Lokales

Verneigung vor einem Klassiker

Standardwerk „Geologie von Baden-Württemberg“ präsentiert sich als eigenständige Neuerscheinung

Wenn bei der Vorstellung der fünften Auflage eines Buches die Garderobe schon frühzeitig überfordert ist, muss es sich zweifellos um etwas ganz Besonderes handeln. Das trifft auf das lange vergriffene Standardwerk „Geologie von Baden-Württemberg“ zweifellos zu.

Holzmaden. Schon 1964 hatten die beiden Gründungsväter dieses Klassikers formuliert: „Wer sich mit der Geologie Baden-Württembergs beschäftigen will, wird sich des Mangels einer zusammenfassenden Übersicht bewusst, der gegenwärtig im Schrifttum besteht“. O. F. Geyer und M. P. Gwinner hatten sich dafür engagiert, fundiert Abhilfe zu schaffen und sich zu Lebzeiten auch unermüdlich darum bemüht, ihr Werk von Auflage zu Auflage immer auf dem aktuellen Stand zu halten.

Die „Nachfahren“ Dr. Matthias Geyer, Dr. Edgar Nitsch und Professor Dr. Theo Simon konnten jetzt im Kreis ausgewiesener Experten ihr bei der Schweizerbart’schen Verlagsbuchhandlung erschienenes Werk präsentieren. Ein passenderer Ort als das Urwelt-Museum Hauff in Holzmaden hätte für die viel beachtete Buchvorstellung wohl kaum gewählt werden können.

Diplom-Geologe Rolf Bernhard Hauff erinnerte sich zunächst an die legendären Vorlesungen von Professor Frank Westphal, der die Geologie Südwestdeutschlands einst mit einem „Teller mit abgeschlagenem Rand mit Linsen und Spätzle“ ver­glichen hatte. Der Teller stand dabei für das paläozoische Grundgebirge, der abgeschlagene Rand für den Rheintalgraben, die Linsen für die Trias mit Bundsandstein, Muschelkalk und Keuper und die Spätzle für die Schwäbische Alb mit Juraablagerungen und oberschwäbischem Molassebecken. Sehr gerne ergänzte der Hausherr das stimmige Bild um die ihm noch fehlenden Würstle, deren Rolle er den Sauriern zuerkannte.

Der souveräne Gastgeber konnte auch gleich zeigen, was die Stunde geschlagen hat. Professor Dr. Michael Bauer, Leiter des Medienlabors der Hochschule Aalen und zuständig für die Weiterentwicklung der Didaktik und Computertechnik des Museums, konnte die von ihm entwickelte „Geo­logische Uhr“ vorstellen, in die man sich seit Beginn des Jahres im Urweltmuseum Hauff per Touchscreen vertiefen kann.

Der Medienexperte gewährte eindrucksvolle Einblicke in die im anschaulichen Zeitraffer als 12-Stunden-Tag eingerichtete Erdgeschichte, bei der etwa die Kontinental-Verschiebung oder auch die Entstehung der Alpen in faszinierenden Animationen dargestellt sind.

Die Information, dass die animierte Erdgeschichte als iPhone-App vorliegt, erstaunte das Publikum. Für den Leiter des Steinbeiszentrums Aalen ist es aber ein sicheres Zeichen dafür, dass die viel gescholtenen neuen Medien tatsächlich komplexere Inhalte transportieren können als Votings darüber, wer im Dschungelcamp bleiben darf . . . Ein weiteres Argument für handy-kompatibles Wissen über die Erdgeschichte hatte der pragmatische Medienexperte ebenfalls parat: Ein solcherart aufgeladenes iPhone eigne sich schließlich hervorragend „als moderner Spickzettel“.

Bevor Professor Dr. Theo Simon im Namen des Autorenteams die inhaltliche Ausrichtung des neuen Buches vorstellte, kamen zunächst Vertreter des Verlages zu Wort. Dr. Eberhard Nägele blickte zurück auf die interessante Geschichte dieses nun schon „in dritter Generation“ vorliegenden Standard-Werks, an dem sich zugleich auch die Entwicklung der Drucktechnik der letzten fünf Jahrzehnte ablesen lasse.

Dr. Walter Obermiller zeigte das „kumulative Resultat der Evolution“ des neu aufgelegten Bandes auf, der sich von über 200 Seiten in der ersten und zweiten auf knapp unter 500 Seiten in der dritten und vierten Auflage steigerte und jetzt mit 627 Seiten aufwartet. Um eine weitere Zunahme des Umfangs zu vermeiden, waren rund 65 Prozent der bisher zitierten Literatur durch neue Verweise ersetzt worden.

Professor Dr. Simon, der mit Dr. Matthias Geyer, Dr. Edgar Nitsch und zwölf Mitarbeitern des Verlages Schweizerbart fünf Jahre an der neuen Ausgabe gearbeitet hatte, bewunderte rückblickend „unseren Mut, die gewaltige Fülle an Material bewältigen zu wollen“. Knapp und präzise führte er durch die einzelnen Kapitel des Bandes, der zwar nicht nur für Fachwissenschaftler geschrieben sei, bei Laien aber doch geologisches Grundwissen voraussetze.

Überzeugt davon, dass niemand, der dieses Werk zur Hand nimmt, entspannende Bettlektüre erwarte, hatte Professor Simon als kurzweilige Leseprobe das nur zwei Seiten starke „Kapitel 3.1.5.2.: Fyschserie und Andesitkomplex der Badenweiler-Lenzkirch-Zone“ ausgewählt. Im Blick auf einen weiterhin entspann­ten Fortgang des Premierenabends entschied er sich im letzten Moment dann aber doch, auch dieses Kapitel der eigenständigen Lektüre der geneigten Besucher der Buchvorstellung zu überlassen . . .