Kirchheim. Wer eine Katze hat und in den Urlaub fahren möchte, braucht hilfsbereite Menschen, die sich um die Samtpfote kümmern, solange Herrchen und Frauchen die Seele baumeln lassen – denn für Katzen kommen Reisen eigentlich nicht infrage. Genau aus diesem Grund hat sich in Kirchheim vor vier Jahren eine kleine Gruppe von Katzenbesitzern zusammengefunden und die Regionalgruppe Kirchheim des Freundeskreises Katze und Mensch gegründet. „Der Hauptteil der Vereinsarbeit ist das gegenseitige Betreuen“, sagt Harald Hochmann. Zusammen mit Birgit Hayler leitet er die Regionalgruppe. Mittlerweile gehören ihr 80 Mitglieder aus der ganzen Teckregion an.
„Eine Katze ist für viele wie ein Familienmitglied. Wenn man weiß, dass sie gut versorgt ist, fährt man viel entspannter in den Urlaub“, weiß der Erste Vorsitzende aus eigener Erfahrung. Am eigenen Leib erfahren hat er auch, wie es ist, wenn einem plötzlich eine Betreuungsperson fehlt. „Eigentlich haben sich immer meine Kinder um die Tiere gekümmert, wenn wir weg waren“, erzählt der 73-Jährige, der zwei Katzen hat. Dann kam zum ersten Mal der Fall, dass keiner da war. „Damals habe ich gedacht: Ich brauche noch etwas anderes.“ Genau in dieses Zeit fiel die Gründung der Kirchheimer Gruppe.
„Betreust du meine Katze, betreue ich deine Katze“, lautet das Motto des Vereins. Und genau darauf kommt es den Verantwortlichen auch an: „Wir suchen zwar nach wie vor neue Mitglieder – aber nicht, um eine möglichst große Zahl zu erreichen, sondern um auch in Zukunft alle Betreuungsanfragen abdecken zu können“, betont Harald Hochmann. Im Klartext heißt das eben auch: Erwünscht sind nur Katzenbesitzer, die auch mal ein anderes Tier versorgen können und wollen. Betreuungen gegen Geld gibt es nicht. Stattdessen hat der Verein ein Punktesystem etabliert: Übernimmt jemand eine „Urlaubsvertretung“ , bekommt er für jeden Tag einen Punkt gutgeschrieben. Wer sein Tier betreuen lässt, dem wird pro Tag ein Punkt abgezogen.
Auch wenn es meist um den Urlaub geht – „fast noch wichtiger sind die Fälle, in denen die Besitzer krank sind und ins Krankenhaus müssen“, weiß Harald Hochmann. Oftmals kommen dann sehr kurzfristige und dringende Betreuungsanfragen. „Wir konnten bis jetzt aber ausnahmslos alle Wünsche abdecken“, freut er sich, dass das Konzept der organisierten Nachbarschaftshilfe so gut aufgeht. „Der Clou dabei ist, dass es feste Betreuungspartnerschaften geben kann, aber nicht muss“, geht Hochmann auf die hohe Flexibilität ein. So kann ein Katzenbesitzer seinen Vierbeiner von einem Mitglied betreuen lassen, selbst aber wiederum die Katzen eines ganz anderen Mitglieds versorgen, wenn das zeitlich besser für ihn passt.
Die beiden Vorsitzenden selbst haben schon eine Menge Erfahrung in Sachen Catsitting. „Mir macht es Spaß, andere Katzen zu betreuen“, sagt die Zweite Vorsitzende Birgit Hayler, die selbst drei Samtpfoten besitzt und ehrenamtlich im Kirchheimer Katzenheim hilft. Falls noch andere Tiere wie Fische, Hasen oder Meerschweinchen mit im Haushalt des Mitglieds leben, versorgt die 49-Jährige sie einfach mit. „Ich leere auch den Briefkasten, gieße die Blumen und schicke den Besitzern immer wieder mal eine SMS, wie es der Katze geht, oder eine MMS mit Foto“, erzählt sie lachend. Ein Service, der so manchem Katzenbesitzer den Urlaub versüßt.
„Als Betreuer übernimmt man schon eine gewisse Verantwortung“, weiß Harald Hochmann. Das gelte ja nicht nur für die Katze, sondern auch für die Wohnung oder das Haus. „Die gegenseitige Betreuung ist Vertrauenssache“, ist er sich bewusst. „Man lässt Fremde ins Haus und geht in fremde Häuser.“ Der Verein sorge vor, indem er von jedem Mitglied den Personalausweis anfordere, Adresse aufliste und einmal im Monat einen Stammtisch in Jesingen anbiete, bei dem sich die Katzenbesitzer kennenlernen und austauschen können. Außerdem geht jeder Betreuung ein persönliches Treffen voraus, bei dem sich Menschen und Tiere beschnuppern können.
Vorteile des Netzwerks sieht Hochmann auch darin, dass Katzenkenner die Urlaubsversorgung übernehmen. Das ist zum Beispiel dann wichtig, wenn die Tiere regelmäßig Medikamente und Spezialfutter brauchen oder während der Abwesenheit des Besitzers akut erkranken. „Das ist mir schon zwei Mal passiert“, erzählt Hochmann. Einmal hatte ein Pflegling Verstopfung, ein anderes Mal kam die Katze mit einer blutenden Pfote nach Hause. Harald Hochmann brachte sie beide zum Arzt – eine Aufgabe, die so manchen Katzenlaien vor Probleme gestellt hätte.
Neben der gegenseitigen Betreuung engagieren sich die Katzenfreunde auch für Tiere in Not. „Der Verein gibt 97 Prozent aller Mitgliedsbeiträge für den Tierschutz aus“, sagt Harald Hochmann. Verwendet wird das Geld etwa, um wild lebende, kranke und verwahrloste Katzen einzufangen, kastrieren und behandeln zu lassen – eine Aufgabe, bei der sich der Vorsitzende auch persönlich engagiert. Für Tiere, die nicht mehr vermittelt und gezähmt werden können, richtet der Verein Futterplätze ein.
Das E-Mail-Netzwerk der Katzenfreunde, über das auch die Betreuungen abgewickelt werden, hat übrigens einen weiteren Nebeneffekt: Es hilft, Katzen an neue Besitzer zu vermitteln oder entlaufene Tiere zu finden.
