Dezember auf dem Sportplatz Bühl in Unterlenningen völlig erschöpfte Waldschnepfen, die auf ihrem Weg in die Winterquartiere ohne Unterlass um die Strahler flogen.

Weshalb sich insbesondere Insekten vom Kunstlicht täuschen lassen, ist den Wissenschaftlern noch ein völliges Rätsel. „In hellen Vollmondnächten lassen sich die Insekten nicht anlocken, bei dunklem Nachthimmel werden sie jedoch irritiert und können sich offensichtlich nicht mehr orientieren“, sagt Wulf Gatter. Rasch fliegende Arten wie Schwärmer oder Eulenfalter schwirren in den Wäldern mehrere Stunden am Abend auf Parternsuche umher. Manche Arten haben für die Fortpflanzung nur drei bis vier Tage Zeit, ehe sie sozusagen planmäßig verenden. „Wenn das Licht nicht abgestellt wird, schwirren sie die ganze Nacht um das Licht“, so Wulf Gatter. Seiner Ansicht nach sollten daher die Leuchten spätestens um 23 Uhr abgestellt werden. „Dafür ist ein eigener Stromkreis nötig. Es macht keinen Sinn, diesen Lampenstrang an die normale Zeitschaltuhr der Stadt zu koppeln“, lautet die Forderung des Naturschützers.

Als Lichtquelle kommt für ihn und seine Mitstreiter nur die neue LED-Technik in Frage, da diese Leuchten fast kein unerwünschtes Streulicht in den Nachthimmel werfen, sondern eben nur auf den Radweg. Sie gelten zudem als insektenfreundlich, weil ihr Licht fast nicht in den Frequenzbereichen strahlt, die für Insektenaugen besonders empfindlich sind. Diesbezüglich sind sich also sämtliche Beteiligte einig, denn für LED-Lampen hatten sich sowohl der Notzinger Gemeinderat als auch die Mitglieder des Ausschusses in Kirchheim bereits in den entsprechenden Sitzungen ausgesprochen. Neben der Insektenfreundlichkeit waren für die Räte die Betriebskosten ein Entscheidungskriterium. Die höheren Anschaffungskos­ten der LED-Leuchten amortisieren sich nach etwa zehn Jahren wegen des niedrigeren Stromverbrauchs gegen­über den üblichen Lampen.

„Es geht nicht um einzelne Arten wie den Halsbandschnäpper, sondern um den Schutz von Lebensräumen, in denen Vögel an der Spitze der Nahrungskette stehen“, benennt Wulf Gatter sein Anliegen. Dem Ornithologen liegt der Wald im Hohenreisach mit seiner Artenvielfalt sehr am Herzen. Nicht umsonst sei er Teil des Vogelschutzgebiets. In dem alten Laubwald leben dank der vielen großen Eichen weit über 400 Insektenarten, darunter über 200 verschiedene Schmetterlinge. Sie dienen als Falter oder Larven vielen Vogelarten als Nahrung. „Vogelarten der Roten Liste wie Kuckuck, Pirol oder Neuntöter leben hier und mit Mittelspecht, Grauspecht und Halsbandschnäpper drei Arten mit beschränktem Verbreitungsgebiet, die dort, wo sie vorkommen, besonderen Schutz genießen“, zeigt Wulf Gatter die Besonderheit dieses relativ kleinen Waldgebiets auf.

Wie negativ der Mensch auf das Ökosystem im Hohenreisach eingewirkt hat, verdeutlicht er anhand der Maikäferbekämpfung Ende der1950er- Jahre. „Einst war dort der Hirschkäfer häufig, aber auch Eremit und Eichen-Heldbock. Nach der chemischen Keule waren fast alle Großinsekten ausgelöscht. Der Bestand hat sich bis heute nicht erholt“, so der NABU-Vorsitzende. Vor diesem Hintergrund versteht er auch nicht die Spritzungen gegen den Eichenprozessionsspinner, da sie eben nicht nur den Schädling bekämpfen.